Nun werden wohl auch Tornados der Bundeswehr den Himmel über Syrien bevölkern. Als Aufklärer in der Luft werden sie nicht unmittelbar zu den Bombenteppichen beitragen, wohl aber die Präzision steigern, mit der das syrische Staatsgebiet derzeit in Schutt und Asche gelegt wird. Amerikaner, Russen, Dänen und Franzosen sitzen in den Flugzeugen, um angeblich oder ausschließlich den selbsternannten Islamischen Staat zu eliminieren. Ratsam wäre es, dabei den kleinen Grenzverkehr zwischen Türkei und IS nicht zu übersehen. Es könnte kritische Journalisten in der Türkei entlasten, die im Gefängnis landen, weil sie darüber berichtet haben, dass mit Waffen beladene LkW nächtlich von der Türkei nach Syrien wechseln; was natürlich hartnäckig dementiert wird. Der Chefredakteur der oppositionellen Zeitung Hürriyet (Freiheit) und ein Reporter, die das berichtet haben, sind verhaftet worden und sollen wegen angeblicher Spionage und Mitgliedschaft in einer Kriminellen Vereinigung angeklagt werden.
Den Abschuss eines russischen Bombers durch türkische Streitkräfte, wird der IS mit Genugtuung registriert haben und vielleicht dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan den Gefallen tun, und eine Weile davon abzusehen, Anschläge auf türkischem Boden anzuordnen. Der türkische Staatspräsident spielt ein doppeltes Spiel: Als NATO-Mitglied und EU-Aspirant ist ihm dennoch jedes Mittel recht, auch Waffenlieferungen an den IS, um die Kurden an der Bildung eines Staates an der Grenze zur Türkei zu hindern. Zwei Millionen syrische Flüchtlinge in Geiselhaft sind ein Unterpfand dafür, dass er internationale Verurteilung für diese Politik nicht zu fürchten hat. Die jämmerliche Lage in den Flüchtlingscamps in der Türkei wird sich kaum bessern, auch wenn die EU und vor allem Deutschland sich mit Milliardenbeträgen an deren Kosten beteiligen. Das Geld dürfte zu einem großen Teil in Säckel einer korrupten Staatsführung versickern.
All diese Fragen wurden in der Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt 2016 kaum angesprochen. Realpolitik ist gefragt und darunter verstehen sich dann auch Panzerlieferungen an Saudi Arabien, dessen sprudelnde Ölquellen kräftige finanzielle Unterstützung des IS durch die Saudis sicherstellen. Der islamistische Gottesstaat Saudi Arabien versorgt die Koranschulen, nicht nur des IS, mit Schulungsmaterial des im Lande geltenden reaktionären wahabistischen Islam. In Saudi Arabien werden mehr Menschen durch die von Henker und Schwertstreich vollzogene Trennung von Kopf und Rumpf zu Tode gebracht als im Islamischen Staat. Die mildere Form der Todesstrafe wird durch Peitschenhiebe vollzogen. Für die Tragödie ihrer Glaubensbrüder im Nahen Syrien hatten die Saudis das Angebot, die Fluchtländer mit dem Bau von Moscheen zu versorgen.
Das wird also eine interessante Koalition, die der französische Staatspräsident da zusammen bringen will. Es käme einem Wunder gleich, wenn die in Wien tagende Syrien-Konferenz mit den USA, Russland, Türkei, der Europäischen Union, die mit Iran, Irak, Saudi Arabien gemeinsam zu Tisch sitzen, einen Waffenstillstand und eine politische Lösung des Syrienkonflikts zustande brächten. Die widersprüchlichen Interessen lassen Optimismus eigentlich nicht zu. Dennoch ist Diplomatie und Hartnäckigkeit immer noch wichtiger als jede militärische Antwort.
Dabei ist klar, dass sich ein Teil der EU-Mitglieder von Ungarn, über Polen bis zur tschechischen Republik jeder Lösung, die solidarisches Handeln erfordert, verweigern werden. Auch darüber war in der Generaldebatte des Bundestages nichts zu hören. Ebenso wenig darüber, dass in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte brennen, dass Hetzjagden von Neonazis auf Flüchtlinge Schlagzeilen machen und mittlerweile über 500 Attacken gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte registriert wurden.
Der Bundestag hat eine Chance vertan, den Menschen in Deutschland die komplexe politische Weltlage nahe zu bringen. Als Mitglied der großen Koalition, auffallend die schwächliche Intervention des SPD-Fraktionsvorsitzenden. Immerhin forderte er dazu auf, diejenigen nicht in die Nähe von Tätern zu rücken, die als Opfer des Terrors heimatlos auf der Flucht sind. Auch fehlt bislang jede Beschäftigung mit der Tatsache, dass in den Benlieues von Paris, Belgien, auch in Deutschland seit Jahren Hass der Entwurzelten wabert, die immer wieder vor Türen stehen, auf denen mit großen Buchstaben die gesprayte Botschaft zu lesen ist: Ihr dürft hier nicht rein.
Der jetzt zu erwartende Bundeswehreinsatz, der vom Bundestag vermutlich mit großer Mehrheit gebilligt wird, wird schnell Kosten in Milliardenhöhe verursachen und zugleich mit enormer Schnelligkeit umgesetzt werden. Gleiche Handlungsfantasie, über Integration nicht nur zu reden, sondern schnellstens zu handeln, ist nicht zu erwarten. Es wären Investitionen in Bildung, Ausbildung, Kindergärten, Wohnungsbau für alle, die Hilfe des Staates brauchen. Jetzt rächt sich, dass es den marktradikalen Staatsverächtern erlaubt war, den Staat so abzubauen, dass er uns nun an allen Ecken und Enden fehlt. Flüchtlingen registrieren, Fehlanzeige, manchmal gehen Jahre ins Land, ehe ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Dafür leben Reiche und Superreiche im Schonraum minimaler steuerlicher Belastung.
Politik: Der Versuch, etwas zu „regeln“, was nicht geregelt werden kann, solange es sich durch das vom Kapitalismus befreite Spiel der Marktkräfte nicht selbst regelt.
Auf Wikipedia werden Sie die Antwort nicht finden, was denn nun unter „Kapitalismus“ zu verstehen ist und wie sich die freie (d. h. monopolfreie) Marktwirtschaft = echte Soziale Marktwirtschaft (die nie verwirklicht wurde) davon unterscheidet. Aber warum sind diese „banalsten Selbstverständlichkeiten“ nicht längst Allgemeinwissen? Darum:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2015/09/die-idiotie-vom-unverzichtbaren-zins.html