Beate Klarsfeld wurde mit einem Schlag berühmt, der Ohrfeige für den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger am 7.November 1968 bei einem CDU-Parteitag in der Berliner Kongresshalle. Ihre tatkräftige Aktion unterstützte sie noch mit dem Ruf: „Nazi, Nazi, Nazi“. Der Schlag gegen Kiesinger wird nicht der Grund für die Ehrung für sie und ihren Mann Serge sein, sondern der unermüdliche Kampf der Eheleute Klarsfeld gegen Nazis, die über Jahre und Jahrzehnte unbehelligt weiter leben konnten in Deutschland oder in Bolivien und anderswo, ohne dass sie zur Verantwortung gezogen wurden. So haben die Klarsfelds mit ihren Kampagnen dafür gesorgt, dass Klaus Barbie, der sich einst im besetzten Frankreich als Gestapo-Chef den wenig schmeichelhaften Beinahmen „Schlächter von Lyon“ erworben hatte, 1983 von Bolivien ausgeliefert und in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Zurück zur Ohrfeige. Beate Klarsfeld hatte sich als Journalistin für den CDU-Parteitag in Berlin akkreditieren lassen. Damals waren die Sicherheitsvorkehrungen noch nicht so scharf wie heute. Einer der Augenzeugen des Vorfalls war Dr. Rudolf Strauch, damals Bonner Korrespondent für die Zeitung „Die Welt“, später für den Berliner „Tagesspiegel“ und die ´“Hannoversche Allgemeine“ tätig, „Man konnte ziemlich locker durch die Reihen der Delegierten gehen und mit jedem reden, man konnte sogar aufs Podium gehen, ohne dass ein Ordner eingeschritten wäre,“ beschreibt der langjährige Vorsitzende der Bundespressekonferenz Strauch die Atmosphäre früherer Parteikonvents.
Und so ist es dann passiert. Strauch wörtlich: „Beate Klarsfeld ging aufs Podium und knallte dem Bundeskanzler eine ins Gesicht und traf dabei sein Auge.“ Sofort sei der CDU-Sprecher, Dr. med. Arthur Rathke auf Kiesinger zugeeilt, habe diesen in der Vorhalle untersucht, aber Kiesinger habe den Vorfall unverletzt überstanden. Für kurze Zeit habe es Tumult im Saal gegeben, Unruhe, aber dann sei man zur Tagesordnung übergegangen und habe den Parteitag fortgesetzt.
In Berlin die Backpfeife angekündigt
Heute würde Beate Klarsfeld weder eine Akkreditierung für einen CDU-Parteitag erhalten, noch würde sie es aufs Podium schaffen. Schließlich war sie eigentlich als Kiesinger-Gegnerin bekannt, hatte sie doch ihre Aktion geplant, sie hatte auf einer Veranstaltung in der Technischen Universität in Berlin im Mai desselben Jahres, an der auch Günther Grass teilgenommen hatte, angekündigt, dass sie Kurt Georg Kiesinger wegen seiner Nazi-Vergangenheit ohrfeigen würde. Die Ankündigung wurde von Studenten mit Lachen quittiert, Grass soll die Aktion sogar abgelehnt haben. Heinrich Böll hat sie später gewürdigt, indem er ihr rote Rosen nach Paris schickte.
Kiesinger war in der Tat Mitglied der NSDAP und zwar seit Februar 1933. Mitte 1940 war er zum stellvertretenden Leiter der rundfunkpolitischen Abteilung aufgestiegen, die für den ausländischen Rundfunk zuständig war. Kiesinger war hier für die Verbindung zum Reichspropagandaministerium unter Leitung von Goebbels zuständig. Klarsfeld warf ihm vor, mit SS-Leuten zusammengearbeitet zu haben, die für die Massenmorde in Osteuropa verantwortlich waren.
Klarsfeld hatte ihre Aktion nicht nur in der Uni angekündigt, sie war schon mal am 2. April 1968 aufgefallen, als sie von der Besuchertribüne des Bonner Bundestages Kiesinger zugerufen hatte: „Nazi, tritt zurück“. Sie wurde abgeführt, aber sofort wieder freigelassen. Für ihre spätere Ohrfeige erhielt sie ein Jahr Gefängnis, musste die Strafe aber wohl wegen ihrer französischen Staatsangehörigkeit nie antreten.
Sie war immer umstritten
Sie war umstritten, die Beate Klarsfeld, auch wegen ihrer wie auch immer gearteten Kontakte nach Ostberlin. Doch sind solche Gerüchte und ist solches Gerede in den Zeiten des Kalten Krieges immer wieder gestreut worden, um kritische Zeitgenossen mundtot zu machen.
In einem Interview mit dem Spiegel hat sie wenige Tage nach dem Backpfeifen-Ereignis ihre Attacke auf Kiesinger damit begründet, sie habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Teil der deutschen Jugend sich dagegen auflehnt, dass ein Nazi an der Spitze der deutschen Bundesregierung steht. Man stelle sich das vor: NSDAP-Mitglied Kiesinger Kanzler der großen Koalition, neben ihm im Kabinettssaal Willy Brandt, von den Nazis verfolgt und später von CDU-Leuten als uneheliches Kind Herbert Frahm alias Willy Brandt und als Emigrant verleumdet. Und mittendrin Herbert Wehner, der vor den Nazis nach Moskau geflohen war und im Hotel Lux ein umstrittenes Leben geführt hatte und jetzt als gewählter Demokrat mit Kiesinger zusammen Politik machte.
Klarsfeld hat ihre Aktionen gegen Kiesinger fortgesetzt, hat in Brüssel gegen ihn protestiert und ihn bei einem Auftritt in München als Schreibtischtäter attackiert. 1969 trat sie im Bundestagswahlkampf sogar im Wahlkreis Waldshut gegen Kiesinger an und verlor haushoch. Beate Klarsfeld demonstrierte jedoch nicht nur im Westen, sie protestierte auch in Prag gegen „Restalinisierung, Verfolgung und Antisemitismus“, was ihr ein vorübergehendes Einreiseverbot in die DDR eintrug. Dann wiederum wollte sie den einstigen Nazi-Polizeichef von Paris, Kurt Lischka, der in Köln unter seinem richtigen Namen wohnte, nach Frankreich entführen, damit dem einstigen Nazi- Verantwortlichen der Prozess gemacht werde. Der Plan scheiterte, Klarsfeld wurde verhaftet. Erst 1980 wurde Lischka zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Wegen Kritik am Kanzler den Job verloren
Ein paar Daten mögen den weiteren Hintergrund belegen: Beate Klarsfeld, 1939 in Berlin geboren, ihr Vater, der zwar Hitler gewählt hatte, aber kein Nazi war, hatte in Frankreich gekämpft und später an der Ostfront. Ihr Mann Serge hat seinen Vater im KZ Auschwitz verloren. Sie beide haben ein Gedenkbuch herausgebracht, in dem die Namen von über 80 000 Opfern der Judenverfolgung in Frankreich während der NS-Zeit aufgelistet sind. Ferner ist es ihrem Engagement zu verdanken, dass die Fotos von über 11 400 jüdischen Kindern, die deportiert worden waren, beschafft werden konnten. Die französische Bahn SNCF hat die daraus resultierende Wanderausstellung, die auf Bahnhöfen gezeigt wurden, sehr begrüßt, die Deutsche Bahn hat sie zunächst abgelehnt, erst Verkehrsminister Tiefensee hat daraus eine Ausstellung der DB entwickeln lassen über die Rolle der Reichsbahn im Zweiten Weltkrieg.
Beate Klarsfeld wurde in Frankreich mehrfach ausgezeichnet, Israel hat ihr Engagement mit der Tapferkeitsmedaille geehrt. In Deutschland hat sie auf entsprechende Würdigungen lange warten müssen. Man denke daran, dass sie wegen ihrer Kritik an Kiesinger, ausgesprochen in der französischen Zeitung „Combat“, einst ihren Job als Sekretärin beim deutsch-französischen Jugendwerk verlor. Klarsfeld hatte Anfang 1967 für Willy Brandt und gegen die Kanzlerschaft Kiesingers plädiert. Kurz darauf hatte sie in einem Zeitungsartikel Kiesinger vorgehalten, sich bei den Braunhemden einen „ebenso guten Ruf“ verschafft zu haben „wie in denen der CDU“.
Irgendwo hatte sie den Wunsch geäußert, auch in Deutschland geehrt zu werden. Sie hatte 2012 auf Vorschlag der Linken als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert und gegen Joachim Gauck verloren. Nunmehr wird er ihr das Bundesverdienstkreuz aushändigen.
Bildquelle: Wikipedia, http://www.klarsfeldfoundation.org/ CC BY 3.0
STELLENANGEBOT:
WIR BRAUCHEN EINEN NEUENBUNDESPRÄSIDENTEN (m/w).
Herr Gauck, treten Sie zurück!
Gestern wurde bekannt, daß Sie eine gewisse Beate Klarsfeld mit dem Verdienstorden schmücken wollen, und zwar nicht mit der untersten Stufe, sondern mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse! Meine Verachtung für diese Geschmacklosigkeit kennt keine Grenzen! Frau Klarsfeld ist unwürdig, diese Auszeichnung zu empfangen, und Sie, Herr Gauck, sind unwürdig, den deutschen Verdienstorden noch länger zu verleihen: „Herr Gauck, treten Sie sofort zurück!“
URL: http://www.schneider-institute.de/26440.pdf