Lindner und die Seinen wirken ratlos, aber keineswegs verzweifelt angesichts der desaströsen Umfragewerte. Spielt dabei das Prinzip Hoffnung die entscheidende Rolle oder ist es schon Fatalismus? Beim Untergang der Titanic sind die Schiffbrüchigen, wenn man den Bildern im Film glauben darf, geordnet in die Rettungsboote gestiegen. Daran knüpfte sich die Hoffnung auf Rettung. Ähnliches ist der FDP heute nicht vergönnt. Kein Rettungsanker ist in Sicht.
Nun steht die ganze Ampel nicht wirklich strahlend da. Ihre Mitglieder profilieren sich vor allem im internen Streit. Mit Abstand am stärksten ist jedoch die FDP in der Gunst der Wählerinnen und Wähler in Ungnade gefallen. An der Politik allein kann der Absturz nicht liegen, weil Erfolge und Fehlschläge der Regierungsarbeit sich ziemlich gleichmäßig auf die drei Parteien verteilen. In diesem Rahmen haben SPD und Grüne ihre Kernkompetenzen bewahren können, was ihnen trotz partieller Unzufriedenheit in der Stammwählerschaft angerechnet wird. Die FDP hat dagegen nur das ordoliberale Gedankengut im Werkzeugkasten. Erschwerend kommt hinzu, dass der deutsche Liberalismus sich seit seiner parteipolitischen Manifestierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konsequent in zwei Strömungen bewegt hat: Linksliberale und Nationalliberale ( Neoliberale). Beiden Gruppierungen ein gemeinsames Dach zu geben, ist nach dem zweiten Weltkrieg mit der Gründung der FDP 1948 erstmals gelungen. Dicht im Sinne eines stringenten gemeinsamen Programms war das „Dach“ aber nur ein einziges Mal mit den Freiburger Thesen von Flach und Maihofer, wenn auch nur für kurze Zeit. Genscher und Lambsdorff haben das neu gewonnene Profil nach der Vollendung der Ostpolitik ab Mitte der siebziger Jahre zielgerichtet geschliffen, Mit dem Sturz der sozialliberalen Regierung 1982 wurde der linksliberale Flügel der FDP inhaltlich wie personell bis auf Rudimente abgestoßen. Der Versuch, den politischen Freiheitsgedanken auch inhaltlich in nur einer Partei auszuformen war damit endgültig gescheitert. Linksliberale und neoliberale Ideenwelten sind ganz offenbar nicht miteinander vereinbar. Sichtbar geworden ist dies durch die permanenten Auseinandersetzungen und Animositäten zwischen FDP und Grünen, die den Linksliberalismus in ihr Programm integriert haben. Die Idee des Freiheitsgedankens, wie er beim Hambacher Fest artikuliert worden war, der Positionen für eine moderne Gesellschaft zu Wege bringen kann, hat die FDP zu den Akten gelegt. Übrig geblieben ist eine Kleinpartei mit nur einem wirklichen Thema: Leistung muss sich wieder lohnen. Daran orientieren sich permanente Forderungen nach Steuererleichterungen und Deregulierungen in der Wirtschaft zur Gewinnmaximierung. In diesem engen Rahmen kann sich ein geschlossenes gesellschaftliches Konzept nicht entwickeln. Vor allem die SPD hat dies vor der Koalitionsentscheidung nicht erkannt und sich an alten Vorstellungen aus der Frühzeit der sozialliberalen Koalition erwärmt. Die liberale FDP ist im Faltenwurf des Freiheitsgedankens verschwunden. Ob sie als reine Funktionspartei für die Union überlebt, wird sich bald zeigen.
Bildquelle: Wikipedia, Dirk Vorderstraße, CC BY 3.0
Tolle Analyse! Ich dachte immer, die FDP sei eine „Wirtschaftspartei“, doch nicht einmal das stimmt. Sie lässt für die verbohrte Einhaltung der Schuldenbremse wichtige Unternehmen am langen Arm verhungern, die mit einer Förderung ihrer Transformation gerechnet hatten. Unglaublich!