Sie leidet an chronischer Profilneurose. Damit ist sie in keiner der möglichen Koalitionen auf Bundesebene ein verlässlicher Partner. Wer immer nur glaubt, auf die eigene Wählerklientel schauen zu müssen, um sich die parlamentarische Existenz zu sichern, ist nicht frei bei nötigen Sachentscheidungen. Der Dauerstreit in der Koalition verdeckt auch die wirklich nicht kleinen Erfolge dieser Regierung bei der Bewältigung der Energiekrise und der Corona Pandemie. Statt einer Gasknappheit haben wir heute eine Überversorgung. Die Gas- und Strompreise haben das Niveau vor dem Ukraine Krieg wieder erreicht oder gar unterschritten. Die Inflation geht bedeutend zurück. Und niemand ist mehr gezwungen, mit der lästigen Gesichtsmaske herum zu laufen und jeden Händedruck zu vermeiden. Der FDP ist es aber gelungen, diese Erfolge zu vernebeln. Sie hat einen Dauerzank mit den Grünen vom Zaun gebrochen, der die Regierungsarbeit als Chaos erscheinen lässt. Partnerschaftliches Verhalten sieht sicher anders aus. Wer mag schon ein Nagelbrett als Unterlage im „Koaltionsehebett“?
Liberales Gedankengut ist kein Wert an sich und kann inhaltliche und politische Mehrheitsmeinungen nicht permanent ins Gegenteil verkehren. Einer Koalition beizutreten heißt, sich dem Mainstream eines solchen Bündnisses auf Zeit anzuschließen. Dem Versuch, den Hund mit dem Schwanz wackeln zu lassen, sind nach den Gesetzen der Physik Grenzen gesetzt.
Streit als oberstes Regierungsprinzip verstehen und akzeptieren die Menschen nicht. Die von der FDP so vehement geforderte diffuse Technologieoffenheit bei der Novelle zum GEG, das gegenwärtig die Schlagzeilen und Aufmacher in den Medien bestimmt, macht das Gesetz nicht besser. Sie ist ohnehin nach dem Entwurf gegeben. Wer eine Gasheizung besitzt oder gar jetzt in Torschlusspanik noch eine solche kauft, wird in wenigen Jahren eine böse Überraschung in Form von drastischen Kostenerhöhungen beim Heizungsbetrieb erleben. Die Preissteigerungen für den CO2 Ausstoß sind bindend geregelt. Die massiv geschürte Aufregung um tatsächliche oder vermeintliche Macken bei der Heizungsart Wärmepumpe verstellt den Blick auf die künftige Realität. Zu dieser Realität gehört eben auch, dass Strom dank des Ausbaues der erneuerbaren Energien immer billiger wird, was den Betrieb von Wärmepumpen konkurrenzlos günstig machen wird. Kein Mensch wird dann im Rückblick noch die jetzige ausufernde Diskussion nachvollziehen können, die ohnehin nur wenige wirklich Informierte verstehen.
Jüngste Umfragen zeigen aber nicht nur den Unwillen der Wählerinnen und Wähler über den Dauerstreit in der Regierung, sie offenbaren ebenfalls, wohin die Reise geht: zur AFD. Es sieht im Moment danach aus, dass Mehrheiten für Koalitionen dann nur noch mit Union und SPD zu bilden sind. Kann die FDP das wollen?
Die FDP hatte oft relativ wenige Wähler. Dadurch, dass im bürgerlichen Lager (CDU/CSU, AFD, FDP) eine dritte Partei zur Verfügung steht, wird es für die FDP noch enger.
Die AFD hat sich trotz der massiven Diffamierung in den ersten Jahren gut gehalten. Der FDP hingegen droht der Absturz. Mit ihrer politischen Arbeit hat das wahrscheinlicher weniger zu tun als mit der Existenz der AFD als weiterer Alternative im bürgerlichen Lager.
Joachim Datko