Es schmerzt die richtigen CSUler, wenn sie sich in diesem Jahr nicht in Kreuth treffen, sondern umziehen mussten ins Kloster Seeon am Chiemgau. Das wird aller Voraussicht nach aber nicht dazu führen, dass sie den Kreuther Geist endgültig in einer Flasche verschließen, um ihn nie mehr herauszulassen. Nein, sie werden ihre Muskeln spielen lassen, wie das Bayern Art ist, wie es die Mitglieder der CSU gern tun, um ihre Eigenständigkeit (oder Widerborstigkeit?) zu unterstreichen. Vor allem ihr Parteichef Horst Seehofer, der Ministerpräsident des Freistaats, wird schon dafür sorgen, dass die CSU in Seeon nicht die weiße Fahne hisst, nicht auf einen Konsenskurs mit der Parteischwester CDU einschwenkt, sondern die von ihm seit langem vertretene harte Linie in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik weiter vertritt, darunter die Obergrenze für Flüchtlinge von 200000. Was aber die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel ebenso sicher ablehnen oder einfach ignorieren wird.
Das schöne Bayern-Land
Eine der wirklichen Edelfedern der „Süddeutschen Zeitung“, der viel zu früh gestorbene Herbert Riehl-Heyse, hat vor Jahrzehnten einen wahren Satz gesprochen: die CSU sei die Partei, so hieß ein von ihm verfasstes Büchlein, „die das schöne Bayern erfunden hat.“ In den Farben weiß und blau, wie „das schöne Bayern-Land“ auch in der Bayern-Hymne besungen wird. Der Spruch, den der FC Bayern immer wieder für sich reklamiert- Mir san mir- wird auch gern der CSU zugeschrieben. Hierher gehört auch jenes Bild, das der frühere Bundespräsident Roman Herzog, der aus Landshut stammte, aber Mitglied der CDU war, von Bayern zeichnete: Laptop und Lederhose, gemeint die Mischung aus Moderne und Tradition. Keine andere Partei in Bayern würde man mit diesen Vergleichen und Bildern nennen als die CSU. Aber, jetzt kommt das große Aber aus der CSU: Man sei keine Regionalpartei, weshalb man ja auch vor vielen Jahren das Recht erstritt, nach jeder Landtagswahl in welchem Bundesland auch immer mit am Tisch der sogenannten Elefanten-Runde der öffentlich-rechtlichen Sender zu sitzen, um dort den Ausgang der Wahl zu kommentieren. Dabei tritt die CSU lediglich in Bayern an, nicht in Bremen, nicht in NRW und nicht in Sachsen, nirgendwo außerhalb des Freistaates Bayern.
Grundgesetz abgelehnt, aber es gilt
Man muss vielleicht in die Anfänge der Republik und auch der CSU zurückgehen, um ein wenig diesen Hang der Eigenständigkeit zu verstehen, der immer wieder kehrende Versuch, sich gegenüber dem Bund zu behaupten. So beschloss der bayerische Landtag am 20. Mai 1949 mit den Stimmen der CSU, den vorliegenden Entwurf des Grundgesetzes abzulehnen. Es gab 101 Neinstimmen, 64 Abgeordnete votierten mit Ja, ein Politiker enthielt sich. Begründung: Die Verfassung war der CSU zu wenig föderalistisch. Der Landtag beschloss in dieser leidenschaftlich geführten Debatte aber zugleich, die Ablehnung des Grundgesetzes mit dem feierlichen Bekenntnis zur Bundesrepublik und zur Verfassungstreue zu ergänzen. (Deutschlandfunk, 1999) Der Freistaat akzeptierte, auch die CSU, die Verfassung, wenn sie von zwei Dritteln der übrigen Bundesländer angenommen werden würde, was geschah. In der Realität bedeutet das, dass das Grundgesetz auch in Bayern gilt und im Zweifel über der bayerischen Verfassung steht.
Als Strauß die Fraktion aufkündigte
Am 19. November 1976 in Kreuth gab es jenen sensationellen Beschluss der CSU unter Führung ihres Übervaters Franz Josef Strauß, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen. Ein Votum, das nicht zum Tragen kam und dann am 12. Dezember des Jahres fast stillschweigend wieder eingezogen wurde. So war halt Strauß, von sich überzeugt, davon, dass er im Recht war, und zwar er allein. Und auch deshalb gab es den Streit mit Helmut Kohl, dem er die Fähigkeit fürs Kanzleramt absprach. Dabei hatte der Oppositionschef Kohl bei der Wahl 1976 gegen Helmut Schmidt mit 48,6 Prozent der Stimmen ein überragendes Wahlergebnis erzielt, aber weil die FDP unter Hans-Dietrich Genscher damals noch nicht zum Wechsel bereit war, scheiterte der CDU-Chef. Übrigens stimmte der junge Theo Waigel gegen diese Trennung, die ja die CSU geschwächt hätte. Denn in diesem Fall wäre die CDU in Bayern einmarschiert, wie es damals hieß, sie hätte sich auf das Gebiet des Freistaats ausgedehnt und es hätte mit Sicherheit das Ende der absoluten Regierungszeit für die CSU in Bayern bedeutet.
Hasselfeldt als Friedensstifterin
Dass es so weit kommen wird, damit rechnet eigentlich niemand, auch wenn Horst Seehofer Drohungen geäußert hat, die Präsidiumsklausur von CDU und CSU Anfang Februar in München platzen zu lassen, wenn beide Parteien sich nicht vorher auf gemeinsame Grundzüge in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik einigen sollten. In dieser Frage könnte die amtierende Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, eine wichtige Rolle spielen als eine Art Friedensstifterin. Hasselfeld, die angekündigt hat, nicht mehr für den nächsten Bundestag zu kandidieren und damit auch das Amt der CSU-Chefin in Berlin aufzugeben, wird ein ruhiges Verhältnis zur Kanzlerin nachgesagt. Sie dürfte zumal am Ende ihrer politischen Dienstzeit kein Interesse daran haben, dass die gemeinsame Fraktion im Bundestag in Frage gestellt wird. Deutschland stehe 2017 „eines der schwierigsten Wahlkampfjahre in einer aufgewühlten Welt“ bevor.
Hermann oder doch Söder
Dennoch: Erst kommt Bayern und dann lange nichts, könnte man das Motto Seehofers beschreiben, dessen eigene Amtszeit sich einem Ende nähert, wann immer das ist. Der Nachfolger steht noch nicht fest. Er selber will den drängenden Finanzminister Söder verhindern. Manches spricht dafür, dass der ruhige, mag sein etwas langweilige, aber seriöse und solide Innenminister Hermann den Vorzug Seehofers vor dem Franken genießt. Seehofer will mit aller Macht verhindern, dass die CSU unter seiner Leitung bei der Landtagswahl 2018- also ein Jahr nach dem Votum im Bund- die absolute Mehrheit verliert. Was vor ein paar Jahren schon mal passiert war und was in den Augen dieser erfolgsverwöhnten Truppe einer Katastrophe nahe kam.
Nur ein SPD-Ministerpräsident im Freistaat
Schließlich hatte man über Jahrzehnte ohne ernsthafte Konkurrenz Wahlen bestritten und wie selbstverständlich mit absoluter Mehrheit gewonnen. Man denke an die 62 Prozent, die Ministerpräsident Edmund Stoiber bei der Landtagwahl -nach der Niederlage bei der Bundestagswahl gegen Gerhard Schröder(SPD)-erzielte. Nur einmal überhaupt stellte die SPD mit Wilhelm Högner den Regierungschef, das war direkt nach dem Krieg und wiederholte sich nie. Heute ist die bayerische SPD im Freistaat, wenn man von den vielen SPD-Oberbürgermeistern in den Städten absieht, auf die Größe einer Sekte geschrumpft, für die die Staatskanzlei in unerreichte Ferne gerückt ist.
Und weil Seehofer um diese Vormacht fürchtet, zeigt er Härte in der Flüchtlingspolitik. Er glaubt, mit dieser scharfen Linie die AfD bekämpfen zu können, die ja inzwischen in zehn Landtagen der Republik sitzt und der durchaus Chancen für den Einzug in das bayerische Parlament eingeräumt werden. Wenn das passierte, würde das auch die CSU schwächen. Er wird dabei an das mahnende Wort von Strauß denken, dass es rechts neben der CSU keine Partei geben dürfe. Aber ob er mit dieser Politik, die von beiden Kirchen, der katholischen wie der evangelischen, kritisiert wird, Erfolg haben wird?
Erst kommt die Bundestagswahl
Erst kommt Bayern? In diesem Fall kommt erst der Bund. Denn die Bundestagswahl findet im September 2017 Jahres statt. Dass die Union dabei erfolgreich abschneidet, hängt wesentlich von der Eintracht zwischen CDU und CSU statt. Die fortdauernde Zwietracht, die in erster Linie der Bayer aus Ingolstadt zu verantworten hat, könnte die Gemeinsamkeit des Unions-Lagers auseinanderbrechen lassen. Mit der Folge, dass dies auch die CSU schwächen würde. Notfalls in die Opposition? Man stelle sich vor, die CSU ginge ihren eigenen Weg und landete nach der Bundestagswahl auf der Oppositionsbank, während die CDU zusammen mit der SPD oder/und den Grünen/oder/ und der FDP die Regierung stellte. Eine CSU neben der AfD und den Linken in der Opposition? Dann wäre sie eine Bayern-Partei und aus wäre es mit ihrer bundespolitischen Bedeutung. Die Folgen für die Landtagswahl in 2018 wären nicht abzusehen.
Bildquelle: Wikipedia, Gliwi, CC BY-SA 3.0
Wieder ein Gewissheit weniger. Die CSU und Wildbad Kreuth – das gehörte jahrzehntelang zusammen.