Das lässt sich nicht jeden Tag beobachten, dass die CDU in die Backen bläst und kräftig pustet, damit die AfD ordentlich Wind unter die Flügel bekommt. Das aber wird ohnedies nur den Zeitgenossen irritieren, der bis zum Parteitag in Essen an eine Kanzlerin des „wir-schaffen-das“ glaubte. Zwar konnte man bei ihren Bemühungen, dem Parteivolk nach rechts nachzulaufen, sicher sein, dass sie sich dabei verbal nicht ertappen ließ. Keine Äußerung in den letzten Wochen, die eine Kehrtwendung verhieß, aber eben auch keine Äußerung, die der CSU weiter auf die Nerven gegangen wäre.
Nun hat sie sich in Essen ehrlich gemacht. Ihr Stichwortgeber war der baden-württembergische Innenminister und Parteifreund Thomas Strobl, der auf angeblich 500 000 Ausländer verwies, die sich angeblich ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten würden. „Das können wir nicht dulden“ sprach er und forderte, die Abschiebepraxis zu verschärfen und Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu kürzen. Das alles ist im Leitantrag des CDU-Vorstands und also mit der Billigung von Angela Merkel zu finden.
Der härteste Wahlkampf
Das wird der Kurs, mit dem die Union den von ihr erwarteten härtesten Wahlkampf im nächsten Jahr zu führen gedenkt. Das Arsenal der christlichen Konservativen, die eigenen Werte zu ignorieren, ist damit wahrlich angemessen gefüllt. Dabei ist es offenbar völlig unerheblich, dass die von Strobl in die Welt gesetzte Zahl von 500 000 hier lebenden illegalen Flüchtlingen ohne Substanz ist.
Ende Juni gab es 549 209 Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Das Problem ist nur, dass die Kategorie „ausreisepflichtig“ seit mehr als vierzig Jahren im Ausländerregister gespeichert wird. Wer da einmal drin ist, bleibt auf unabsehbare Zeit in der Statistik. Fast die Hälfte der abgelehnten Asylbewerber hat zwischenzeitlich ein befristetes Aufenthaltsrecht, weiter fallen darunter 127270 Polen, die ihren Antrag gestellt hatten, bevor ihr Land EU-Mitglied wurde. Als EU-Bürger leben sie längst legal in Deutschland. Mehr als 100 000 der Anträge stammen aus dem Jahr 1996 und davor. Laut Statistik liegt die Zahl der „ausreisepflichtigen Menschen ohne Duldung“ tatsächlich also nur bei 52 870 Personen.
Sinnlose populistische Forderung
Wenn selbst ein Innenminister wie Strobl sich nicht scheut, seine Annäherung an die rechtspopulistische AfD mit Lügen oder Halbwahrheiten zu untermauern, dann ist wahrhaftig der wohl härteste Wahlkampf zu erwarten und ebenso der glanzvolle Einzug der AfD in den Bundestag. Die Kanzlerin hat zwar versichert, dass weder die Linke, noch die AfD als Koalitionspartner in Frage kämen. Dennoch lässt sich ablesen, dass die sinnlose, aber populistische Forderung nach einem Burkaverbot nicht nur der CSU, sondern auch der AfD gefallen wird. Auch das Verlangen, die doppelte Staatsbürgerschaft wieder in weiten Teilen abzuschaffen, fällt in diese Denkkategorie. Ebenso die Entscheidung, Steuererhöhungen grundsätzlich auszuschließen. Das ist ebenfalls Mantra zweier rechter Parteien: der CSU und der AfD. Ebenso sicher ist, dass all diese Forderungen weder von der der SPD, noch von der Linken und mutmaßlich auch nicht bei den Grünen Unterstützung finden.
Wie aber will die Union der tiefen Spaltung der Gesellschaft beikommen, wenn sie mitteilt, dass sie weder eine Erbschaftssteuer noch eine Vermögenssteuer für notwendig hält? Die Ungleichheit in der Gesellschaft würde weiter wachsen. SPD, Linke und Grüne sollten daraus Funken für ihren Wahlkampf schlagen können. Die Gesellschaft jedenfalls besteht nicht nur aus dem Drittel, dem es blendend geht und für den sich die Union allein verantwortlich zu fühlen scheint. Zwei Drittel warten darauf, dass auch ihre Interessen wahrgenommen werden. Das kann ein spannender Wahlkampf werden. Mit dem Parteitag in Essen jedenfalls ist er eröffnet.
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