„Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber“ – der Spruch, Bertolt Brecht zugeschrieben, ist eigentlich eine Volksweisheit – die öffentlich-rechtliche ARD aber scheint sie nicht zu kennen, hat sie nicht kapiert oder zumindest für eine Weile vergessen.
Man traute seinen Augen und Ohren nicht: Die ARD-live-Übertragung von Regierungserklärung und Bundestags-Debatte zu den neusten Corona-Beschränkungen war gerade zuende, da wurde ins Foyer des Parlaments zu Einzelinterviews geschaltet. Und die erste, die ans ARD-Mikro durfte, war AfD-Scharfmacherin Alice Weidel. Ausgerechnet die Spitzenrepräsentantin der Fraktion, die während der Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel dermaßen rumgepöbelt hatte, dass Bundestagspräsident Schäuble eingreifen musste. (Dazu vom braven Interviewer keine kritische Frage.) Ausgerechnet Frau Weidel, deren AfD – und sie ganz vorneweg – das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen am liebsten zerschießen würden; ausgerechnet die wird mit einem Sonder-Interview hofiert, einem Interview, das keinesfalls zwangsläufig war, das man auch überflüssig nennen konnte. Da fällt einem eben ganz schnell der Spruch von den „dümmsten Kälbern“ ein. Und dann durfte die rechtsextreme Frau Weidel die von der ARD gezimmerte Bühne für eine Rolle der besonderen Art nutzen: Sie gab im Ersten Deutschen Fernsehen die Hüterin der parlamentarischen Demokratie. Sie echote das verlogene Narrativ, das Alexander Gauland während der Bundestagsdebatte intoniert hatte: „Eine Corona-Diktatur auf Widerruf verträgt sich nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Und weiter mit Pathos: Deutschland habe seine Freiheit zu mühselig errungen, „als dass wir sie an der Garderobe eines Notstandskabinetts abgeben“. Man merke auf: Solche Töne von der AfD, die bei jeder Gelegenheit antidemokratische und antiparlamentarische Reflexe befördert…. Wenn also schon ein Sonder-Interview mit der AfD-Frau Weidel, hätte man sie doch auch mal zu dieser argumentativen Maskerade der AfD-Granden fragen können. Aber da war nichts …
Immer peinlicher auch die FDP. In der Corona-Diskussion entpuppt sie sich ungeniert als AfD-light, lehnt wie die Rechtsextremen die Anti-Corona-Maßnahmen in Bausch und Bogen ab. Parteichef Christian Lindner in der Bundestagsdebatte fast mit AfD-Diktion: Das Vorgehen von Bundes- und Landesregierungen drohe „unsere parlamentarische Demokratie zu deformieren“.
Als einzige Wahrerin der bürgerlichen Freiheitsrechte hatte sich die FDP schon während der ersten Infektions-Welle aufgespielt. Sie hatte, wo sie konnte, Maßnahmen und Einschränkungen infrage gestellt, die sich sehr schnell als notwendig und erfolgreich herausstellten. Dass Deutschland für viele Monate weit besser dastand als fast alle anderen Länder in Europa – die FDP und Herr Lindner scheinen daraus nichts gelernt zu haben. Aufs neue versuchen sie, staatliche Autoriät zu untergraben, wo es auf ein Höchstmaß an Disziplin aller Bürger ankommt, wenn die zweite Corona-Welle gebrochen werden soll.
Zumindest einer in Lindners Partei scheint das gemerkt zu haben: Der Oberbürgermeister von Landshut, Alexander Putz ist Knall auf Fall aus seiner Partei ausgetreten. Als Grund nannte er ausdrücklich die Corona-Politik der FDP. Die wiederholte Kritik von FDP-Spitzenpolitikern am Corona-Krisenmanagement in Deutschland sei „verantwortungslos“. Damit werde die Spaltung der Bevölkerung weiter vertieft. Es entstehe der Eindruck, als wollten die Liberalen aktuell politisch Kapital daraus schlagen, dass es in Teilen der Bevölkerung eine „Anti-Corona-Maßnahmen-Stimmung“ gebe.
Schlussbemerkung: Unbestreitbar können nicht auf Dauer einschneidende Maßnahmen und Beschränkungen von der Exekutive verfügt werden, ohne dass das Parlament vorab eingebunden wurde. Das ist für die Zukunft zu beherzigen. Da gibt es im Bundestag einen breiten Konsens. Jetzt aber ist höchste Gefahr im Verzug, und jetzt darf man nicht die getroffenen Entscheidungen dermaßen diskreditieren, wie es AfD und FDP tun. Wenn aber schon der dringende Wunsch nach parlamentarischer Teilhabe besteht, dann bitte auch ernst machen. Es war schon penetrant, wie ungezählte Parlamentarier*innen während Regierungserklärung und Debatte nicht den Redner*innen zuhörten, sondern auf ihre Handys und Tabletts starrten und lange Texte eintippten.
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Sie haben vollkommen recht, immer wieder, ohne Not, gibt der ö/r Rundfunk der AfD eine Bühne. Und wenn dies noch nicht einmal kommentiert wird, was wollen die Verantwortlichen dem Wahlvolk damit beweisen? Dass der Spruch nicht stimmt: Werde Dir bewusst, wer AfD wählt, unterstützt die Rechtsradikalen und die Faschisten?
Und noch etwas was mir auffiel: Phoenix, WDR 5, Das Erste und ZDF unterstützen m.E. bewusst die aktuelle Medienoffensiver der FDP. Jeden Tag mindestens ein FDP Politiker auf dem Schirm zu präsentieren, egal was und wem er widerspricht. Was tut man nicht alles, um sich von der 5 Prozent-Hürde abzusetzen! Aber müssen die Beschäftigen des ö/r Rundfunks dies derart verdrängen, dass man meinen möchte, sehr stark durchsetzt, unsere Redaktionen und CvD`s.