Wer sich die Auftritte der Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz anschaut, dem fällt immer wieder auf, dass die handelnden Personen nicht geschlossen als Mannschaft auftreten. Jeder will ein Star sein, seine Bühne haben, auf der er sein Projekt in den Vordergrund stellt, ohne zu überlegen, ob das dem anderen gefällt. Ich bin wichtig, heißt das, Ich zuerst. Dabei gewinnt eine Ampel-Regierung nur, wenn alle Parteien mitspielen und darauf achten, dass Jeder dabei gut wegkommt. Keiner darf punkten zu Lasten des anderen. Harmonie ist gefragt, das Zusammenspiel aller Kräfte.
Ich weiß nicht, ob Olaf Scholz Ahnung vom Fußball hat oder Christian Lindner oder Robert Habeck, um nur die Spitzen der Ampel-Koalition zu nennen. Ich erwähne das mit dem Fußball, weil es in der Politik oft wie im Fußball geht: Zusammen sind wir stark. Wenn aber ein Jeder macht, was er will, auch wenn er damit dem anderen Mitspieler schadet, schadet er sich selbst. Dann schießt er ein Eigentor. Wie jetzt die Familienministerin Lisa Paus, die mit ihrem Verhalten in Kauf nimmt, dass Entlastungen für Unternehmer widersinnig vermengt werden mit Mehrausgaben für Kinder. Als wäre man auf einem Basar. Lächerlich macht sie sich damit und die Politik. Es ist wie Kinderkram.
Im Fußball können die besten Einzelspieler der Welt in einer Mannschaft spielen. Wenn diese Edel-Kicker aber nicht zusammen harmonieren, sondern jeder für sich spielt und nur daran denkt, dass er allein glänzt, wird die Mannschaft verlieren. Jeder muss dem anderen helfen, hinten verteidigen, im Mittelfeld den Angriff gemeinsam vorbereiten und dann den am besten postierten Mitspieler so anspielen, dass er den Ball ins Tor schießt. Wenn aber der Mittelfeldspieler den Ball eigensinnig zu lange behält, um den Zuschauern zu zeigen, wie gut er mit dem Ball umgehen kann, ist das ein Kicken für die Galerie. Zum Sieg führt das nicht.
Nur gemeinsam geht es
In der Ampel-Koalition handeln drei Parteien: die SPD, die Grünen und die FDP. Wer hier schon anfängt über die Differenzen zu klagen, hat fast schon verloren. Es ist ein Fehler, wenn man sagt, in der Ampel regieren zwei eher linke gegen eine eher rechte Partei, also SPD und Grüne gegen die FDP. Andersherum wird ein Schuh daraus: SPD, Grüne und FDP regieren zusammen, weil sie eine Mehrheit im Parlament haben. Und das verpflichtet sie, eine gemeinsame Arbeitsgrundlage zu erarbeiten. Hier die einstige Arbeiter-Partei SPD mit ihrer sozialen Stärke, ihrer Nähe zu Gewerkschaften und Arbeitnehmern, ihrer historischen Friedens-Politik, dann die Grünen mit ihrer Klimapolitik, ihrer Nähe zu Nachhaltigkeit, zu Umweltfragen, sauberer Energie, dann die FDP mit ihrer Arbeitgeber-Klientel und ihrem Klassiker Recht und Gesetz.
Das alles muss zusammenpassen. Jeder muss was davon haben, niemand darf ein Gesetz, das der andere einbringt, als Zumutung empfinden. Jeder trägt das Gesetzesvorhaben des anderen mit. Weil jedes Vorhaben ein Vorhaben der Ampel ist. Ein Erfolg ist kein Erfolg nur der SPD, nur der Grünen und allein der FDP, sondern ein Erfolg ist ein Erfolg der Ampel.
Dass die Grünen-Bildungsministerin Paus mit einem Veto im Kabinett ein Vorhaben des FDP-Finanzministers Lindner gestoppt hat, war ein schwerer Fehler. Damit setzt die Ampel das Gehampel der Monate fort, den immerwährenden Streit vor allem zwischen den Grünen und den Freidemokraten. Die Opposition lacht sich ins Fäustchen. Sie musss gar nichts machen, sie kann den Zank der Regierenden genüsslich beobachten und dann dazwischenrufen: Regierungsuntauglich.
Warum, so frage ich mich, regiert man zusammen, wenn man nicht bereit ist, gemeinsam zu handeln? Ja, da muss man auch mal schlucken und zwar ein Jeder. Nur so entstehen die nötigen Kompromisse, die man ja schließt, um Politik zum Wohle des Volkes zu machen und nicht für Lindner, Paus, Scholz, Habeck oder wen auch immer.
Sonst werden sie abgewählt
Wann endlich werden die Streithähne in der Ampel-Koalition begreifen, dass sie nur gewinnen können, wenn sie gemeinsam handeln, geschlossen. Wenn sie das nicht endlich lernen, werden sie am Ende verlieren. Abgewählt 2025. Dann findet die nächste Bundestagswahl statt. Übrigens müssen, den Umfragen zufolge, die erwähnten Parteien bei der hessischen Landtagswahl im Oktober mit Verlusten rechnen. Dafür dürfen sie sich bei ihren Vorturnern in Berlin bedanken, die durch ihre „Streit-Kultur“ ihren Parteifreundinnen und -freunden den nötigen Gegenwind in Wiesbaden bescheren, der dem politischen Gegner den Sieg bringen kann. Und der AfD Stimmen.
Was nicht bedeutet, Herr Bundeskanzler, dass Sie mal auf den Tisch hauen sollten. Der Leser weiß, dass ich davon nichts halte und gern Willy Brandt zitiere, der auf solche Forderungen antwortete: Das imponiert nicht mal dem Tisch. Aber vielleicht könnte der Kanzler ja mal die Lindners, Habecks und die anderen zu einem Gespräch mit einem Fußballtrainer einladen, der ihnen erläutert, wie man Spiele gewinnt und wie man sie verliert. Wie eine Mannschaft funktioniert, geschlossen, gemeinsam. Der Gegner steht auf der anderen Seite, nur so als Hinweis für den, der vom Fußball nichts versteht. Und dieser Gegner wartet nur auf Fehlpässe und Eigentore. Er muss im Grund nur warten.
Wem das mit dem Fußball nicht gefällt als Vergleich, dem kann ich vielleicht mit dem Urteil dienen: Selbstzerfleischung einer Koalition, die sich am Anfang mit dem Namen Fortschrittskoalition geschmückt hatte. Und nun, fast zur Halbzeit der Legislaturperiode, mehr auf der Bühne taumelt als mit erhobenem Haupt regiert. Darüber wird das zu erwartende harmonische Lächeln, wenn sie in wenigen Wochen in Meseberg beisammen sitzen, nicht hinwegtäuschen, auch wenn sie dann die angeblich so gute Stimmung in der Ampel preisen werden.