In Deutschland gebe es einige Millionen Fußball-Nationaltrainer, befand der legendäre Coach Sepp Herberger immer wieder ironisch. Der Mann von der Bergstraße, der seine Mannschaft im Jahre 1954 mit einem Sieg über das Superteam Ungarns zur Weltmeisterschaft führte und dadurch vielen Millionen Bundesrepublikanern ein großes patriotisches Erlebnis bescherte, war eine Autorität, ohne dabei autoritär zu agieren. Er fand bei allen Spielern großen Respekt und hohe Anerkennung. Spieler, die es in das Notizbuch des Cheftrainers schafften und vor allem jene, die er dann in das Nationalteam berief, fühlten sich in ganz besonderer Weise geehrt. Für nicht wenige Kicker war er ein echter väterlicher Freund.
National-Elf im Tief
Seit Herberger gab es eine lange Liste mit DFB-Cheftrainern. Sie reicht von Helmut Schön über Berti Vogts bis hin zu Joachim Löw. Ein jeder von ihnen stand immer wieder im Feuer, wenn die National-Elf auf dem grünen Rasen nicht das bot, was die vielen Millionen Fans von ihr erwarteten. Einige mussten nach bitteren Niederlagen ihren Trainerstuhl räumen – der eine früher, der andere später. Über die Zukunft von Löw soll am 4. Dezember entschieden werden. Sein Vertrag mit dem DFB war noch kurz vor der Weltmeisterschaft 2018 bis 2022 verlängert worden. Ob darüber das gesamte Präsidium, in dem 18 Funktionäre sitzen, oder lediglich der DFB-Präsidialausschuss mit 5 Leuten befinden wird, ist offenbar noch nicht geklärt. Gewiss wird der DFB-Präsident Fritz Keller aus Ihringen im Kaiserstuhl, der quasi Nachbar des Schwarzwälder Löw ist, eine dominierende Rolle spielen. Bei der 0:6-Niederlage der Nationalmannschaft gegen Spanien saß er auf der Tribüne in Sevilla. Soweit es seine Atemmaske zuließ, konnte man schon seine böse Miene zum schlechten Spiel erkennen.
Schönredner Bierhoff und Löw
Diese Blamage gegen die spanische Elf, die auch fast vollständig neu geformt werden musste, kann niemand schön reden. Für alle Kenner des Ballspiels geriet das Match zu einer Katastrophe. Breits in den Spielen, die das Nationalteam in den letzten Jahren absolvierte, war es mehr schlecht als recht, wurden Remis-Ergebnisse von Löw & Co. gar mit Lob bedacht oder der mühsame Sieg gegen die Ukraine als Glanzleistung überhöht. Zwar erwartet kaum jemand, dass Löw mit bissiger Kritik an den überwiegend unterirdischen Leistungen seiner Kicker aufwartet, doch die klare kritische Analyse und Expertise waren von ihm auch nicht zu vernehmen.
Löw vermittelte stets den Eindruck, dass man das „business as usual“ auf dem Feld gemacht hat, Geduld gefordert ist und der Aufbau einer neuen Formation noch nicht geschafft wurde. Dabei wurde der Cheftrainer noch von Oliver Bierhoff als DFB-Direktor für die Nationalmannschaften übertroffen. Als Mann mit Silberzunge ermahnte er sogar Sportjournalisten, sich in den fachlichen Spielanalysen zurückzuhalten und dabei Löw ebenso wie seine Millionäre auf dem Rasen zu schonen. Wer die Lustlosigkeit der meisten Kicker beim Singen der Nationalhymne vor dem Anpfiff des Spiels aufmerksam registrierte, konnte sich anschließend kaum noch über das Phlegma beim Match wundern, sondern nur noch ärgern. Von der Ehre für Deutschland spielen zu dürfen, ließ auch niemand – bis auf den Mannschaftskapitän Neuer – etwas spüren.
Klartext von Lahm
Vollgasfußball à la Klopp, wie ihn gerade der einstige Nationalspieler Philipp Lahm anmahnte, fand schon seit langem von Löws Team nicht mehr statt. In ihren Vereinsmannschaften in der Bundesliga, in England oder Frankreich bringen die Spieler fast regelmäßig viel bessere Leistungen. Ein jeder von ihnen ist mehr oder weniger ein Superkicker, der läuft und kämpft, der das Dribbling beherrscht, der Pässe mit großer Präzision schlägt und engagiert sich wie seine Mitspieler begeistert. Die Trauerspiele unter dem Intendanten Löw gerieten zu Tragödien für die deutsche Fußballnation. Nahezu alle bekamen den Eindruck, dass die Nationalkicker alle ihre Tugenden, ihr Können und ihre Begeisterung in der Kabine abgelegt hätten. Die Faszination des Fußballs wurde dem Team von Löw und Bierhoff offenbar abgewöhnt. Philipp Lahm ist durchaus voll und ganz zuzustimmen, wenn er bemerkt: „Der Bundestrainer hat die Chance, einen Stil zu entwickeln, in dem die Vorzüge der Spieler zur Geltung kommen. Er muss ihnen klarmachen, welche Verantwortung sie tragen, wenn sie für Deutschland spielen. Und er muss sich vor Augen halten, welche Verantwortung er selbst trägt.“ Seit dem September 2019 ist Lahm Mitglied des DFB-Präsidiums. Dort sollte am 4.12. seine eindeutige Analyse offen aufgenommen werden. Die wolkenreiche Schönrederei von Bierhoff und Löw darf einfach nicht zur Sicherung ihrer gut dotierten Positionen beim DFB reichen. Es ist höchste „Change-Zeit“, zur neuen Weichenstellung in Richtung Erfolg und Begeisterung für den Fußballsport.
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