Jeder Junge, der schon einmal alte Münzen und Geldscheine gesammelt hat, stolperte in seinem Sammlerleben zwangsläufig einmal über Banknoten der deutschen Reichsbank mit aufgedruckten Millionen- und Milliarden-Werten. Die Geldscheine sind die letzten -wenn auch stummen – Zeitzeugen einer Hyperinflation, die sich vor einhundert Jahren – in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts -besonders krass in Deutschland breitmachte.
Schon Ende 1921 wurden allerorten in Deutschland enorme Preissteigerungen beklagt, die die Deutschen beim Einkauf verkraften mussten. So kostete die Weihnachtsgans damals 25 Mark pro Pfund. Vor dem Ersten Weltkrieg mussten die Kunden dafür nur 1,50 Mark zahlen. Doch das war nur der Anfang einer Inflation, die viele Deutsche in Armut und sozialen Abstieg stürzte. Am Ende waren Milliarden und Billionen gängige Summen beim täglichen Einkauf. So kostete die Weihnachtsgans zwölf Monate später- im Dezember 1922 – pro Pfund eine Billion Mark! Im Jahr darauf – Dezember 1923 – erreichte die Hyperinflation eine Teuerung von unglaublichen 182 Milliarden Prozent.
Diese Zeit hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt, nicht zuletzt, weil sie eine große Stufe auf dem Weg der Nazis zur Macht und in die von ihnen ausgelöste Menschheitskatastrophe des Holocausts und des Zweiten Weltkrieges bildete. Noch heute wirkt sie nach. Es wundert deshalb nicht, dass in die Inflation in aktuellen Umfragen als Sorgenthema Nummer Eins genannt wird.
Jetzt 100 Jahre später leben wir wieder in einer Zeit, in der die Preise Laufen lernen. Seit gut einem Jahr leben wir Deutschen mit einer Inflation, die viele Menschen an den Rand des sozialen Abstiegs bringt. Wer es nicht glaubt, sollte ab und zu einmal bei den großen Lebensmitteldiscountern einkaufen und dabei in die Einkaufswagen schauen. Sie zeigen ein realistisches Bild der Situation. Die Teuerung zwischen 8 und 10 Prozent zerrt nicht nur beim täglichen Einkauf, sondern auch beim Tanken und Heizen gewaltig am Geldbeutel der Verbraucher. Nur der Staat ist derzeit auf der Gewinnerseite, weil er durch die Mehrwertsteuer von steigenden Preisen profitiert.
Unsere aktuelle Situation lässt sich zwar nicht mit der damaligen monströsen Hyperinflation vergleichen. Der Versailler Vertrag, der Deutschland unendlich hohe finanzielle Lasten aufbürdete ist längst Geschichte. (- auch wenn die letzte Rate der Reparationszahlungen erst in den 80er-Jahren dieses Jahrhunderts von der Bundesrepublik bezahlt wurde.) Keine fremde Militärmacht hat unser Industriezentrum besetzt. So wie es Frankreich tat, als seine Truppen das Rheinland und das Ruhrgebiet im Januar 1923 besetzten. Damals konnte Deutschland die hohen Reparationszahlungen nicht mehr stemmen. Die Kassenlage war durch die Zahlungen an Kriegsversehrte, Kriegswaisen und Witwen ohnehin bereits angespannt. Berlin rief zum Generalstreik an Rhein und Ruhr auf und die Staatskasse sollte zusätzlich die Finanzhilfen für die die Streikenden leisten. Das war der Turbo für die damalige Geldentwertung. Die Staatskasse war leer. In dieser Notlage wurden Gelddruckmaschinen angeworfen. Die Geldmenge wuchs ins Unermessliche und die Mark wurde im gleichen Maße wie die Geldmenge wuchs schwächer und schwächer.
Das ist Geschichte! Doch die Mechanismen einer Inflation gleichen sich. Egal ob die Inflation in der 70er Jahren, als Helmut Schmidt den fatalen Satz sprach, wonach fünf Prozent Inflation zu verkraften sei, aber keine fünf Prozent Arbeitslose in der Bundesrepublik. Am Ende hatte er von beidem mehr. Die Lohn-Preis-Spirale beschleunigte die Teuerung. Die anwachsenden Staatsschulden tat ein Übriges.
Inflationsphasen gehen immer mit Schwächephasen der Wirtschaft einher – also wie jetzt. Die Unternehmen leiden unter hohen Energiekosten, Steuern und immer weiter wuchernden staatlichen Regulationen. Das lähmt das Wirtschaftswachstum. Für gewöhnlich dauerten die Phasen drei bis vier Jahre.
Das trifft auf unsere derzeitige Situation eins zu eins zu. Die aktuellen monatlichen Inflationsraten sind die höchsten in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Der Einkauf für die Familie und das Tanken haben sich 25 -35 Prozent verteuert. Jeder fünfte Erwerbstätige hat keine finanziellen Spielräume mehr. Vor allem Familien und Alleinerziehende mit geringem Einkommen führen ein Leben an der Grenze zum sozialen Abstieg. Da sind auch Heizkostenzuschüsse von 100.- Euro je Kind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, – und das Wohngeld stößt schnell an seine (Einkommens-)Grenzen. Uns werden aktuell gnadenlos die Lücken unseres starren Sozialsystems aufgezeigt.
Dazu kommt ein rekordverdächtiges Plus bei den Staatsschulden. Der Schuldenberg des Staats hatte zwischen 1949 und 2019 die Höhe von knapp 1,3 Billionen Euro erreicht. Die so genannten Sondervermögen für die Ausrüstung der Bundeswehr und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds plus die Nettokreditaufnahme für die Bundeshaushalte 2020 bis 2023 lassen den Schuldenberg auf dann weiter rasant in die Höhe wachsen. Die Ampelkoalitionäre verstehen aber etwas vom Verkaufen. Der Name „Sondervermögen“ klingt positiv ist aber nur ein Euphemismus. Diese „Vermögen“ sind nur die Ermächtigung, zusätzlich neue Schulden in Höhe von 300 Milliarden Euro außerhalb des regulären Bundeshaushalts aufzunehmen. Damit umschifft der Bund die Schuldenbremse der Verfassung. Werden die so genannten „Vermögen“ ausgeschöpft, wächst der Schuldenberg auf gigantische 2147,1 Milliarden.
Bisher konnte das Schuldenmanagement des Bundes die Zinslasten für den Staat erträglich machen. Die Manager der Finanzlöcher schichteten alte Staatsanleihen mit höheren in neue mit niedrigen Zinsen um. Wegen der guten Bonität Deutschlands konnte der Bund sogar Anleihen mit null Zinsen oder Minuszinsen auf dem Geldmarkt platzieren. Die Zeiten in denen man darauf setzen konnte, durch ein geschicktes Schuldenmanagement langsam aus den Schulden herauszuwachsen sind vorbei. Die europäische Zentralbank -EZB- ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hebt den Leitzins kontinuierlich an. Über den Schuldenberg ziehen dunkle Wolken auf. Die Zinslast wird die politischen Gestaltungsspielräume stark einengen. Die Zinsen werden den Anteil der konsumtiven Ausgaben weiter ausdehnen. Neue Projekte in der Sozial- und Wirtschaftspolitik werden erschwert. Die Ampelphase wird teuer.