Viele Millionen Kunden haben sich beim Kauf ihres Autos darauf verlassen, mit einem Diesel „made in Germany“ bestens zu fahren. Inzwischen wird ihnen mehr als deutlich, dass die Autofirmen geschummelt und getäuscht haben. Auch staatliche Behörden und sogar das zuständige Ministerium prüften die Produkte nicht so genau, wie es notwendig gewesen wäre. Minister und auchdie Bundeskanzlerin legten sich noch kürzlich ins Zeug für die deutsche Autoindustrie und sangen Loblieder auf die Dieseltechnologie.
Branchenpate Matthias Wissmann
Zuvor suchten sie auf den Automobilmessen die Nähe zu den Bossen von VW, Daimler, BMW und Audi. Fast wie ein Branchenpate operierte Matthias Wissmann – mal als Diesel-Protagonist, mal als vehementer Warner vor allzu scharfen Grenzwerten zum Schutz der Umwelt. Wenn er es für angezeigt hielt, nahm er den direkten Kontakt zur „lieben Angela“ auf. Immerhin war Wissmann einst selbst Bundesverkehrsminister und zuvor als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein glühender Propagandist der Sozialen Marktwirtschaft. Das alles half ihm beim Aufstieg zum Präsidenten des deutschen Automobilverbandes.
Niemals hat wohl eine so bedeutende Branche wie die Autoindustrie auf den Märkten im In- wie Ausland ihre Kunden mit gezielten Täuschungsmanövern so sehr betrogen. Immerhin kosten PKW´s im Schnitt einige zehntausend Euro. Ein solcher Preis mag für Vorstandsherren aus den Autofirmen „peanuts“ sein – für den ehemaligen VW-Chef Winterkorn, der ein Jahreseinkommen von über 15 Mio. € erhielt, ebenso wie für seine Kollegen mit ebenfalls Millionen-Gagen aus den anderen Firmen.
Diesel im Rückwärtsgang
Sie haben an den Abgaswerten mit üblen Tricks manipuliert. Illegale Abschalteinrichtungen wurden für Prüfungen auf den Testständen installiert. Beim normalen Fahren der Autos ergaben sich indessen erhöhte Stickoxid-Emissionen. Den Besitzern von solchen Diesel-Autos drohen nun Fahrverbote in einigen Städten, in denen Menschen vor solchen giftigen, gesundheitsgefährdenden Abgasen geschützt werden sollen. Der Wert eines gebrauchten Dieselfahrzeugs ist bereits kräftig gesunken. Der Kauf von neuen Diesel-Autos geht spürbar zurück, obwohl der Preis für den Kraftstoff Diesel wesentlich günstiger ist als für Benzin; der Staat fördert diese Technologie mit vielen Milliarden Euro.
Auf etwa 41 % ist der Marktanteil für Dieselfahrzeuge im 1. Halbjahr 2017 gefallen; 2016 lag er noch bei fast 47 %. Die Talfahrt dürfte sich noch beschleunigen. Da werden auch beschönigende Reden von Autobossen, Politikern und anderen Dieselfetischisten nicht länger helfen. Vielmehr drohen Klagen gegen die deutschen Hersteller; einige sind bereits bei Gerichten anhängig. Die Super-Trickser in den Autofirmen haben fast unübersehbare Schäden verursacht – bei ihren Kunden, bei ihren Beschäftigten und Aktionären sowie vor allem für viele Produkte „made in Germany“, die bislang in aller Welt wegen ihrer Qualität und Zuverlässigkeit trotz hoher Preise geschätzt wurden.
Drohende Freiheitsstrafen für Betrüger
Das deutsche Straf-Gesetzbuch definiert den Tatbestand „Betrug“ in den §§ 263 ff. sehr klar: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, … 2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. … “
Die Vorstände haben das Gesetz gewiss in jüngster Zeit aufmerksam zur Kenntnis genommen. Denn nun stehen sie seit einigen Tagen gar unter dem Verdacht, viele Jahre lang schon illegale Absprachen zu Lasten von Käufern ihrer Autos und von Zulieferern gemacht zu haben. Seit etwa 20 Jahren haben sich die deutschen Autofirmen in verschiedenen Arbeitskreisen abgestimmt – offenbar über neue Entwicklungen, Kosten und Zulieferungen, möglicherweise auch über die Abgasreinigung beim Diesel. Das Bundeskartellamt, dem Selbstanzeigen von Firmen vorliegen, und die EU-Kommission sind inzwischen bei den brisanten Prüfungsarbeiten. Strafrechtlich wird gar noch zu prüfen sein, ob die Autofirmen eine Art „kriminelle Vereinigung“ gebildet haben, falls sich die jüngsten Enthüllungen verifizieren lassen.
Autobosse auf Tauchstation
Die Autobosse sind derweil auf Tauchstation gegangen. Sie schauen nun auf den Diesel-Gipfel, zu dem Minister Dobrindt für den 2. August nach Berlin geladen hat. Sie bieten Umrüstungen für Dieselfahrzeuge an. Sie sind in gerichtliche Prozesse involviert, bei denen es um Schadensersatzklagen von Käufern manipulierter Dieselautos geht. Sie richten sich auf Milliarden-Entschädigungen -wie etwa VW in den USA, wo auch ein zweitrangiger Manager schon festgenommen wurde- ein.
Gegen die Manager von Daimler, VW und anderen Firmen wird von Staatsanwälten ermittelt. In dem einen oder andern Unternehmen sollen gar Überlegungen angestellt werden, für den Fall der Fälle „Schatten-Vorstände“ zu suchen. Denn, wenn von deutschen Gerichten die für den Super-Skandal und Großbetrug Verantwortlichen wie Gangster und Ganoven schuldig gesprochen werden sollten, wird das ein dickes Ende haben und hoffentlich auch Köpfe fordern.
Moral und Ethik nicht beachtet
Die deutsche Autoindustrie mit ihren rund 800.000 Beschäftigten und zigtausend Zulieferern steht vor ihrer größten Herausforderung. Viel zu lange hat sie den Sprung in neue Technologien verzögert. Viel zu spät kam sie mit Hybrid- und Elektromodellen auf die Märkte. Doch seit Michail Gorbatschow wissen alle: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Was die Mitglieder in den Vorständen der Autofirmen in der jüngsten Vergangenheit veranstaltet haben, das war ein Großangriff gegen die Soziale Marktwirtschaft. Sie haben diese Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht nur in Misskredit gebracht, sondern gegen alle Regeln verstoßen. Moral und Ethik sind von ihnen mit Füßen getreten worden. Die pure Profitgier hat sie getrieben ebenso wie ihre Sucht nach hohen Gehältern, Boni, Tantiemen und anderen Wohltaten. Voller Scham sollten sie ihre Sonntagsreden nachlesen, in denen sie den Wettbewerb, die Innovationen und Leistungen gepriesen haben. Nach diesem schweren Unfall mit Totalschaden wird es darum gehen, bessere und ehrlichere Manager zu finden, neue umweltverträgliche Autos zu produzieren und das Zeitalter der Elektromobile zu meistern.
Schließlich sollte die Bundesregierung sofort klare Kante beweisen und den Betrügern nicht länger auf den Leim gehen. Vor rund 30 Jahren setzte der damalige Bundeskanzler den Katalysator für Neuwagen durch, um damit die Emission von Stickoxiden zu reduzieren. Gegen diese Entscheidung fuhren die deutschen Hersteller Amok und beschworen damals einen tiefen Einbruch der Autoindustrie; selbst in der Europäischen Gemeinschaft wurde den Deutschen diese „Musterschüler-Mentalität“ vorgeworfen. Allerdings konnten die deutschen Firmen nach der Katalysator-Pflicht ab 1989 fast Jahr für Jahr neue Absatzrekorde erzielen und vor allem ihre Marktanteile im Ausland ausweiten. Ob die heute politisch Verantwortlichen mutig genug sind, die Auto-Unternehmen technologisch und ökologisch auf einen besseren Zukunftskurs zu zwingen, bleibt zu hoffen.
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