Das Bedürfnis, mal sich gänzlich auszuschütten vor Lachen, und die Legitimation, in einem manischen Zustand das in diesen verheerten Zeitläuften verkümmernde Zwerchfell mal heftig durchzurütteln, nämlich durch politisches Kabarett vom Feinsten – hier gemeinsam mit 500 Leuten im Publikum, schien Mathias Richling live beides als bewährtes Kult-Angebot zu gewähren.
Nun – obwohl auch ich nicht selten laut gelacht habe – es war insgesamt ein merkwürdig unfroher Abend. Das lag vor allem daran, dass Mathias Richling in den zwei Stunden nonstop sich kaum etwas Neues an politischer Satire einfallen ließ. Stattdessen hat er aus Anno Dunnemals die Riege altvorderer Bundespräsidenten und anderer Politiker aufgefahren, heftig karikiert wie immer, aber: nix Neues, alles schon oft im Fernsehen gesehen. Und der arme Johannes Rau, den auf sozialromantische Unklarheiten in der Ausländerfrage blöd festzulegen, so, als sei er realitätsfern und dümmlich gewesen, nee, das war bloß unkomische Verzerrung, und doof.
Gipfelmäßig daneben fand ich vor allem die Nummer, wo Angela Merkel den Psychoanalytiker Sigmund Freud aufsucht und um Rat und Hilfe bittet. Richling gibt den Therapeuten als weltfremdes Männlein mit denunzierend quäkiger Stimme, und bestätigt aufs Billigste die probaten Vorurteile von kleinbürgerlich schadenfrohen Leuten, die weder über ihre eigenen Ohnmachtsgefühle noch über die seelischen Nöte anderer Menschen etwas Genaueres wissen wollen, um vielleicht in ihrem Leben was zu verändern, etwas Sinnvolleres hinzubekommen, und nicht immer nur bloßes Kompensieren durch blindwütige Feindbilder.
Der Gag dieser dürftigen Lachnummer bestand dann darin – Haha -, dass Sigmund Freud Frau Merkel mit einem Mann verwechselte. Oh je, Herr Richling, das war ja extrem sophisticated! Auch wenn ich wahrlich kein Fan unserer Bundeskanzlerin bin – Sie (! )macht einen Stressjob, und der hinterlässt Spuren, auch körperlich, und das ist NICHT lustig. Es wäre in unserer zermürbten Wirklichkeit doch unbedingt eine gute Idee, wenn PolitikerInnen und WirtschaftsbossInnen mal eine gute tiefenpsychologische Therapie machen könnten, auch als Gruppe – und nicht nur oberflächliches Coaching zur Erfolgsoptimierung. So bräuchten sie manche narzisstische Störung nicht aus lauter Beweisnot an den sie schließlich finanzierenden BürgerInnen auszulassen.
Die im ausverkauften „Milchwerk“ von Radolfzell versammelten ZuschauerInnen wirkten insgesamt so arg auf einen extrem witzigen Abend fixiert, also durfte offenkundig keinesfalls auch nur eine leise Enttäuschung im Saal die Erfolgsstory trüben. Dieser Eindruck erinnerte mich dann allerdings an das Bonmot des meisterhaft sarkastischen Kollegen Volker Pispers, der in seinem Programm „… bis neulich“ seinem Publikum riet: „Und deshalb sollten Sie auch die Kabarett-Eintrittskarten gut aufheben – wenn dann irgendwann einmal Ihre Enkel Sie fragen, ob Sie damals im Widerstand aktiv waren, dann zeigen Sie denen damit den klaren Beweis!“
Also, wenn wir uns nicht mit bloß ulkig geschmeidiger Comedy zufriedengeben wollen -Ja, es gibt jede Menge bedrohliche Aspekte in der aktuellen deutschen, europäischen und globalen Schräglage, die schreckliche aktuelle „ Arroganz der Macht“, die ein politisch wacher Kabarettist auf offener Bühne zur tragikomischen Kenntlichkeit vorführen könnte, und voller Wehmut blicke ich auf die geniale Bühnenpräsenz eines Georg Schramm zurück …Der nämlich begnügte sich nie mit bloßen Witzfiguren, sondern ihm gelang es vortrefflich, gesellschaftliche Macht-Verhältnisse durchschaubar zu machen. Manchmal zitierte er sogar einen historisch streitbaren Papst, vielleicht ein Vorbild für unseren heutigen Franziskus: Gregor der Erste. Der sprach im Jahr 592: „Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht“
Dem Politclown Mathias Richling – der sich meiner Sympathie als kluger Kabarettist bisher eigentlich sicher sein konnte – empfehle ich mal eine schöpferische Pause. So ein „Sabbatical“ kann Kräfte freisetzen, die ansonsten der Routine zum Opfer fallen, und davon hat doch eigentlich keiner was.
Bildquelle: Wikipedia, Frank C. Müller, CC BY-SA 3.0