Was ist der Unterschied zwischen Brüssel und München? In Brüssel steht die Zeit still, Terrorwarnungen legen die Stadt lahm. Bei Razzien werden 16 Terrorverdächtige verhaftet. In München tagte die CSU und legt Zeugnis ab dafür, dass sie für bundespolitische Verantwortung nicht taugt. Der bayerische Ableger tönte: „Deutschland und die CDU wird sich auch vorerst weiter auf eine eigenständige CSU einstellen müssen“. So Horst Seehofer auf seinem Parteitag.
Seine schulmeisterliche Rede, mit der er die Kanzlerin in der Flüchtlingsdebatte, – auf dem erhöhten Rednerpodium stehend – abkanzelte, war inhaltlich und tatsächlich von Oben herab. Den Parteitagsdelegierten bot sich ein Bild, auf dem Seehofer als Schulmeister einer Kanzlerin auftrat, deren Rede er mit der Zensur versah: „Setzen, fünf!“. Von dieser Epistel wird nichts in Erinnerung bleiben, außer seine bekannte Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. Kein Satz, kein Hinweis sonst, der erkennbar machte, dass in der CSU Nachdenken über die Ursachen einer weltweiten Fluchtbewegung aufgerufen wäre. Sichtbar war ausschließlich eine große Unlust, sich länger von Menschen behelligen zu lassen, die aus ihrer Heimat vor einem grausamen Bürgerkrieg fliehen und bei uns Schutz suchen.
Das liegt auf der Linie dessen, was öffentlich-rechtliche und private TV- und Rundfunkkanäle derzeit als Endlosschleife abnudeln, wenn eigens dafür nach Paris entsandte Reporter berichten, dass sich die Franzosen ihre Lust am Leben nicht nehmen lassen wollen von Terroristen, die offenbar Lust am Leben verloren haben und Frauen und Kindern den Sprenggürtel umschnallen.
Bürger zweiter Klasse
Immerhin in den Feuilletons einiger Blätter wird auf die Banlieues französischer Großstädte verwiesen, in denen eine muslimische Gegenwelt entstehen konnte, die den Begriffsinhalt „banlieue“ auf seine eigentliche ins deutsche übersetzte Bedeutung reduziert: Bannmeile. Massive Jugendarbeitslosigkeit, Bürger zweiter Klasse, ohne Perspektive und die sichtbare Lustlosigkeit der Mehrheitsgesellschaft in Frankreich, sich damit zu beschäftigen, das erklärt unter anderem, warum der Terror auch von Franzosen hinter den sozialen Bannmeilen gestützt wird, die dort ohne Chance auf ein besseres Leben vielfach in kriminelle Milieus abrutschen.
Ob es in unserem Land gelingen kann, ähnliche Fehler zu vermeiden oder nicht zu wiederholen, ist nicht mehr als eine Hoffnung. Der CSU-Parteitag und der AFD-Parteitag in Brandenburg am vergangenen Wochenende lassen nur die Erwartung zu, dass eine konservative und zugleich auch rechtsgewendete Gegenbewegung stärker wird, die auf Renationalisierung setzt, Grenzbäume wieder errichten und dem grenzenlosen, integrierten Europa ein Ende setzen will. Gleiches findet sich in Holland, Frankreich, Dänemark, Ungarn und England. Ebenso setzt die neue polnische Regierung auf die Durchsetzung nationaler Interessen, desgleichen die Tschechische Republik.
Zeit, entschieden gegenzusteuern. Ob die Fliehkräfte in den Unionsparteien größer werden und die Ansteckungsgefahr aus der CSU wächst, wird auch davon abhängen, ob der sozialdemokratische Partner in der großen Koalition Kurs hält. Jenseits des medial verordneten Spaßes am Leben, sollte ebenso Nachdenken darüber sinnvoll sein, den Gründen auf die Spur zu kommen, die dem Religionsfanatismus derzeit Leben einhauchen.
Bildquelle: Wikipedia, J. Patrick Fischer, CSU-Parteitag 11./12. Dezember 2014 in Nürnberg, CC BY-SA 3.0
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