Wer in den Iran fährt, um dort Urlaub zu machen, erntet skeptische Blicke und muss sich die Frage gefallen lassen: Iran? Ist das nicht gefährlich bei den Mullahs? Gegenfrage: Warst Du schon mal dort? Nein, aber in den Medien ist doch zu lesen… Urteile, gefasst, ohne je dort gewesen zu sein, also Vorurteile. Die Wirklichkeit, zugegeben oberflächlich aufgenommen während einer zehntägigen Rundreise, sieht anders aus: Freundlich begegnen einem die Menschen zwischen Teheran und Shiraz, zwischen Isfahan und Kerman, sie kommen auf einen zu, möchten Fotos von uns oder mit uns machen, fragen uns aus, woher wir denn seien. Aleman? Das ist gut, lautet oft die Antwort. Aleman gut, gut in Fußball. Männer schütteln uns die Hände, Frauen schauen uns fröhlich an. Aleman gut, deutsch gut.
Das Reich des Bösen? Die Sonne scheint, die Kinder uns gegenüber lachen und spielen. Als sie uns gewahr werden, laufen einige auf uns zu. Nein, sie betteln nicht, sie wollen nur ein Foto machen, andere möchten, dass wir ihnen etwas ins Heft schreiben, den Namen, den Herkunftsort. Aleman? Gut, schön. Das Reich des Bösen verbindet sich mit bärtigen alten Männern, also den Nachfolgern Khomeinies, oder? Wir haben sie nicht gesehen in den Tagen im Iran, nicht einen davon.
Beispiel: Wir landeten in einer Teestube. Seit der Revolution ist Alkohol verboten, also gibt es hier Tee, nichts als heißen Tee. In keinem Hotel, in dem wir übernachteten, wurde uns Bier, Wein oder anderer Alkohol angeboten, es gibt ihn wohl auch nicht unter der Ladentheke. Mag sein, dass es Bier und Wein in privaten Haushalten gibt, wir haben davon nichts bemerkt. Es gibt Tee in dieser gemütlichen Stube, zwei junge Männer machen Musik, der eine singt, der andere spielt auf einer Art Zither. Die Stimmung unter den Iranern ist prächtig, gelöst. Wir werden angekündigt, die Leute aus Germany, so der Entertainer. Neben mir sitzt eine Familie, ältere und jüngere Männern und Frauen. Die Verständigung ist schwierig, ich spreche kein Farsi, mein Nachbar weder Englisch noch Deutsch, also ist Radebrechen angesagt. Wieder die Formel: Aleman? Gut, sagt er und schlägt mir auf die Schulter.
Friedliche Menschen
Ein iranischer Mann, um die 40, der schon mehrfach in Deutschland war, die deutsche Sprache beherrscht, erklärt uns sein Land, die Menschen und die Gebräuche. Er möchte anonym bleiben. „Wir wollen keinen Krieg, wir haben davon die Nase voll. Saddam Hussein hat uns damals überfallen in den 80er Jahren, wir wollten den Krieg nicht.“ So reden sie vom irakischen-iranischen Krieg, in dem sie sich verteidigen und unzählige Opfer bringen mussten, 1,5 Millionen Tote Menschen, Zivilisten und Soldaten, seien umgekommen. Saddam Hussein, unterstützt damals noch von den Amerikanern. „Wir sind friedliche Menschen,“ betont unser Gesprächspartner, der sich auskennt in seinem Land. Und der weiß, dass auch der Iran nicht immer alles richtig gemacht hat.
„Auch wir haben Fehler gemacht“, räumt er ein und kommt sofort auf die Besetzung der US-Botschaft in Teheran und die Geiselnahme von US-Diplomaten zwischen 1979 und 1981 zu sprechen. „Ein Fehler“. Seit jenen Tagen gibt es keine US-Botschaft mehr in der iranischen Hauptstadt, das alte Gelände ist verwaist. Touristen, die vorbeifahren, erkennen die vermeintlichen Trophäen der einstigen Revolutionäre, die den Sieg über die Hegemonialmacht feiern. 1981 wurde ein iranisches Zivilflugzeug mit 350 Menschen an Bord über dem Golf von Hormus von einer Rakete, abgefeuert von einem Schiff der US-Navy, abgeschossen. Zufall, wie die Amerikaner später erklärten, sie zahlten eine Entschädigung, offiziell entschuldigt haben sie sich nicht für den tödlichen Zwischenfall.
Die Hegemonialmacht Amerika, das ist ein Thema für fast jeden Iraner, der die Geschichte des Landes und den Einfluss Washingtons auf die Entwicklung des Iran kennt und leidvoll die Folgen erfahren hat. So wurde 1953 die gewählte iranische Regierung unter dem Premierminister Mossadegh mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA und der Briten gestürzt, was später zugegeben wurde. Da spielte das Öl eine wichtige Rolle, auf das die Weltmacht Amerika nicht verzichten wollte, und das Land, indem Amerikaner lebten, gerichtlich unangreifbar. Also ließen sie die Regierung beseitigen, Nachfolger wurde der Schah Reza Pahlewi, ein Amerika-Freund, mit dem sich die Geschäfte freundlicher gestalteten, der eine lieferte billiges Öl und die Amerikaner die Waffen.
Einmischung empört
Dieser Sturz ist nicht vergessen in diesem Land, die Einmischung von außen empört jeden Iraner noch heute. Die Menschen im Iran wollen Anerkennung vom Westen, von den Amerikanern, von den Europäern und setzen dabei vor allem auf die Deutschen. Ein Problem dabei ist Israel, das sich angeblich bedroht fühlt von den Atomplänen Teherans. „Wir wollen keinen Krieg. Aber wir haben ein Anrecht auf eine Atomanlage. Wieso verfügt Israel über die Atombombe, Pakistan und Indien, wir aber nicht. Wieso entscheiden die Amerikaner und Israelis über unsere Rechte?“ Ein heikles Feld. Unser Gesprächspartner betont: „Wir greifen niemanden an, aber wir würden uns verteidigen.“ Welchen Vorteil hätte der Iran denn, wenn er Israel mit einer Bombe angriffe? Wie lange würde ein solcher Vorteil andauern? Höchstens ein paar Minuten, dann folgte die atomare Reaktion, die genauso verheerend ausfiele wie ein Angriff. Es wäre Selbstmord. Und noch einmal sei hinzugefügt: Der Iran hat bisher niemanden angegriffen.
Der Iran leidet unter dem Embargo, verhängt nach der Besetzung der US-Botschaft und der Geiselnahme der US-Diplomaten. Seit 35 Jahren besteht dieser Boykott, der verhindert, dass der eigentlich reiche Iran Geschäfte machen kann, von deren Ertrag die Menschen leben können. Das Gegenteil ist der Fall. Durch den Boykott produziert und verkauft der Iran weniger Öl und Gas, er war nicht in der Lage, die Zahl der Raffinerien zu vergrößern. Das Embargo zwingt Flugzeuge der Iran-Air, die Frankfurt anfliegen, in Prag zwischenzuladen, um dort aufzutanken. In Deutschland bekommen sie kein Benzin.
Das Embargo verhindert die Versorgung des Landes mit bestimmten Medikamenten, die man nur im Westen bekommen kann. Zum Beispiel können Krebspatienten nicht entsprechend ihrer Krankheit behandelt werden, weil die erforderliche Medizin fehlt. Das Embargo trifft auch MS-Kranke. Einheimische Medikamente mögen billiger sein, haben aber nicht die Qualität. Wie man da mit dem Leben von Menschen spielt, Menschen aus einem Land, das einst zur Einflusssphäre des Westens zählte, aber das seit der Revolution, seit den Tagen des Ajatolla Khomeinis zum Reich des Bösen gehört! Der Westen als Wertegemeinschaft?
USA-Propaganda
Das Reich des Bösen, so will es die von Washington und London gesteuerte Propaganda. Und die Europäische Union macht mit oder hält zumindest nicht dagegen. Die Folgen des Embargos bekommen die Menschen im Iran täglich zu spüren. Die Inflationsrate liegt bei 30 Prozent, ebenso hoch ist die Arbeitslosenquote, das Embargo trifft die Armen und einen Teil der Mittelschicht, nicht die Reichen, die es im Iran immer noch gibt und die ihre Villa abschirmen lassen durch eine mindestens drei Meter hohe Mauer, auf der ein meterhoher Gitterzaun für zusätzliche Sicherheit sorgen soll.
Ein Kilo Fleisch kostet 15 Euro, ein Kilo Hühnerfleisch nur zwei bis drei Euro, die Preise für Brot sind instabil und wechseln von Tag zu Tag, von einem Normalverdiener mit einem Einkommen von gerade mal 350 Euro im Monat kaum zu bezahlen, vor allem, wenn man bedenkt, dass das Wohnen in den großen Städten wie Teheran, Isfahan oder Shiraz sehr teuer ist, die Mieten sind hoch, der Preis für Benzin ist in die Höhe geklettert. Die Armen zahlen die Zeche.
„Wissen Sie“, fragt unser Gesprächspartner, „was das Leben unter dem Embargo bedeutet? Sie wissen es nicht. Es bedeutet Leben wie einem Asylbewerberheim in Deutschland, Leben am Existenzminimum“. Menschen aus der Unterschicht fänden keinen Job, hätten kein Geld, also gingen sie ins Ausland. Auch junge, gut ausgebildete Iraner zögen ein unsicheres Leben in Deutschland vor als das Leben in Armut im Iran.
Das Embargo lastet auf dem Land und seinen Menschen, es nimmt ihnen die Luft zum Atmen. Wegen des Embargos bleiben seit über 30 Jahren Investoren aus, sind seit der Revolution die großen internationalen Hotelketten aus dem Land verschwunden. Was Folgen hat. Die alten Hotels, man sieht es ihnen an, haben schon bessere Zeiten erlebt. Die Empfangshalle weist noch auf den früheren Glanz und Glamour hin, aber die Bäder in den Zimmern bedürfen der Sanierung.
Fährt man durchs Land, staunt man nicht schlecht über den sehr guten Zustand der vier- bis sechsspurigen Autobahnen, die den Iran, der viermal so groß ist wie Deutschland und der in etwa dessen Einwohnerzahl von 80 Millionen hat , durchziehen, aber es fehlt an Raststätten. Und die Toiletten sind auch nicht das, was Touristen erwarten. Überhaupt der Tourismus: Für dieses und das nächste Jahr ist man ausgebucht, in steigendem Maße kommen auch Amerikaner ins unbekannte Land Iran und man verspricht sich von ihnen, dass sie als Botschafter des Iran in die USA zurückkehren mögen, um dort das Bild vom angeblichen Reich des Bösen zu korrigieren.
Manches ist liberaler
Der heutige Iran ist anders geworden, er öffnet sich den Touristen, manches ist liberaler geworden in Persien, seit Dr.Rohani die Regierungsgeschäfte führt. Junge Frauen tragen offene Schuhe und Sandalen, ihre Kopftücher sind bunt und verdecken nur noch den Hinterkopf, sie sind geschminkt und tragen enge und farbige Hosen oder Kleiner. Sie treten aufgeschlossen und locker. Unser Gesprächspartner setzt wie viele andere seine Hoffnungen auf eine möglichst lange Präsidentschaft Rohanis, der vor zwei Jahren den viel zu lauten und aggressiv wirkenden Achmadineschad abgelöst hat. Ja, der hatte durch seine Attacken auf Israel manches Vorurteil über den Iran genährt. „Wir greifen niemanden an“, versichert unser Mann. „Wir möchten, dass sich Touristen bei uns wohl und sicher fühlen.“
Ja, wenn die Sanktionen abgeschafft würden! Der Iran ist ein reiches Land, reich an Bodenschätzen, an Öl, Gas, Gold, Mineralien, das Land hat Wasser und kann Teile der Wüste bewässern. Der Iran ist kein Entwicklungsland, sondern es hat Riesen-Entwicklungsmöglichkeiten, wenn man zuließe, was es zu leisten in der Lage wäre. Und dann sind da noch die Menschen- in ihrer Gastfreundlichkeit kaum zu überbieten. Die Unesco wollte diese Gastfreundschaft vor Jahr und Tag als Weltkulturerbe anerkennen.
Bildquelle: Wikipedia, Hansueli Krapf, CC BY-SA 3.0