Der Bundesliga-Dino wankte bereits in den letzten Jahren bedenklich in den unteren Tabellenbereichen hin und her. Eigentlich ging es seit spätestens 2008 nur noch bergab. Aber jetzt ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Beim FC Bayern setzte es am 21. Spieltag eine demütigende Rekordniederlage mit 0:8. Und die erschreckend schwache Hertha BSC konnte an diesem Spieltag 3 „Big Points“ im Abstiegskampf aus Hamburg mitnehmen. Das kostete den Trainer den Posten, ändert aber erst einmal nicht viel an den trüben Aussichten. Das „Glück“ der letzten Saison, wo man mit ebenfalls erschreckend schwachen Leistungen sich mit zwei wirklich müden Unentschieden gegen Fürth noch so gerade eben ans Ufer rettete, wird man in diesem Jahr nicht einplanen können. Zu deutlich zeigt es die Statistik: Im bezahlten Fußball gibt es in dieser Saison keinen Verein, der weniger Tore geschossen hat als der HSV. Ausgenommen in der Frauenbundesliga, wo der MSV Duisburg mit 12 Toren die Leistungen der Hamburger noch etwas unterbietet. Allerdings sind dort erst 18 Spieltage absolviert.
Nach 26 Spieltagen stehen beim HSV 0,6 Tore im Schnitt je Spiel zu Buche. Und das bei einer Mannschaft, die mit 50 Millionen EURO Gehaltsetat und bisher immerhin Platz 4 im Ranking der Zuschauerzahlen enorme Möglichkeiten hat. Umgerechnet hat also jedes erzielte Tor bisher etwas über 3 Millionen EURO gekostet. Andere Sorgenkinder wie der FC Freiburg schaffen das fast locker zu einem Zehntel der Kosten. Selbst beim „Krösus“ der Liga, dem FC Bayern München, gibt es trotz höchstbezahlter Luxuskicker das Tor zu einem deutlich günstigeren Tarif. Und auch bei der Punktausbeute sieht es nicht viel besser aus. Immerhin 25 Punkte mit 16 Toren. Ein Minimalismus, wie es ihn ansonsten im aktuellen Fußball kaum gibt. Macht dann immerhin 2 Millionen EURO aus dem Gehaltsetat für jeden Punkt. In Wolfsburg, Gladbach und Leverkusen gibt es die begehrten Punkte billiger. Und beim FC Bayern gibt es zu diesen Konditionen Meisterschaften am Band. Bei den Vereinen mit wirklich knappen Etats wie Freiburg, Augsburg oder Mainz wird man über diese Relation kaum lachen können.
Wenn man sich die Tabellenstände der letzten Jahre anschaut, kann man kaum glauben, dass es einmal Zeiten gegeben hat, in denen der HSV in 6 aufeinanderfolgenden Jahren jeweils 3x Meister oder Vizemeister war. Aber durch jahrelange falsche Personalpolitik, die nur allzu deutlich wird, wenn man sich anschaut, wie viele Trainer der HSV verschlissen hat, ging es bergab. Und unter einer zerstrittenen wie in weiten Teilen nahezu unfähigen Führung hat der HSV fast alles an Substanz verloren, was diesen einst so erfolgreichen Verein mal auszeichnete. Jetzt arbeitet man seit Monaten, eigentlich seit Saisonbeginn, am Rande des Abgrunds. Der Abstieg wäre für Hamburg aber nicht nur eine sportliche Katastrophe, auch wirtschaftlich wäre das ein Fiasko.
Denn den HSV drücken auch noch immense Schulden. Von über 100 Millionen ist die Rede. Die Ausgliederung der Fußballprofis in die HSV Fußball AG sollte für Entlastung sorgen. Die Erwartungen wurden allerdings nicht erfüllt. Und mit dem bisherigen „Investor“ Klaus-Michael Kühne hat man zudem einen recht unbequemen wie unberechenbaren Akteur im Nacken, der in den letzten Jahren für viele unangenehme Schlagzeilen und ebenso viele falsche Entscheidungen sorgte. Die Krise des HSV läßt sich an Personen festmachen. Die findet man aber nicht auf dem Platz. Denn am wenigsten können eigentlich die Spieler dafür. Viele haben Qualitäten, die unter anderen Umständen den HSV auch in ganz anderen Tabellenbereichen erwarten ließen. Aber ohne Führung geht es traditionell immer nur bergab.
Der HSV hat noch 8 Spieltage, um den Weg vom Spitzenclub zum Absteiger zu verhindern. Die Aussichten stehen schlecht. Für eingefleischte Fußballfans wäre eine Saison 2015/16 ohne den HSV so etwas wie Formel 1 ohne Michael Schumacher. Es wäre zudem die erste seit Gründung der Bundesliga. Es ginge sicherlich, aber es fehlte etwas ganz wichtiges.