Der große alte Mann saß auf der Trainerbank, er wirkte müde und resigniert, mehrfach verdeckte er sein Gesicht hinter den Händen, als wollte er nicht mitansehen, dass seine einstige Wunderelf an diesem Tag kein Mittel fand gegen die Mannschaft aus Chile. Aus und vorbei. Vicente del Bosque, sicher einer der erfolgreichsten Fußball-Lehrer der Welt, einer der ruhigsten in seinem Fach, der nicht immer an der Linie herumsaust und mit den Armen fuchtelt, wirkte wie versteinert. Er saß da und nahm es hin, den Niedergang von Spaniens Mannschaft, die einst das Tiki-Taka erfand, mit dem sie die übrige Welt jahrelang schwindelig gespielt hatte.
Ende einer Ära. Gegen 22.56 Uhr war es amtlich, der Titelverteidiger und Favorit auch bei der WM in Brasilien, war ausgeschieden. Am Tag, als Spaniens König Juan Carlos seinen Hut nahm, dankte auch die einst als fast unschlagbar geltende Elf ab. Der scheidende König ging am Stock, wie der Fernsehzuschauer beobachten konnte, kaum anders erging es den hochgelobten Fußballern. Die Spieler aus Chile waren den Spanien in vielen Belangen überlegen, sie waren schneller, aggressiver und man hatte den Eindruck, als hätten die Chilenen mindestens einen Spieler mehr auf dem Platz.
Das ganze Spiel wirkte wie eine Ablösung einer Generation von Fußballern, die wie Juan Carlos den richtigen Zeitpunkt für den Abschied verpasst zu haben schien. Es tat einem leid, wie sie Zweikampf um Zweikampf verloren, die Chilenen immer den einen Schritt schneller waren.
Es war der Abschied von del Bosque(63), von der Torhüter-Legende Iker Casillas. So ist das halt, wenn Torhüter Fehler machen, ist der Ball drin, anders als bei Feldspielern. Die können ruhig mal den Ball verfehlen, ausrutschen, einen Fehlpass schlagen. Casillas boxte einen ziemlich harmlosen Freistoss zurück, genau vor die Füße eines Chilenen und der haute den Ball mit der Spitze ins Tor.
Wo eigentlich war Iniesta, dieser große Spieler, Gestalter, Trickser, Paßgeber? Nichts davon war zu spüren. Die Beine müssen schwer gewesen sein wie Blei. So erging es auch anderen Spaniern an diesem Tag. Da stand man frei vorm Tor des großartigen chilenischen Torwarts und versagte kläglich, weil sich das Trikot als zu schwer erwies, wie der ARD-Sportexperte Mehmet Scholl fand, selbst früher ein Klasse-Fußballer. Iniestas Pendant in vielen Jahren, Xavi, saß auf der Bank. Auch ein Symbol für einen Generations-Wechsel.
Und was haben die Spanier über Jahre gewirbelt. Sie haben die Gegner schwindelig gespielt, die Deutschen wissen das, wir hatten gegen die Rothosen keine Chance, weil sie so schnell spielten und traumwandlerisch sich die Bälle zupassten, dass der Gegner teilweise nicht wusste, wo der Ball war. Aus und vorbei. Schade.
Zu Hause in Spanien fiel das Urteil der Presse heftig aus. Desaströs, zerschmettert liege Spanien am Boden, Ende einer Ära. Und im Netz muss sie viel Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Szenen wie diese werden erfunden. So empfängt der neue König Felipe die Mannschaft mit den Worten: „Danke, Jungs, dass Ihr rechtzeitig gekommen seid.“ Zur Krönung, meinte der Schelm. So ist das halt. Wer den Schaden, spottet jeder Beschreibung…