Der Jubel bei der AfD kannte keine Grenzen. Alice Weidel und ihre Kollegen fielen sich in die Arme. Die Rechtsaußenfraktion im Bundestag feierte das Abstimmungsergebnis zu einem von der CDU/CSU eingebrachten Entschließungsantrag zur Verschärfung der Asylpolitik, der in wesentlichen Punkten das Asylrecht des Grundgesetzes und das EU-Recht aushebeln würde. Die Union will einen „faktischen Aufnahmestopp“ durchsetzen – so wie die AfD das schon lange vertritt. Merz und mit ihm fast die gesamte CDU/CSU-Fraktion sowie die FDP haben billigend in Kauf genommen haben, nein: aus Vorsatz damit kalkuliert, einen Beschluss des Bundestages nur durch die Zustimmung der AfD herbeizuführen. Das ist zu Recht als Zäsur, als Tabubruch und das Verlassen der demokratischen Mitte gewertet worden.
Die Union bewegt sich auf einen Abgrund zu. Demokraten aller Parteien müssen zu Recht alarmiert sein, wenn die Union diesen Weg weitergeht. Die liberale demokratische Grundordnung steht ebenso auf dem Spiel wie unsere Verankerung in einer demokratischen Europäischen Union. Es geht um mehr als den Wortbruch von Merz. Wie also kann die Union zur Umkehr bewegt werden?
Erstens: Sie muss begreifen, dass das faktische Zusammenwirken mit den Rechtspopulisten nur die AfD stärkt. Der Jubel der AfD-Fraktion und das betretene Schweigen der Unions-Fraktion bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses sprechen Bände. Die steigenden Umfrageergebnisse für die AfD bei stagnierenden bzw. sinkenden Werten für die Union zeigen, wohin dieser Weg führt. Friedrich Merz wollte einmal die AfD halbieren. Kann es sein, dass dies in den nächsten Jahren genau umgekehrt passiert?
Zweitens: Die Union sollte einen Blick auf ihre Schwesterparteien in Europa werfen. Fast überall, wo die konservativen Parteien sich den rechtspopulistischen Parteien angenähert und mit ihnen zusammengearbeitet haben, wurden sie dezimiert, teilweise eliminiert. Bestenfalls konnten sie als Juniorpartner der Rechtsaußen überleben. Siehe Italien, siehe Frankreich, siehe Niederlande. Im Zweifel wird das Original bevorzugt und die Kopie belächelt.
Drittens: Der entscheidende Punkt ist die inhaltliche Angleichung der Union an einen vermeintlichen oder realen rechtspopulistischen Zeitgeist. Die Beendigung der Merkel-Ära begann mit der Loslösung von ihrer Flüchtlingspolitik. So unvollkommen diese Politik auch war, so war sie doch von humanen, von christlichen Werten geleitet und entsprach einer modernen konservativen Ausrichtung. Es ist erstaunlich, mit welchem Stolz heute ein Söder, ein Spahn oder eben ein Merz die Beendigung dieser Politik feiern. Zugleich sind sie wieder Meister des Kopierens. Fast alles zu diesem Thema findet sich im Original bei der AfD.
Auch die Relativierung einer lebensnotwendigen Klimapolitik, die maßlose Beschimpfung all dessen, was als „Gendern“ bezeichnet wird, das Bezeichnung der Grünen als wichtigsten Gegner – all das und noch mehr gehört inzwischen zur Ausrichtung wichtiger Teile der Union und spielt der AfD in die Karten.
Viertens: Eine Abkehr von dieser Politik ist dringend erforderlich, nicht nur im Interesse der Union, sondern des Fortbestandes der liberalen Demokratie und des Rechtsstaates. In der Union gibt es Beispiele einer modernen und zugleich wertegeleiteten Politik. Die muss man nicht in jeder Beziehung teilen, aber sie ist erfolgreich. Das zeigt sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Dazu gehört unbedingt, dass die Union ihr wie immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD beendet und bereit ist, sich mit den demokratischen Parteien auf Lösungen zu verständigen, die real Probleme lösen und europatauglich sind, insbesondere auch in der Migrations- und Asylpolitik.
Es wäre ein großes Schritt und eine deutliche Demonstration im Sinne einer Korrektur des gestrigen Verhaltens der Union, wenn sie sich jetzt für die Einleitung eines Verbotes der AfD einsetzen würde. Das würde nicht nur der Glaubwürdigkeit der CDU/CSU helfen, sondern auch die Demokratie stärken.
Bildquelle: Wikipedia, Harald Dettenborn, CC BY 3.0 DE
Ich habe in den vielen Artikeln zum gestrigen Vorgehen der CDU und insbesondere Friedrichs Merz keine bessere Analyse gelesen. Sie spricht mir aus dem Herzen. Jede und jeder, die in der Union was zu sagen haben, sollten alles daran setzen, die für morgen angesetzte Gesetzesvorlage im Bundestag zurück ziehen zu lassen.Es ist ein Stück Grundvertrauen in die demokratischen Parteien verloren gegangen, die Union sollte alles tun, dieses Vertrauen nicht weiter zu zerstören.
Gewinner sind die Bürger dieses Landes. Ihre Interessen hat F. März über die Parteiinteressen gestellt. Wenn ein CDU gegen die AFD stimmt, muss es sich doch auch fragen, wie es zur Gründung der AFD kam .Insbesondere Frau Merkel sollte hier selbstkritisch sein. Zur Erinnerung, die Gründer der AFD waren Mitglieder der CDU/CSU.