Ursula von der Leyen kann von Glück reden. Es ist Wahlkampf in NRW und dort geht es um viel, auch für die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel und ihren treuesten Gefährten in der Union, Armin Laschet, der ihr stets brav folgt und dazu lächelt, was Merkel gerade sagt oder tut. Und in einem Finale eines solch wichtigen politischen Rennens kann Merkel keine interne Diskussion in der eigenen Partei über die mindestens umstrittenen Führungsqualitäten ihrer Ministerin gebrauchen. Deshalb hat sich die Kanzlerin hinter von der Leyen gestellt, aber Vorsicht: Wer hinter einem steht, kann einem auch schnell mal ein Bein stellen. Oder sich unmerklich verziehen, wenn der Wind, der einem ins Gesicht bläst, zum Orkan wird.
Selbstdarstellung im Vordergrund
Mehr Solidarität mag sich die ehrgeizige CDU-Frau aus Niedersachsen wünschen, aber die wird sie nicht bekommen. Nicht in ihrer Partei, in der sie wegen ihres Ehrgeizes nicht nur Freunde hat, und nicht aus dem Lager des Regierungspartners, der SPD, die aber schonend mit ihr umgeht. Dort wird zwar Kritik geübt am Auftreten der Ministerin, an ihrer Art der Darstellung der Probleme, die wie gehabt mehr eine Art der Selbstdarstellung der bedrängten Politikerin ist. Dass die SPD darauf hinweist, dass Ursula von der Leyen seit nunmehr dreieinhalb Jahren die Kommandogewalt in der Bundeswehr innehabe, ist milde formuliert. Man hätte es auch drastischer ausdrücken können. Gerade im Verteidigungsressort ist Führung gefragt und nötig, Führung durch den Chef. Und das ist die Ministerin. Wenn etwas schiefgeht, trägt sie die Verantwortung. Auch hier der Satz: Der Fisch stinkt vom Kopf.
Wenn Verantwortung nicht ausgeübt, Führung nicht geleistet wird und zwar sichtbar, nicht autoritär, sondern indem man die übrige Führung mitnimmt, darf man sich nicht wundern, wenn man nicht im Bilde ist. Und die CDU-Ministerin scheint lange nicht gewusst zu haben, was sich in den Kasernen so alles tut. Nein, die Bundeswehr ist keine rechtsradikale Truppe, aber es gab Fälle von Rechtsextremismus immer wieder, es gab immer Diskussionen über Brauchtum und Tradition, über Namen von Kasernen, die noch aus der Zeit der Wehrmacht Hitlers stammten. Es gab immer wieder Fälle, wo Vorgesetzte ihre Rolle missbrauchten und einfache Soldaten schurigelten, ja sie fertig machten, dass es der Menschenwürde nicht mehr entsprach.
Fremd in der Truppe
Es muss ihr zu denken geben, wenn eine Zeitung wie die „Welt am Sonntag“, die linker Umtriebe unverdächtig ist, sie als „fremd in der Truppe“ bezeichnet, was nichts anderes heißt: dort vertraut man ihr nicht, man kennt sie nicht. Das ist gefährlich in diesem Terrain, wo sich die Menschen mit und ohne Uniform begegnen auf den unterschiedlichsten Leitern der Karriere, wo der eine mehr zu sagen hat als der andere. Ein Ressort, in dem viel Geld umgesetzt wird für Menschen und Waffen. Und nicht zu vergessen haben wir längst eine Bundeswehr, die seit Jahren ihren ursprünglichen Auftrag der Heimatverteidigung mit gefährlichen Einsätzen im Ausland erweitern musste. Und da ist die Ministerin „fremd in der eigenen Truppe“? Oder gibt es gar einen „Hauch von Rebellion“ in der Bundeswehr, wie ihn die konservative und stets staatstragende FAZ ausgemacht haben will? Oder wird hier ausgeteilt, weil eine Frau das Wehrressort leitet?
Dass die Ministerin pauschal und heftig die Bundeswehr- da kann sie nur die Generäle und hohe Offiziere gemeint haben- attackierte und ihr kollektiv ein Haltungsproblem vorwarf, Führungsschwächen, einen falsch verstandenen Korpsgeist, dürfte manchem übel aufgestoßen sein, zumal wenn er überzeugt davon ist, dass er selber seinen Dienst ohne Fehl und Tadel versieht. Dass der Generalinspekteur Volker Wieder anordnete, alle Kasernen nunmehr nach Devotionalien aus der Wehrmacht-gemeint Nazi-Zeit- durchsuchen zu lassen, ist nicht zu kritisieren, nur mit der Frage zu versehen: Warum erst jetzt? Und sind den Soldaten und Offizieren in den Kasernen früher keine Stahlhelme und Hakenkreuze aufgefallen oder hat man sie einfach übersehen?
Wenn Worte Politiker einholen
„Meine Verantwortung ist, belege Missstände abzustellen, das tue ich gerade“, so hat die Ministerin angekündigt. Mal sehen, wie weit sie kommt und inwieweit sie sich Zeit für ihren eigentlichen Job nimmt oder ob sie nicht zwischendurch mal eben bei Anne Will vorbeischauen muss, um etwas zu Europa zu sagen, was selbstverständlich nur Ursula von der Leyen sagen kann oder ob sie mal schnell im NRW-Wahlkampf den Regierenden in Düsseldorf den Marsch blasen muss, weil die das Land angeblich unter Wert regieren. Worte, die einen Politiker einholen können, nicht wahr Frau Ministerin, zumal wenn es Probleme im eigenen Hause gibt?
Nur Helmut Schmidt kam durch
Als „kalt, berechnend und unsympathisch“ hat sie der Spiegel-Autor Jan Fleischhauer in seiner Kolumne bezeichnet, ein hartes Urteil, das aber mancher bestätigt, der von der Leyen schon länger kennt und beobachtet. Die Dame ist ehrgeizig, sie will weiter nach oben, vielleicht CDU-Chefin oder gar Nachfolgerin von Angela Merkel werden. Ursula von der Leyen ist die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht(CDU), des Amtsvorgängers in Hannover von Gerhard Schröder(SPD. Ernst Albrecht wäre 1979 fast Kanzlerkandidat der Union geworden, zumindest hatte ihn der CDU-Bundesvorstgand auf Anregung von Helmut Kohl vorgeschlagen. Aber die CSU pochte darauf, diesen Posten für ihren Chef Franz-Josef Strauß zu reklamieren. Helmut Kohl tat Strauß den Gefallen in der Erwartung, dass der gegen Helmut Schmidt bei der Bundestagswahl 1982 keine Chance auf den Einzug ins Kanzleramt haben werde, weil die FDP nicht gewesen wäre, Strauß zum Kanzler zu küren. Das Ergebnis ist bekannt. Frau von der Leyen sollte ferner bedenken, dass nur ein Verteidigungsminister den Aufstieg ins Kanzleramt schaffte: Helmut Schmidt.
Bildquelle: Wikipedia, U.S. Air Force Staff Sgt. Jette Carr, CC BY 2.0