Olaf Scholz ist mit 395 Stimmen zum Kanzler gewählt worden. Eine ordentliche Mehrheit, die Ampel steht nicht nur, sie hat einen weiteren Test bestanden. Doch die harte Arbeit folgt erst, zum Beispiel im Kampf gegen Corona, für ein besseres Klima, für ein sozial gerechteres Land, in der Außenpolitik wird es darum gehen, mit Russland wie mit China irgendwie zusammenzuarbeiten. Da muss die Ampel zeigen, dass sie eine gemeinsame Regierung ist, die gemeinsam Probleme löst, die miteinander diskutiert und nicht gegeneinander, vertrauensvoll und diszipliniert. Fragen, die aber an einem feierlichen Tag wie heute, da der Bundeskanzler gewählt worden ist, vom Bundespräsidenten die Urkunde erhalten hat, wo Kanzler und Regierung vereidigt wurden, keine große Rolle spielen.
Scholz ist der vierte SPD-Kanzler von neun Bundeskanzlern, die die Bundesrepublik seit 1949 regiert haben. Die anderen Kanzler waren CDU-Politiker. Der frühere Juso-Chef- und als solcher natürlich ein Linker- hat seinen Weg gemacht, manchen Wandel vollzogen und sein Ziel erreicht. Juso-Chef war im übrigen auch einst Gerhard Schröder, der Amts-Vor-Vorgänger von Scholz. Schröder regierte mit den Grünen zusammen, er hätte, pragmatisch wie er ist und da vergleichbar mit dem Hamburger, frei von Ideologien wie der neue Kanzler, auch mit der Union regiert und sicher, wenn es nötig gewesen wäre, auch mit der FDP. Getreu dem Grundsatz, Demokraten müssen in der Lage sein, miteinander eine gemeinsame Regierung zu bilden.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erinnerte nach der Wahl daran, dass die SPD vor nicht langer Zeit „eigentlich schon am Abgrund“ gestanden habe, als Parteichefin Andrea Nahles aufgab. Man darf auf die miesen Umfragezahlen hinweisen, die noch vor einigen Monaten die SPD ziemlich im Keller sahen. Da lag die Partei bei 13, 14 und 15 Prozent. Man darf darauf hinweisen, dass der vor knapp zwei Jahren neu gewählte Parteichef Norbert Walter-Borjans, von Freunden Nowabo genannt, sich damals fragte, ob es überhaupt Sinn mache, wenn diese SPD einen Kanzlerkandidaten stellen würde. Und Nowabo und die weithin unbekannte Saskia Esken stellten sich überraschenderweise als das neue Führungs-Duo der SPD heraus, das den Verlierer um den SPD-Vorsitz, Olaf Scholz, zum Kanzlerkandidaten erhob. Eigentlich zum Lachen. Nur Scholz glaubte an den Kanzler Scholz.
Dann geschah eine Wende, die Stimmung kippte. Nowabo und Esken schafften das, was der sonst diskussionsfreudigen -um nicht zu sagen wütigen-Partei nach meiner Kenntnis noch nie zuvor gelungen war: sie trat geschlossen auf, jeder verzichtete auf Querschüsse, man stellte sich hinter Scholz, unterstützte sein Wahlprogramm. Alles verlief diskret, vertrauensvoll, diszipliniert. Anders der politische Gegner, die Union. CDU und CSU waren zerstritten, was der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, am eigenen Leib erlebte. Im Grunde war Markus Söder, der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident, sein innerparteilicher Gegenkandidat bis zum Wahltag. Die CDU war am Ende der Ära Merkel ohne Merkel ohne Kopf und ohne Kurs. Um es kurz zu sagen: ziemlich ausgelaugt, verbraucht.
Der Aufstieg der SPD von ziemlich unten nach ziemlich oben war ein Erfolg von Saskia Esken, Nowabo und Olaf Scholz. Ja auch von Lars Klingbeil, den wir im Blog-der-Republik oft gescholten haben. Die Endphase des Wahlkampfes, aber auch die Verhandlungen der Ampel-Parteien waren von ihm und seinen Mitstreitern der FDP und den Grünen professionell geführt worden. Auch diese verschiedenen Gremien von SPD, FDP und den Grünen arbeiteten ohne Durchstechereien, diszipliniert, vertraulich. Und so entstand Vertrauen, das die Grundlage für die Bildung dieser Ampel wurde. Wer hätte das für möglich gehalten. Kevin Kühnert, der am Wochenende SPD-Generalsekretär werden soll, ein Linker, betonte nach der Wahl, dass es weiter darum gehe, miteinander zu arbeiten und nicht gegeneinander. Dass Alt-Kanzler Gerhard Schröder die Geschlossenheit seiner Partei lobte, weil dies mit zum Sieg beigetragen habe, darf hier erwähnt werden. Er hat in seiner Kanzlerschaft anderes erlebt.
Es ist ein stolzer Tag für die älteste deutsche Partei, die SPD. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist ein Sozialdemokrat, dessen Mitgliedschaft während seiner Präsidentschaft ruht, die Präsidentin des Bundestages, Bärbel Bas, gehört seit vielen Jahren der SPD an. Sie kommt aus Duisburg, einer alten Hochburg der Partei. Und ja Olaf Scholz. Er trat 1975, vor 46 Jahren, der SPD bei. Wie sagte doch Rolf Mützenich: Eigentlich standen wir schon am Abgrund. Man darf daran erinnern, damit die Mitglieder der SPD, ihr Kanzler, ihre Ministerinnen und Minister an einem Tag wie diesem nicht die Demut verlieren, die man braucht, um nicht abzuheben. Es gibt viel zu tun, innen- wie außenpolitisch. Kritik an der Ampel zu üben, darauf sollten wir heute verzichten. Die Arbeit der neuen Regierung beginnt ja erst.
Bildquelle: Anne Hufnagl, https://olaf-scholz.spd.de/olaf-scholz/
Nun ja – es ist vollbracht. Nun schauen wir mal, was die „Zukunftskoalition“ zustande bringt. Die erst Maßnahme – die versprochene Bonuszahlung an die Pflegekräfte – wurde schon einmal vertagt. Eine deprimierende Erfahrung für alle, die darauf gehofft haben. Was für ein Zeichen wäre das in dieser unsicheren Zeit gewesen?
Und dann ist außen- und sicherheitspolitisch nichts Gutes zu erwarten. Im Wahlkampf gab es wenig Erhellendes. Viel Folklore; wenig Konkretes. Wie schon im Wahlkampf. Kein Thema für die Ampel? Angesichts der Krisen um die Ukraine, mit China, in der EU usw. – nicht gerade beruhigend. Mit Baerbock droht eine Ideologisch geprägte Außenpolitik. Ihre nassforsche Art ist da eher kontraproduktiv. Es droht eine Eskalation der Konflikte, wo Diplomatie gefordert wäre. Aufrüstung der Ukraine? Weitere Sanktionen gegen Rußland und China? Diplomatischer Boykott von Olympia? Was soll das bringen? In den letzten Jahren war von einer EU- oder deutschen Außenpolitik nichts zu sehen. Was jetzt droht, ist eher schlimmer!
Das Rätsel Olaf Scholz
Der neue Bundeskanzler der Zweiten Deutschen Republik heißt Olaf Scholz. Wir müssen den Mann mit dem faustischen Grinsen nicht lieben. Er soll nur den Staat leiten.
In seiner Partei war der ehemalige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg schon abgeschrieben. Auch die Kaffeesatzleser in den Medien gaben keinen Pfifferling mehr auf ihn. Da war die Kostenexplosion der Hamburger Elbphilharmonie, deren erste Kostenschätzung sich auf harmlose 77 Millionen belief. Es wurden 800 Millionen daraus. Nach dem Debakel auf dem G20 Gipfel, bei dem Olaf Scholz Demonstranten niederknüppeln ließ, schrieb der Kolumnist von „Stern“ Uli Jörges, dass der Regierende Bürgermeister für höhere Ämter erledigt sei.
Wie wurde sein Aufstieg zum Gipfel der Macht in der Republik trotzdem möglich? Als flexibler rechter Flügelmann in seiner Partei verbündete er sich mit der linken Hoffnungsträgerin Andrea Nahles. Die damalige Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles half ihm aus der Patsche. Olaf Scholz wurde mit ihrer Hilfe Finanzminister und Vizekanzler. Er bedankte sich bei der Quotenfrau. Sie wurde dann wenige Tage später mit 66% zur Parteivorsitzenden gekürt. Die Rechts-Links -Koalition auf dem Parteitag hatte funktioniert. Das Tandem Scholz- Nahles lief, wie geschmiert.
Ein kurzer Rückblick: Das Muster, wie Mann oder Frau in der SPD Karriere ohne Eignungs- und Befähigungsnachweis macht, hat schon lange Gültigkeit. Seitdem die einstigen Juso-Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul die Abschaffung des Berufes des Immobilienmaklers und die Höchstgrenze eines Gehaltes von 5000 D-Mark forderte und von der Partei mit dem Entwicklungsministerium belohnt wurde, wussten alle Nachfolgerinnen und Nachfolger, wie der Aufstieg am einfachsten zu bewältigen ist. Kenntnisse über die Dritte Welt: Fehlanzeige. In dieser Logik folgte auch der ehemalige JUSO-Vorsitzende Kevin Kühnert, gar vor noch nicht allzu langer Zeit, der BMW verstaatlichen wollte. April: Es war vorgetäuschtes Rebellentum. Es gab tatsächlich einige Wirtschaftsjournalisten, die ihn ernst nahmen. Immerhin brachte ihm das ein Bundestagsmandat und die Funktion des Generalsekretärs ein. Beide gut dotierte Posten für den jungen Mann ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind ein Lottogewinn. Die Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt ist längst im real existierenden Opportunismus angekommen. Links und rechts sind nur Duftmarken die in der SPD keine Rolle mehr spielt.
Kein Kapitalanleger hat vor dieser Partei noch etwas zu fürchten.
Der einzige Kandidat, über dessen Qualifikation bei der Kabinettsumbildung öffentlich diskutiert wurde, war der Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Medizinprofessor, der in der Corona Diskussion nicht nur Sachverstand, sondern auch Rückgrat bewies, ist nicht der Liebling von Olaf Scholz, aber er kann mit allen Funktionären im Gesundheitswesen auf Augenhöhe diskutieren. Der Vorwand: Der Genosse Professor habe keine Verwaltungserfahrung.
Kurzer Blick zurück: Als Andrea Nahles zur Arbeits- und Sozialministerin berufen wurde, fragte danach niemand. Ein Frauenbonus?
Auch über die Qualifikation der zukünftigen Sozialdemokratischen Frauenriege im Kabinett erfuhren die Bürgerinnen und Bürger recht wenig. Sie wurden von den Medien auf eine Zahl reduziert. alles Quoten- oder Proporzfrauen? Eine positive Diffamierung? Auf den Kanzler kommt es an.
Olga Tokarczuk, die polnische Literaturpreisträgerin von 2018 wollte den Preis ausdrücklich als Schriftstellerin erhalten und nicht Frau.