Er hat nicht am Zaun gerüttelt wie ein anderer Sozialdemokrat, der unbedingt hinter dem Zaun sein Büro beziehen wollte, über den aber heute kaum noch einer spricht, zumindest nicht mit Respekt. „Umso größer ist dein Verdienst, diese Partei zum Erfolg geführt zu haben, um dann wieder freiwillig „Nein“ zu sagen, als Dich viele gerne weiter im Amt gesehen hätten“, würdigt Jürgen Zurheide Norbert Walter-Borjans. Zurheide, ein erfahrener Journalist, kennt Nowabo, er kennt sich aus in der Politik, gerade auch in der SPD, in NRW wie im Bund. Zurheide ist einer von 52 Autoren, die dem Jubilar ein Buch gewidmet haben. Titel: „Politik für Menschen. Der Sozialdemokrat Norbert Walter-Borjans wird 70!“ Das Buch wurde Nowabo gerade in einer Feierstunde in Düsseldorf im Johannes-Rau-Haus übergeben. Das passt.
Man muss für diesen Fall zurückblicken: Denn es war die Sensation im Jahre 2019, als der politische Rentner aus der Provinz SPD-Parteichef wurde, gemeinsam mit der Hinterbänklerin und völlig unbekannten Saskia Esken. Gegen die Favoriten-so die sogenannten Leitmedien in der Hauptstadt- Olaf Scholz und Klara Geywitz. Und nach dem Sieg im SPD-internen Rennen plädierte das Duo Walter-Borjans-Esken für den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der das zwar immer werden wollte, mit dem aber zu dem Zeitpunkt-Scholz war immerhin ein Verlierer- niemand gerechnet hatte. Und niemand hatte damit gerechnet, dass einer wie Nowabo das Kunststück fertig bringen würde, die SPD zu einer geschlossenen Formation zu machen, die sich hinter ihrem Kandidaten für das wichtigste politische Amt aufstellen würde, ohne Streit, den überließen die Sozialdemokraten dem politischen Gegner und der griff kräftig zu, gab die Bühne, auf der man sich öffentlich zoffte, nicht mehr ab für Söder gegen Laschet.
So gelang ein rasanter Aufstieg von knapp 15 Prozent in Umfragen auf über 26 Prozent, zur stärksten Partei, zur Kanzler-Partei. Dass Olaf Scholz dort ist, wo er seit Dezember sitzt, verdankt er vor allem Nowabo und Saskia Esken.Deshalb der Rückblick mit dem Zitat von Jürgen Zurheide, der nicht vergaß, darauf hinzuweisen, dass dieser Nowabo nach dem Wahlsieg bei seiner Absicht blieb, Nein zu sagen, die Führung der SPD anderen zu überlassen. Nowabo kehrte ins Rheinland zurück.
Scholz verdankt ihm viel
Natürlich gehört Olaf Scholz auch zu den Autoren des erwähnten Buches. Vielleicht wäre Scholz unter anderen Umständen nach Düsseldorf gekommen, um Nowabo persönlich alles Gute, Glück und Gesundheit zu wünschen und ihm zu danken für seine Arbeit, von der er ja profitiert hat. Aber die Umstände sind nicht so, die Zeiten schwierig, der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die damit zusammenhängenden Krisen erfordern des Kanzlers Einsatz in Berlin und Reisen in den Nahen Osten, um Gas für Deutschland zu organisieren, Gas, das uns unabhängiger machen soll von Putins Russsland. „Die SPD gewann die Bundestagswahl, wurde stärkste Partei und stellt nach 16 Jahren wieder den Bundeskanzler“, so Scholz in seinem Beitrag. „Die große Geschlossenheit der Partei, die Konzentration auf zentrale Botschaften und die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Führungsspitze waren eine wichtige Voraussetzung für eine äußerst erfolgreiche Wahlkampagne. Wir beiden wissen um Deinen Anteil daran.“ Und Scholz setzt am Ende seines Geburtstagsgrußes noch einen drauf: „Die gesamte SPD ist stolz auf Dich, lieber Norbert, und Dir zu großem Dank verpflichtet.“ Wie wahr.
Hannelore Kraft, die frühere Ministerpräsidentin, die 2010 zusammen mit dem Finanzminister Norbert Walter-Borjans mit einer Minderheitsregierung die Regierung Rüttgers abgelöst hatte, nahm den Titel des Buches auf: Politik für Menschen. Ja, die hat Nowabo stets im Auge gehabt, Politik für Menschen, eine gerechtere Politik, gemeint auch mehr Steuergerechtigkeit, die starken Schultern, die mehr tragen müssten. Norbert habe eine Meisterleistung hingelegt, als er die Partei hinter Olaf Scholz versammelt habe. „Laß von dir hören“, bat sie, „gute sozialdemokratische Menschen“ würden gebraucht, überhaupt gute Menschen, davon gebe es zu wenige. Sie erinnerte an seine Rolle während ihrer Regierungszeit, als er eine klare Kante in der Frage der Steuerhinterziehung gezogen und sich mit der Schweiz und dem deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angelegt hatte. Ob er damals noch in die Schweiz hätte reisen können, ohne drüben von den Behörden festgenommen zu werden?
Dass während der Feierstunde die soziale Frage erörtert wurde, weil die Menschen mit dem kleinen Geldbeutel von den Folgelasten der Krise bei Strom und Gas überfordert sein könnten, von zu hohen Mieten, zu teuren Lebensmitteln, davon die Rede war, dass manche Familien ihre Heizung nicht mehr aufdrehten oder nur noch einen Raum beheizten, weil die Kasse nicht mehr erlaube, das passte zum Geburtstag eines Mannes wie Nowabo, dem solche Fragen immer auf der Seele lagen. Ob der heutige Bundesfinanzminister Lindner(FDP) den Fuß von der Schuldenbremse nehmen würde, um mehr Kredite aufzunehmen für die Zukunft, für Investitionen in die nächsten Jahre, damit weder die privaten noch die Haushalte der Unternehmen pleite gehen? Aktueller können Diskussionen nicht sein.
Sein Lehrmeister Johannes Rau
Der Jubilar- Nowabo möge mir den Begriff verzeihen- stellte sich am Ende den Fragen von Jürgen Zurheide, der die Feierstunde fein und sensibel moderierte. Ja, ihm gehe es gut, er habe ein gutes Gefühl, er jogge weiter, wenngleich er die 8 Kilometer etwas langsamer laufe als früher. Nein, er verzichte auf Ratschläge, da folgte er seinem einstigen Lehrmeister Johannes Rau, dessen Regierungssprecher er mal war. Für Rau galt: Ratschläge können auch Schläge sein. Aber Nowabo räumte ein, er mache sich natürlich weiter Gedanken um die Gerechtigkeit in diesem Land, um die Verteilung von Vermögen, von Geld. Die Schuldenbremse, so würde ich ihn interpretieren, würde einer wie er etwas lockern, weil alles, was der Zukunft diene, auch teils mit Krediten, also Schulden finanziert werden könne. Beispiel: wenn man seinen Kindern ein Haus hinterlasse, könnten darauf auch Schulden liegen. Schließlich erbten die Kinder ja auch ein vieltausendfaches Vermögen.
Am Ende noch ein Blick in die Autorenschaft des Buches: Bärbel Bas ist darunter, die Bundestagspräsidentin, Saskia Esken, Mike Groschek, Minister im Kraft-Kabinett wie Nowabo, Norbert Römer, damaliger Fraktionschef der SPD in NRW, Reiner Hoffmann, Ex-DGB-Chef, Rolf Mützenich, Fraktionschef der SPD im Bund, Kölner wie Nowabo, Gustav-Adolf Horn, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des SPD-Parteivorstands, Leiter des Wirtschaftspolitischen Beirats der Partei, Lars Klingbeil, SPD-Chef, Thomas Kutschaty, SPD-NRW-Chef, Christian Lindner, FDP-Vorsitzender und Bundesfinanzminister, Franz Müntefering, früher SPD-Chef, Bundesminister, Vizekanzler, Bernd Neuendorf, Chef des DFB, Harald Schartau, einst führender IG-Metaller, Minister in Düsseldorf, Wolfgang Schäuble, gerade 80 geworden, einst Bundesfinanzminister und Kontrapunkt von Nowabo im Steuerstreit mit der Schweiz, Ex-CDU-Chef, einstiger Bundestagspräsident, Fritz Schramma, CDU, früherer OB von Köln, Klaus Schrotthofer, Herausgeber der Neuen Westfälischen(NW) in Bielefeld und Thomas Seim, Chefredakteur der NW, Martin Schulz, Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung, vormals SPD-Chef, Präsident des Europa-Parlaments, Träger des Karlspreises, Svenja Schulze, Entwicklungshilfe-Ministerin, Achim Truger, Professor und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Grunde ein Who ist Who der Politik, der SPD, der Gewerkschaften. Einer darf nicht fehlen, weil er zu den Machern des Buches zählt: Martin Murrack, einstiger Mitarbeiter von Nowabo, heute Kämmerer der Stadt Duisburg. Duisburg, erzählte Murrack, sei auf dem besten Weg der Entschuldung.
Respekt. Vor Norbert Walter-Borjans.
Politik für Menschen – der Sozialdemokrat Norbert Walter-Borjans wird 70! Herausgeber: Reiner Hoffmann, Gustav-Adolf Horn, Martin Murrack, Achim Truger & Jürgen Zurheide, Berlin 2022, Epubli. Das Buch ist ab dem 30.9. im Buchhandel erhältlich