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Meine langjährige Beobachtung als früherer Mitherausgebers des Blogs „Nachdenkseiten“ als auch die allgemeine Erfahrung zeigen, dass „Soziale Medien“, aber auch Blogs eine Tendenz zur Aufspaltung der öffentlichen Meinung aufweisen, indem sie einen diskursiven und pluralen öffentlichen Meinungsaustausch in eine Vielzahl von voneinander abgeschlossenen „persönlichen Öffentlichkeiten“ oder in „Gegenöffentlichkeiten“ auseinanderdividieren. Über die Jedermanns-Medien reden zwar viele mit, aber auch ständig aneinander vorbei. Es gibt die berechtigte Sorge, dass im Internet Vertreter unterschiedlicher Meinung nicht mehr aufeinanderstoßen, weil sich homogene Gruppen von Gleichgesinnten, Deutungsgemeinschaften oder Subkulturen bilden, die sich untereinander oder von der sog. Mehrheitsgesellschaft abkapseln. Man spricht zu recht von einem „Echo-Kammer-Effekt“.
Mit dem Begriff virtuelle „Echo-Kammer“ wird beschrieben, dass Informationen, Ideen oder Meinungen innerhalb eines geschlossenen Systems verstärkt und abweichende oder konkurrierende Sichtweisen eher unterbunden werden oder zumindest unterrepräsentiert sind, ja sogar bekämpft werden.
Der „Echo-Kammer“-Effekt ist allerdings nur insoweit der neuen Kommunikationstechnik geschuldet als das Internet einer Vielzahl von Absendern eine Plattform bietet, grundlegend für dieses Phänomen sind vor allem zwei Einflussfaktoren: die menschliche Psyche, nämlich die selektive Wahrnehmung und – neu hinzukommend und massenhaft verstärkend – die Auswahl-Algorithmen der Suchmaschinen und der Internet-Dienste.
Selektive Wahrnehmung
Selektive Wahrnehmung, also der Filter im Kopf ist keineswegs eine Frage mangelnder Bildung oder Intelligenz, sie ist ein Schutzmantel vor der Informationsfülle, die ständig auf uns einströmt. Im sog. Informationszeitalter hat sich die Masse der zugänglichen Daten immens erhöht. Die Individuen verfügen aber weder an unendlich viel intellektuelle Aufnahmekapazität noch an ausreichend viel Zeit. Es ist die Aufmerksamkeitsknappheit die zur Informationsselektion zwingt. Aufmerksamkeit wiederum ist gerade im Netz das wertvollste Gut. Internetdienstanbieter buhlen um Aufmerksamkeit in Form von Zugriffen und „Klicks“ Aufmerksamkeit ist ihre Währung, und als „Aufmerksamkeitshändler“ im Netz lässt sich sehr viel Geld verdienen. Es besteht also ein ökonomischer Anreiz, auf allen nur erdenklichen Wegen Aufmerksamkeit zu erzeugen. In finanzieller Hinsicht ist die Sachlichkeit von Information dabei nicht von Belang. Ein Klick ist ein Klick und lässt sich in Euros und US-Dollar einlösen.
Der „Stammtisch“ – einstmals auf wenige anwesende Zecher begrenzt – kann sich im Netz wie eine Epidemie „viral“ und mit Leichtigkeit und Lichtgeschwindigkeit verbreiten und bleibt – was gleichfalls eine neue Qualität ist – (ohne Gegenwehr) dauerhaft dokumentiert. Die Schweigespirale“, wonach Menschen sich mit ihrer Meinung eher zurückhalten, wenn diese einem vorherrschenden Meinungsklima widerspricht, wird durch die technische Distanz des Internets durchbrochen. „Im Vergleich zum Dorftratsch verstärkt sich im Internet die asymmetrische Kommunikation“ (meint die Medienpädagogin Sabine Schiffer).
Inhaltliche Auseinandersetzungen finden auf Facebook oder Twitter kaum statt (OBS-Studie: Twitter-Euphorie unbegründet – und mehr Mythos als Realität). Über das „liken“ „sharen“ oder „retweeten“, entsteht kein virtueller Raum öffentlicher Beratschlagung. (Siehe Kristina Beer und Saskia Richter von der Arbeitsgruppe „Politik und Internet“ der Universität Hildesheim „Überschätzte Debattenkultur: Soziale Medien in Protestbewegungen“).
Bei Facebook kann man bislang nur sein „Gefällt mir“ und nicht einmal sein Missfallen zum Ausdruck bringen. (Nur ganz vorsichtig testet das Unternehmen auf Facebook Messenger einen „Dislike“-Button)
Das Internet befördert die Entstehung politischer Parallelwelten und negativer Abgrenzung
„Damit ändert sich der demokratische Prozess und das, was wir unter Öffentlichkeit verstehen – sie fragmentiert und schafft sich ab“. (Cathy O`Neil a.a.O.) An die Stelle politischer Auseinandersetzung tritt die Selbstbestätigung von Gleichgesinnten. Es entwickeln sich „homogenisierte Teilöffentlichkeiten“ mit unterschiedlichen Wahrheitsansprüchen (Jasmin Siri)
Es sind Teilöffentlichkeiten, die – anders als es der Piratenpartei vorschwebte – eben keine „liquid democracy“ schaffen, sondern mit ihrer „Eingrenzungslogik“ (Andreas Zielcke) im Gegenteil große Gefahren für den demokratischen Meinungsbildungsprozess mit sich bringen. Man braucht nicht, wie die Internetkritikerin Yvonne Hofstetter gleich das „Ende der Demokratie“ an die Wand malen, aber feststellbar ist, dass das Netz Gesinnungsgemeinschaften fördert und Gruppen in eine Art selbstverstärkenden Meinungsstrudel geraten können. Eine Wir-gegen-die-Haltung kann entstehen, die sogar Hass sähen und einen Nährboden für Radikalisierung bilden kann.
Wie aus Männern hasserfüllte Gotteskrieger werden
Das mag zumindest zum Teil erklären, wie aus jungen Männern über das Internet binnen weniger Monate hasserfüllte Gotteskrieger werden können.
Das Internet dient Vielen als Ventil für Ohnmachtsgefühle, Verlustängste oder unbeantwortete Zukunftsfragen und erlaubt einer lautstarken Minderheit entgrenzte Reaktionen und verbale Entgleisungen (Thomas Leif, Die Zeit v. 31. Dezember 2016).
So sah sich etwa die Neue Züricher Zeitung (NZZ) bemüßigt, ihre Kommentarspalte „umzubauen“. In einer Erklärung hieß es: „Wo früher Leserinnen und Leser kontrovers miteinander diskutiert haben, beschimpfen sie sich immer öfter. Wir werden zunehmend als «Systempresse» oder «Propagandaschleuder» betitelt statt auf inhaltliche Fehler aufmerksam gemacht. In vielen Kommentaren wird nicht mehr Information ausgetauscht, sondern in einer Absolutheit doziert, die andere per se ausschließt.“
Der norwegische Rundfunk lässt Leser Fragen beantworten, bevor sie Artikel kommentieren dürfen.
Das Internet als Sammelpunkt fremdenfeindlicher Hetze
Verstärkt durch die Fluchtbewegungen des letzten Jahres ist eine nicht mehr überschaubare Zahl „sozialer Medien“ zu asozialen Medien verkommen. Das Internet wurde geradezu zu einem Sammelpunkt für fremdenfeindliche Hetze. Der Hass reicht weit über das rechtsextreme Spektrum hinaus. (Johannes Baldauf von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Stiftung wurde nach Amadeu Antonio Kiowa benannt, der 1990 in Ostdeutschland von Neonazis getötet wurde; siehe die Broschüre der Stiftung zum Thema Hate Speech)
Hinter der digitalen Tarnkappe, oft im Schutz der Anonymität werden die Grenzen der strafrechtlich noch zulässigen Meinungsäußerungen massenhaft, oft sogar organisiert überschritten und menschenverachtende Meinungen verbreitet, ohne dass die Betreiber der Dienste (bisher) etwas wirkungsvolles dagegen unternehmen. Man spricht von „empathischer Kurzsichtigkeit“, will sagen, viele Menschen verlieren sobald sie online sind, das Gefühl dafür, welche Wirkung die eigene Äußerung auf das Gegenüber hat. (Petra Grimm) Bisher brauchte man auch keine Konsequenzen zu befürchten.
Rechtsextreme und ausländerfeindliche Hetze im Internet hat dramatisch zugenommen. Jugendschutz.net dokumentierte 2014 über 1.400 rechtslastiger Sites. Die Zahl der „mittels Internet“ begangenen Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen ist 2015 auf 2300 gestiegen; im Jahr davor waren es gerade einmal 500. „Nirgendwo sonst kann in so hoher Zahl offen fremdenfeindliche, antisemitische und islamfeindliche Hetze gefunden werden“ wie im Internet heißt es im Verfassungsschutzbericht 2014 , (S.42).
Rechtsextremistische Straftaten nehmen zu
Parallel zur Zunahme der Hetze ist auch die Gesamtzahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten im Jahr 2015 mit 21.933 und die Zahl der Gewalttaten mit 1.408 gegenüber dem Vorjahr enorm angestiegen. Dies entspricht einem Anstieg der Gewalttaten um 42,2 %. Verbale und körperliche Attacken gehören mittlerweile auch zum Berufsalltag von Journalisten.
Rechtsextreme und Populisten nutzen Soziale Medien gezielt
In den Onlinemedien scheinen sich simple Botschaften, Gerüchte, fingierte Geschichten oder sogar Falschmeldungen besonders leicht zu verbreiten. Das kann sich auf die demokratische Debatte und die politische Meinungsbildung auswirken, selbst wenn haltlose Behauptungen als solche entlarvt werden https://www.bpb.de/apuz/245212/verlorene-wirklichkeit-an-der-schwelle-zur-postfaktischen-demokratie
Der schnelle Aufstieg der AfD wäre in dieser Form ohne das Medium Internet nicht zu erklären. (Meint Justus Bender in seinem Buch „Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland“)
Bei Pegida-Demonstrationen haben sich bisher im Höchstfall zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend sog. „Spaziergänger“ versammelt, die Pegida-Seite auf Facebook hat aktuell jedoch über 200.000 „Likes“. Nimmt man realistischer Weise an, dass diese Seite von vielen Besuchern mit „Freunden“ geteilt wird, so kommt man leicht auf eine halbe Million Menschen, die von dieser rechtspopulistischen Internetpräsenz erreicht wird (Vgl. dazu die Auswertung auf der offiziellen Facebook-Seite von Pegida im Auftrag der Süddeutschen Zeitung.
AfD -Site mit mehr Followern als SPD und CDU zusammen
Die Site der AfD hat über 300.000 Follower, mehr als die SPD (120.000) und die CDU (130.000) zusammen. In Frankreich habe Marine Le Pen die zehnfache Zahl an Followern gegenüber François Hollande (Andreas Zielcke, Süddeutsche Zeitung)
Trump mag in seinem Wahlkampf viele Übertreibungen und sogar glatte Lügen eingesetzt haben, aber eine seiner Aussagen, sollte man wirklich ernst nehmen. Seinen Erfolg verdanke er Facebook und Twitter, mehr noch: „Ich glaube, dass soziale Medien mehr Macht haben als Werbegelder“. Trumps Sprecher Sean Spicer behauptet, dass mehr als 45 Millionen Menschen dem jetzigen Präsidenten in den sozialen Netzwerken folgten. (Siehe Kölner Stadt-Anzeiger v. 3.01.2017, S. 6; Bild 16.01.2017 S. 3; Hillary Clinton hatte angeblich nur 9,9 Millionen Follower https://downloadzdf-a.akamaihd.net/mp4/zdf/16/11/161109_alles_nur_luege_zom/3/161109_alles_nur_luege_zom_476k_p9v13.mp4; amerikanische Forscher bezweifeln allerdings den Einfluss von Social Media auf die US-Wahlen http://web.stanford.edu/~gentzkow/research/fakenews.pdf).
Ob der Einsatz der Datenanalysefirma „Cambridge Analytica“, die auf der Basis von im Netz erhobenen Daten personalisierte bzw. zielgruppenorientierte Werbung anbietet, sich für Trump tatsächlich bezahlt machte oder ob hinter den Aufsehen erregenden Schlagzeilen nur Eigenwerbung der britischen Firmenmanager steht, wird sich erst noch erweisen müssen.
Trumps Wahlkampfstil hat im Internet ein Mittel gefunden
Man liegt aber sicherlich mit der Vermutung nicht ganz falsch, dass Trumps Wahlkampfstil in den sozialen Medien ein besonders geeignetes Kommunikationsmittel gefunden hat. Die Aufnahmebereitschaft für demagogische Parolen scheint groß zu sein. Es galt wohl das Prinzip: „Egal ob Trump die Wahrheit sagt, Hauptsache er hat recht!“ (Siehe die Karikatur von Jan Rieckhoff in der Süddeutschen Zeitung vom 16. 12. 2016, S. 13) Fake News Meldungen auf Facebook oder die Website ETFnews (bekannt durch die Falschmeldung: „Hillary verkaufte Waffen an den IS“) wurden im amerikanischen Wahlkampf beliebter und lösten mehr Interaktionen aus als die Meldungen von New York Times oder Washington Post.
Wie sehr die klassischen Medien geradezu an die Wand gedrängt werden können, das zeigt uns erneut Donald Trump seit seiner Amtsübernahme. Er kann die Journalisten beschimpfen und ihnen ihre Hilflosigkeit demonstrieren, indem er ganz selten Pressekonferenzen einberuft oder Interviews gibt, sondern sich im Wesentlichen über Twitter oder über YouTube-Videos – dem „Trump Transition Video“ – ohne einen „journalistischen Filter“ an die Öffentlichkeit wendet. Und mangels Alternativen, werden diese Botschaften auch von den etablierten Medien aufgegriffen. Originalton Trump: „Die Presse berichtet so unehrlich über mich – so unehrlich -, dass ich mich über Twitter äußere… und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere…“ (Bild-Interveiw vom 16.01.2017, S. 3)
Nicht ganz zu unrecht schreibt Sascha Lobo: spätestens mit Trump müsse man zugeben: „Egal wie plump oder menschenfeindlich es wirkt oder ist – die Rechten haben sehr viel besser verstanden, wie Social Media funktioniert. Und das ist die fatalste Wirkung der sozialen Medien auf Wahlen.“
Auch im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf haben Gesinnungsgenossen von Norbert Hofer massiv Propaganda für den Rechtspopulisten gemacht und Geert Wilders hat bei der Parlamentswahl in den Niederlanden außer über Twitter kaum Wahlkampf gemacht.
„Social-Media-Tools“ als Mittel zur Meinungsmanipulation
Die Tatsache, dass das Internet und Internetdienste Datenlieferanten über die Nutzer sind (die an Hand des Such- und Nutzungsverhaltens besser über einen Bescheid wissen, als man selbst über sich weiß – jedenfalls als man sich bewusst macht), kann eben nicht nur von Waren- oder Dienstleistungsanbietern genutzt werden, sondern auch von Meinungsmachern ganz allgemein und speziell von gesellschaftlichen Interessengruppen und politischen Lagern bzw. Parteien, die bewusst eine politische Agenda voranbringen wollen, ausgebeutet werden.
Das Internet ist so zu einem Einfallstor für Manipulateure und für Meinungsbeeinflusser geworden. Werbetreibende und Propagandaagenturen, senden inzwischen nicht nur einzelne Informationen aus, sondern nutzen sog. „Social-Media-Tools“, um ihre Produkte oder ihre Botschaften im Netz zu verbreiten.
Eine noch ziemlich harmlose Variante einer solchen Stimmungsmache, ist der relativ preiswerte Kauf von „Likes“ auf Facebook. Auch Computerprogramme wie „FaceDominator“ etwa bedienen Facebook-Profile selbsttätig. Sie markieren Seiten mit „Gefällt mir“, fügen Freunde hinzu oder veröffentlichen Beiträge. Das Programm kann anhand von E-Mail-Adressen oder Telefonnummern auch Nutzer auf Facebook finden und diese als Freunde hinzufügen.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook müsste man zwar als Nutzer seinen Klarnamen verwenden. Ein Account mit einem Phantasienamen verstieße danach gegen die Facebook-Regeln, doch das wird nicht konsequent überprüft, Millionen Nutzer sind auf dem Netzwerk unter abgeänderten Namen oder Phantasie-Identitäten unterwegs. (Justus Bender/Marvin Opping in der FAZ)
Massive politische Propaganda
Neben sog. „Trollen“, also psychisch eher problematische Netzteilnehmern, die sich In Diskussionsforen, Newsgroups, Chatrooms, Mailinglisten oder in Blogs einmischen und die Online-Community stören, provozieren, Hass schüren oder in eine bestimmte politische Richtung zu lenken versuchen, sind inzwischen im Internet auch professionelle Trollaktivitäten zu beobachten, die massive politische Propaganda betreiben.
So kann über automatisierte „Trolls“, also von Computern erzeugte künstliche Identitäten (Robots), in Netzwerken wie Twitter oder Facebook massenhafte Zustimmung oder Ablehnung von Meinungen vorgetäuscht werden. Bezahlte Trolle werden inzwischen durch “Social Bots“ oder „Chatbots“ ersetzt. (Siehe dazu auch ZDFzoom „Alles Lüge“)
Emilio Ferrara Alessandro Bessi fanden zu ihrem Erstaunen heraus, das die Nutzer Tweets von „Social Bots“ gleich oft geteilt haben, wie die Tweets „echter“ Menschen. (Psychologie heute 04/2017, S. 37)
Wer die Hashtag-Trends bestimmt, nimmt Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs.
„Bots können gesellschaftliche Debatten durch ihre schiere Masse bestimmen und in eine gewünschte Richtung lenken“, sagt Simon Hegelich, Professor für Political Data Science. Wer Bots verwendet, der will die Öffentlichkeit täuschen, schreiben Justus Bender/Marvin Opping in der FAZ.
Wenn z.B. plötzliche Themen wie #unsereLisa (wonach eine 13-jährige Russlanddeutsche von Flüchtlingen als Sexsklavin missbraucht worden sei) in den Vordergrund rücken, dann liegt das daran, dass sogar hochrangige Politiker wie der russische Außenminister Sergej Lawrow, aber auch Journalisten Social-Media-Trends folgen. Die Manipulateure wissen, dass Politiker als auch Journalisten sich auf die Trendanalysen der sozialen Medien stützen, um herauszufinden, welche Themen die Menschen im Moment bewegen oder wie die Stimmung im Land aussieht.
Ein Netz von Bots und Trollen entlarvt
Das „Social Media Forensics“ Team der Uni Siegen hat ein ganzes Netz an Bots und Trollen entlarvt, das während der Ukraine-Krise täglich massiv Bot-Meldungen verbreitete. Sie konnten an einem Tag etwa 15.000 falsche Twitterprofile bis zu 60.000 gefakte Posts verbreiten.
US-Geheimdienste sollen ein sog. „Persona-Projekt“ in Auftrag gegeben haben, ein Konzept nach dem ein ganzes Heer von Identitäten in Foren, Blogs und sozialen Netzwerken interagieren können und den Eindruck erwecken, als handle es sich um eine große Zahl von Nutzern, die eine bestimmte Meinung vertreten. Der britische Geheimdienst betreibt PR-Arbeit in Internetforen. Auch der selbsternannte „Islamische Staat“ nutzt Bots.
Es wird von israelischen, nordkoreanischen propagandistischen Foren-Trollen oder von russischen „Kreml Troll Armeen“ berichtet. Aus amerikanischen Geheimdienstkreisen wird geraunt, dass Hacker und bezahlte russische „Trollfabriken“ versucht hätten, den US-Wahlkampf zu beeinflussen.
Einfluss auf die US-Wahl?
Ob russische Hacker oder von Russland gesteuerte „Trolls“ oder „Fake-News“ tatsächlich Einfluss auf das Wahlergebnis zugunsten von Trump hatten und ob Putin Trump tatsächlich geholfen hat, wie die FAZ vom 11.12. 2016 unter Bezugnahme auf Berichte amerikanischer Zeitungen mutmaßte
(Siehe Washington Post und New York Times), wird man erst beurteilen können, wenn genauere Angaben über das „Wie“ solcher angeblichen Cyberkampagnen öffentlich werden. Derzeit liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den gegenseitigen Beschuldigungen eher um Ablenkungsmanöver oder Angstmache der jeweiligen Geheimdienste handelt.
Der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz haben im Auftrag der Kanzlerin ein Jahr lang nach eindeutigen Beweisen für politische Einmischung Russlands in Deutschland gesucht, aber – wie es hieß – „keine Smoking Gun gefunden“ (Georg Mascolo, Nicolas Richter)
Zwar haben inzwischen alle Parteien – auch die AfD – erklärt, sie würden im Wahlkampf keine „Social Bots“ einsetzen, doch damit ist keineswegs gesichert, dass Internetaktivisten nicht einzelnen Parteien zurechenbare Kampagnen inszenieren.
So sind etwa bei Facebook eine Reihe von Nutzerprofile aufgefallen, wobei etliche Indizien darauf hinweisen, dass Unterstützer oder Mitglieder der AfD mit den Methoden eines automatisierten Wahlkampfes zu arbeiten begonnen haben (Justus Bender/Marvin Opping). Bislang fehlen die Tools um sicher nachprüfen zu können, ob Bots verwendet werden. Auch darüber welche Effekte Bot-Attacken haben, tappt man noch im Dunkeln.
Das Reddit-Forum „the_schulz“ etwa, in dem sog. Schulz-Memes, also mit Texten versehene Bild, die meist auf humorvolle Weise Botschaften im Netz verbreiten, wird von anonymen Moderatoren und nicht von der SPD selbst betrieben, ist aber de facto eine Form von Wahlwerbung.
Internet wird zur Spielwiese der Reichen
Ganz allgemein meint Lorraine Daston, die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte: „Das Internet wird zur Spielwiese derer, die das meiste Geld haben. Sehen Sie sich Einträge umstrittener Personen auf Wikipedia an. Da schreibt jemand einen Text – und dann wird er umgeschrieben, abgeändert, von jenen Kräften, die ein starkes ideologisches Interesse sowie Zeit und Geld haben. Am Schluss gewinnt die Kraft mit dem meisten Geld oder der größten Sturheit. Das ist weder im Interesse der Öffentlichkeit noch der Wahrheit.“
Bildquelle: Wikipedia, Neelix, gemeinfrei, eigene Bearbeitung durch MP, BdR
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Teil 4: Probleme rechtsstaatlicher Instrumente gegen Hasskommentare
Teil 3: Was tun?
Teil 2: Der Echo-Kammer-Effekt
Teil 1: Vertrauensverlust der etablierten Medien
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