Der Fußballverein, um den es in dieser Geschichte geht, heißt FC Hertha Bonn, gegründet wurde der Klub 1918, also kurz nach Ende des 1.Weltkrieges. Der Verein hat 600 Mitglieder, liegt an der Grenze des Bonner Ortsteils Dottendorf. Der Klub feiert an diesem Tag die Einweihung des Kunstrasens, den die Stadt Bonn bezahlt hat. Kosten 2.2 Millionen Euro. Hoher Besuch hat sich angesagt, neben der Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner(Grüne) ist DFB-Präsident Bernd Neuendorf gekommen, er wohnt in der Nachbarschaft, kennt und schätzt den Verein sehr, weil der sehr aktiv ist. Neuendorf nennt auch gleich den Grund seines Kommens: „Der Amateursport ist das Herz des Fußballs“.
Es stimmt ja: Im Schaufenster stehen die 1. und 2. Bundesliga, wir schauen an jedem Wochenende auf die Spiele von 36 Mannschaften aus den beiden Profiligen. Aber der DFB besteht aus 25000 Mannschaften, gemeint Vereinen, einer davon ist Hertha Bonn, der DFB ist mit 7,7 Millionen Mitgliedern der größte Sportverband der Welt, einer davon ist Hertha Bonn mit den schon erwähnten 600 Mitgliedern. „Wir reden“, sagt Bernd Neundorf in seinem Grußwort an die paar Hundert Fans, die gekommen sind, „über die Infrastruktur und die dortigen Mängel und meinen damit vor allem die Straßen und Brücken. Ich meine aber auch die soziale Infrastruktur, die nicht zu kurz kommen darf. Und dazu zählt der Fußball, dazu gehört ein Verein wie Hertha Bonn“
Fit machen für die Zukunft
Dass die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner gekommen ist, hängt wohl nicht mit den Kommunalwahlen im Herbst zusammen, bei denen auch Frau Dörner sich der Wiederwahl stellt. Sie unterstreicht die Notwendigkeit eines solchen Kunstrasens und betont die Wichtigkeit dieser nicht unerheblichen Investition. „Damit wollen wir die Stadt und ihre Menschen, und eben einen solchen Fußballverein fit für die Zukunft machen:“ Wer selber mal Fußball gespielt hat, weiß, wie das früher auf den Ascheplätzen war, die oft nach schweren Regenfällen unbespielbar waren, im Winter gefroren. Wehe, wenn man auf den Boden fiel, weil man gefoult wurde oder ausrutschte. Dann war die Haut ab, man blutete, der Dreck musste aus der Wunde gewaschen werden, ein Pflaster sorgte dafür, dass man weiterspielen konnte.
Als ich die OB vor der Einweihung traf und sie meinen Enkel Florian begrüßte, erklärte ich dazu ein wenig im Scherz: er sei der begabteste Nachwuchsspieler im ganzen DFB. Katja Dörner konterte sofort mit ihrem offensichtlich mindestens ebenso ball-begabten Sohn. Fit für die Zukunft. Und natürlich ist es besser, wenn die Kinder und Jugendlichen so oft sie mögen, hinter dem Ball herlaufen als unentwegt auf ihr Smartphone zu blicken und zu spielen. Ein Kunstrasen ermöglicht, dass man ein Spiel oder ein Training zumindest wegen schlechten Wetters nicht ausfallen lassen muss.
Dass der in Dottendorf verlegte Kunstrasen 60 Prozent Bio-Kunststoff ist(Pardon, wenn der Begriff nicht ganz korrekt sein sollte), hob die Grünen-Oberbürgermeisterin hervor und fügte hinzu, dass man mit diesem Projekt auch der Forderung nachgekommen sei, etwas für die Nachhaltigkeit zu tun.
Kleiner Verein im Zentrum
Ein kleiner Verein an diesem Vormittag im Zentrum einer Veranstaltung in der ehemaligen Bundeshauptstadt und er wurde gelobt für all seine Aktivitäten. Frau Dörner stellte heraus, dass bei Hertha Bonn die Inklusion gelebt werde, Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen können hier gezielt Sport treiben. Integration ist hier bei Hertha kein Fremdwort, sie wird gelebt, die Integration von Geflüchteten, von Ausländern. „Sie sind hier beheimatet“, sagte Katja Dörner.
Und wer das Treiben auf dem Kunstrasen beobachtete, konnte sehen, dass Hertha Bonn ein bunter Verein ist. So ist das im Sport und auch im Fußball, die Herkunft spielt keine Rolle, nicht die Religion, die Hautfarbe, es interessier nicht, ob jemand reich ist oder arm, Junge oder Mädchen. Frauen spielen Fußball, selbstverständlich, auch hier bei Hertha.
Ein Punkt, der besondere Erwähnung fand, war, dass das Projekt Kunstrasen hier pünktlich fertig geworden sei, es sei in derselben Wahlperiode begonnen und eingeweiht worden. Dass es so etwas noch gibt. Man denke an die unfertigen Projekte in der ganzen Republik, die viele Jahre dauerten, die das doppelte und dreifacher kosteten als geplant, man muss nicht nach Berlin schauen(Flughafen) um Beispiele zu erwähnen oder nach Hamburg(Elb-Philharmoníe) oder München(2. Stammstrecke U-Bahn). In Bonn fällt mir die Beethovenhalle ein, die Ende dieses Jahres endlich fertig werden soll. Weiß noch jemand, wann man mit den Sanierungs-Umbau-Renovierungs-Arbeiten begonnen hatte, wie hoch damals die Kosten waren? Schwamm drüber, der Kunstrasen-Platz von Hertha Bonn ist jedenfalls pünktlich übergeben worden, weil, wie es der Vorsitzende des Vereins, Holger Roggendorf in seiner Dankesrede mehrfach betonte, alle mitgemacht, alle an einem Strick gezogen hatten. Weil sie in den Erfolg verliebt waren, wie es oft heißt. Und Roggendorf betonte wohl zu Recht, dass sich sein Verein diese Investition verdient habe. „Wir machen mehr als Fußball, eben Inklusion und Integration, wir kümmern uns um unsere Nachbarschaft, um die Jugendarbeit, um Walking Football, also Geh-Fußball, damit man bewegt älter werden kann.“
Ballverrückt sind sie, wie sie sich selber beschreiben auf ihrer Internet-Plattform, der Klub steht für Offenheit, Teamgeist, Toleranz. Ja, das ist wichtig in Zeiten, wo bestimmte Parteien ihren Rassenhass und ihre Fremdenfeindlichkeit pflegen und versuchen, die Gesellschaft mit ihrem Gift zu spalten. Der Klub wird hier im Blog-der-Republik auch stellvertretend für all die andere kleinen Fußballvereine von Nord bis Süd und von West bis Ost erwähnt, die nicht dauernd im Fernsehen zu bewundern sind, deren Arbeit für unsere Gesellschaft aber unbezahlbar ist. Katja Dörner sprach darüber, Bernd Neuendorf unterstrich diese wichtige Rolle des Fußballs, gerade des Amateurfußballs.
Auch ein Weltstar begann als Amateur
Und haben nicht alle als Amateure angefangen? Rudi Völler zum Beispiel. Der am 13. April 65 Jahre alt werdende Welt-Star begann seine Kicker-Laufbahn in der Schüler-Mannschaft von TSV 1860 Hanau. Dort wurde er entdeckt von einem gewissen Hermann Nuber(Kickers Offenbach). Der, eine Legende auf dem Bieberer Berg(dort sind die Kickers zu Hause) holte ihn nach Offenbach, von dort wechselte er zu 1860 München, zog weiter zu Werder Bremen, dann zum AS Rom, später zu Olympique Marseille und schließlich zu Bayer Leverkusen. Heute ist Völler, der als Mittelstürmer 80 mal in der deutschen Nationalmannschaft spielte, Weltmeister war 1990 in Rom unter dem Teamchef Franz Beckenbauer, Sportdirektor des DFB unter dem Präsidenten Bernd Neuendorf, der sich glücklich schätzt, dass dieser Völler seine Rentner-Pläne noch ein wenig aufschiebt und weiter für den DFB als Sportdirektor arbeitet.
Mit Ihrem Artikel über den Amateurfußball haben Sie viele Erinnerungen in mir wachgerufen. Auch ich begann meine „Fußballerlaufbahn“ in einem kleinen Dorfverein. Ich war 9 Jahre alt; es war das denkwürdige Jahr 1954. Zu allem Unglück wurde ich damals durch die Arbeiterwohlfahrt nach Bad Sazdetfurth „verschickt“. Die schlimmste Strafe bestand darin, dass wir nicht Fußball spielen durften. Wir sollten zunehmen! Ich verpasste dann auch noch die WM 1954; erst zum Endspiel war ich wieder zu Hause und wir hörten auf einem Transistor-Radio in der Küche die unnachahmliche Reportage von Herbert Zimmermann. Fernsehen gab es erst zur WM 1958.
Für Jungen meiner Herkunft war der Fußball – im Unterschied zur Schule – eine „Anerkennungsquelle“. Das war beim Spiel auf der Straße so, und dann auch im Verein. Ich absovierte alle Jugendmannschaften und landete dann mit 18 Jahren in der 1. Mannschaft von Kickers Emden (damals noch Amateur-Oberliga; heute Regionalliga Nord). Wegen des Ortswechsels wegen meines 2. Bildungsweges musste ich Emden verlassen und spielte fortan nur noch in unteren Ligen. Gleichwohl habe ich immer mit großer Leidenschaft gespielt, auch mit 40 Jahren noch in einer Freizeitmannschaft in Köln-Deutz.
Ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass der Fußball ‚identitätsstiftend’ für mich war. Das Training, der Wille, sein Bestes zu geben, ja auch: zu gewinnen, das hat einen doch geprägt. Ohne die Möglichkeit, in einer Amateurmannschaft zu spielen, wären mir viele schöne Erlebnisse entgangen.