Russland startete seinen Krieg in der Ukraine am 24. Februar 2022. Während der ersten Wochen der militärischen Auseinandersetzung verhandelten beide Kriegsparteien parallel über eine Beendigung. Das war beidseits professionell, der Einsatz von Gewalt ist eben lediglich ein Mittel der Politik. Nach fünf Wochen, Ende März 2022, hatten die Unterhändler beider Seiten einen in etwa unterschriftsreifen Vertragsentwurf vorgelegt. Die Führung der Ukraine hatte sich zu entscheiden: Kompromisse eingehen und die Kampfhandlungen einstellen – oder auf Dauer weiterkämpfen, mit ungewissen Aussichten und absehbar hohen Opferzahlen.
Präsident Selenskyj besprach sich mit seinen angelsächsischen Partnern. Der Vertragsentwurf sah auch Sicherheitszusagen westlicher Staaten vor. Die Angelsachsen erklärten: Wir unterschreiben keine Vereinbarung, auf der sich die Unterschrift von Präsident Putin findet. Wir sagen Euch aber langfristige Unterstützung zu, in Aufklärungsdaten, Waffen und Geld.
Daraufhin hat Präsident Selenskyj für den Kampf auf Dauer entschieden. Das ist nun zwei Jahre her. In dieser Zeit hat der Westen die Ukraine mit rd. 100 Mrd. € pro Jahr unterstützt, etwa die Hälfte für Waffen und die andere Hälfte zur Unterstützung qua Haushaltsmitteln. Die Hauptlast teilten sich die USA und die EU.
Wenig wahrgenommen, und doch entscheidend: In den letzten Monaten des Jahres 2023 sind die USA aus dieser Zusage ausgestiegen. Unter dem Einfluss von Trump auf die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist der US- Kongress nicht mehr in der Lage, die weiterhin bestehende Mehrheit für eine weitere Unterstützung der Ukraine in einen Haushaltsmittel-Entschluss zu überführen. Präsident Biden hat das akzeptiert und hat daraus die bittere Konsequenz gezogen. Er hat für sein Land die Hilfsbereitschaft von ursprünglich „as long as it takes“ abgemeiert auf „as long as we can“ – dass die USA nicht mehr können, ist offenbar. Er hat überdies die Größe besessen, diesen dramatischen Positionswechsel dem Präsidenten der Ukraine bei dessen letzten Besuch in Washington kurz vor Weihnachten persönlich ins Gesicht zu sagen. Letztlich ist es ein Verbündeten-Verrat.
Die Bedeutung dieser Entscheidung übersetzt in den Ablauf des analogen Vorgangs in Afghanistan: Mit dem Doha-Abkommen, welches Präsident Trump unter Ausschluss aller Alliierten mit den Taliban alleine verhandelt und geschlossen hat, ist Entsprechendes auf die Schiene gesetzt worden.
In Europa wird der Positionswechsel der USA nicht zur Kenntnis genommen – die hiesigen Medien tun so, als ob die westliche Solidaritäts-Formel von Ende März 2022 auch für die USA noch gelte und die zugesagten Ukraine-Mittel in Höhe von 60 Mrd. $ nur temporär blockiert seien. Die Europäer stehen unbeirrt weiterhin zur Formel „solange es braucht“.
Die Ukraine aber benötigt vom Westen doch nicht weniger Waffen und Haushaltsmittel, nur weil die USA ausgefallen sind. Wenn die Europäer wirklich zu der Formel „solange es braucht“ stehen wollten, so müssten sie den Wegfall der US-Mittel ausgleichen. Das aber tun sie nicht.
Sie erwägen es nicht einmal, zumindest nicht offen. Die Forderung der estnischen Ministerpräsidentin Kallas, dass jedes EU-Mitglied mindestens 0,25% des BIP pro Jahr für die Ukraine-Unterstützung beisteuert, impliziert eine Größenordnung, dass die Europäer faktisch den USA-Ausfall für sich übernehmen. Doch das wird nicht im Klartext kommuniziert, auch wenn Bundeskanzler Scholz sich positiv dazu geäußert hat.
Auch die Europäer sehen sich in ihren Finanzierungsmöglichkeiten eben arg beschränkt. Der gerade angestoßene Zugriff auf Zinserträge aus den beschlagnahmten Devisen der Russischen Zentralbank[3] ist ein Zugriff lediglich auf peanuts. Systematisch hinreichende Optionen sind allein eine Kreditaufnahme der EU in der Größenordnung von 100 Mrd. €/a oder der Zugriff auf das volle Devisenvolumen der Russischen Zentralbank in Höhe von gut 200 Mrd. € – das würde für zwei Jahre reichen.
Doch diese beiden Optionen werden von den Europäern nur mit sehr spitzen Fingern angefasst. Die beredten Taurus-Fürsprecher in Deutschland äußern sich dazu gar nicht. Die CDU/CSU sowie die FDP haben entschieden, es im deutschen Wahlkampf zum Europäischen Parlament jeweils mal mit einer Betonung des Bellizismus zu versuchen – das geht bis zur Forderung der meeresfernen CSU/CDU, europäische Flugzeugträger zu bauen. Die zusagentreue Finanzierung der Ukraine fehlt im Forderungskatalog.
Aus all der „Viertelherzigkeit“ ist nach meiner Wahrnehmung und meinen Rechenkünsten nur ein Schluss möglich:
Der „Afghanistan-Moment“ droht diesmal, im Krieg um die Ukraine, bereits nach nicht einmal zweieinhalb Jahren einzutreten.
Mit Afghanistan kann man das m.E. nicht wirklich vergleichen. Der Spruch „Unsere Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt“ wurde ja häufig eher zynisch kommentiert. Ist ja wahrlich weit weg!
Die Ukraine ist verglichen damit nächste Nachbarschaft, mittlerweile EU-Beitrittskandidat, bekommt nicht nur militärische, sondern auch massenhaft zivile Unterstützung, 1.110.855 Ukrainische Kriegsflüchtlinge kamen zu uns (Stand 16.3.24). Soll das alles umsonst gewesen sein? Und nach wie vor stellt sich doch die Frage: Kann man das einfach hinnehmen, dass ein Staat den anderen überfällt und ihm seine Legitimität abspricht?
Ich hätte auch lieber Frieden, keine Frage! Aber wäre ein „Diktatfrieden“ von Putin wirklich Frieden?
Aha. Was ist Ihnen lieber Claudia:1000+ tote Ukrainer pro Tag und trotzdem oder eine alte Formulierung, die schon die Nazis benutzten, um den 2. Weltkrieg zu entfesseln? Es ist vorbei und es geht nicht darum, was wer im Westen will. Im Krieg gibt es nur einen Maßstab und das ist die Lage auf dem Schlachtfeld. Alles andere ist Wunschdenken. Viel zu lange haben sich diese hirnverbrannten verdammten Narren im Westen die Ukrainer zur Schlachtbank getrieben.