Der richtige Umgang mit China ist seit langem umstritten; die Suche nach der angemessenen Balance wird durch den russischen Krieg gegen die Ukraine zusätzlich erschwert. Im Austarieren von wirtschaftlichen Interessen und moralischen Bedingungen schlägt das Pendel mal mehr, mal weniger, aber doch beharrlich zugunsten der Wirtschaftsbeziehungen aus.
Die zahlreichen Staatsbesuche dieser Tage in Peking spiegeln die komfortable Rolle der autoritären Führung Chinas wider, das sich nach einem atemberaubenden wirtschaftlichen Aufschwung anschickt, in den kommenden 25 Jahren auch politisch und militärisch zur Weltmacht aufzusteigen.
Die USA sehen darin eine Bedrohung ihrer eigenen Position; in anderen Weltregionen überlegt man noch, wie man sich am besten positioniert. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat mit seinem Hinweis auf eine von den USA unabhängige Rolle Europas die Konfliktlage offen angesprochen. Verbündete seien keine Vasallen, sagte er. Doch dieser Zungenschlag gefiel längst nicht allen Europäern.
Der Westen hat keine gemeinsame Haltung zu China, auch in Europa gehen die Meinungen auseinander und selbst innerhalb der Bundesregierung ist ein Streit über die neue China-Strategie entbrannt. Die ist zwar noch in Arbeit und wie genau sie auf die komplexen Beziehungen in der veränderten Weltlage eingehen wird, weiß niemand. Am Ende muss es aber eine Antwort auf die entscheidende Frage geben: mit oder gegen China? Und da sollte mit Blick auf eine friedliche Welt und die Bewältigung der globalen Herausforderungen klar sein: Das Denken im Freund-Feind-Schema führt geradewegs in eine Sackgasse.
Aus dem Konservativen Seeheimer Kreis der SPD-Fraktion kommen nun Warnungen vor einer deutschen Anti-China-Strategie. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vorigen Herbst nach China reiste, rümpften die Grünen ihrerseits die Nase. Es behagte ihnen nicht, dass der Regierungschef just in dem Moment in Peking vorstellig wurde, da Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Machtposition vom Nationalen Volkskongress hatte verfestigen lassen. Nun hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Gelegenheit, selbst zu zeigen, wie sie sich die China-Diplomatie vorstellt.
Sie fand durchaus deutliche Worte, sie machte sich für die universellen Menschenrechte stark, warb auch für mehr chinesischen Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, um den Ukrainekrieg zu stoppen, sie malte die weltwirtschaftlichen Verheerungen einer Schließung der Straße von Taiwan aus und musste doch hinnehmen, dass sie in der chinesischen Führung nicht als ernstzunehmende Gesprächspartnerin angesehen wird.
Außenminister Qin Gang beschied sie, man brauche keinen Lehrmeister aus dem Westen und wies die Kritik an der Verfolgung der muslimischen Uiguren standardmäßig zurück. Zum Ukrainekrieg berief er sich auf die neutrale Haltung seines Landes, während zugleich die bevorstehende Reise von Verteidigungsminister Li Shangfu nach Russland angekündigt wurde. Schließlich gab es immerhin die Zusage, China werde Russland keine Waffen liefern. Aber für eine Erfolgsbilanz der Reise ist das wohl doch zu dürftig.
Denn unverkennbar hat der Ukrainekrieg eine Annäherung von Russland und China bewirkt und der Welt die Gefahren wirtschaftlicher Abhängigkeiten vor Augen geführt; hier von Öl und Erdgas, den Energien der Vergangenheit, da von Halbleitern und seltenen Erden, den begehrten Ressourcen der Zukunft. De-risking lautet das neue Schlagwort, das eine Minderung der Risiken zum Ausdruck bringt. Anders als Decoupling, das eine völlige Entkopplung meint.
Wie die Balance zwischen beiden ausfällt, wird sich nicht zuletzt am Umgang mit der kritischen Infrastruktur zeigen, dem chinesischen Einfluss auf den Hamburger Hafen etwa, oder bei Kooperationen mit der neuen Seidenstraße. Chinas Ambitionen, sich über Unternehmensbeteiligungen und Infrastrukturprojekte weltweit wirtschaftlichen Einfluss zu verschaffen, sind ja nicht neu und insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent seit langem zu beobachten.
Letzten Endes läuft es auf die Frage hinaus, wie sich wirtschaftliche Macht in politischer Verantwortung ausdrückt. Chinas so genannter Friedensplan für die Ukraine war dafür gewiss kein gelungenes Beispiel, und dennoch beinhalten die zwölf Punkte einzelne Aussagen, an die sich anknüpfen ließe.
Aus der Sicht der zunehmend unter Druck geratenden westlichen Demokratien mag es naheliegend sein, China zum Systemrivalen und das Konzept vom Wandel durch Handel für gescheitert zu erklären. Was daraus jedoch für die internationale Zusammenarbeit und für die Vereinten Nationen folgt, darauf hat Baerbock in Peking nicht nur keine Antwort bekommen, sie hat auch selbst keine gegeben.
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