Seit die düsteren Fantasien Rechtsextremer und mitunter AfD-naher Politiker durch die Berichte über das Potsdamer Geheimtreffen bekannt geworden sind, haben deutschlandweit bereits hunderttausende Menschen lautstark gegen Rechtsextremismus und für die Einhaltung unserer Demokratie demonstriert. In München wurde vergangenen Sonntag eine Großdemo wegen des zu hohen Andrangs abgebrochen, Veranstalter sprachen von 250 000 Teilnehmern.
Aus weiten Teilen der politischen Reihen gibt es Zuspruch. So lobte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang die Demonstrierenden beim vergangenen Grünen-Parteitag in Potsdam und auch aus der politischen Mitte heraus solidarisiert man sich mit den Demonstrierenden. So teilt CDU-Chef Friedrich Merz mit: „Die ‚schweigende‘ Mehrheit erhebt ihre Stimme und zeigt, dass sie in einem Land leben möchte, das weltoffen und frei ist“. – Etwas doppelzüngig, bedenkt man, dass Merz in der jüngsten Vergangenheit doch vor allem durch die Übernahme von populistischem AfD-Sprech aufgefallen war.
Für den Schutz unserer Demokratie ist keine Kundgebung zu viel, aber dennoch: Sind wir denn wirklich überrascht über die Bekanntmachungen zum Geheimtreffen und rechte Umsturzfantasien? Erwiesen unsere Politiker*innen und Leitmedien den Rechten nicht längst einen Bärendienst, indem sie die inhaltliche Konfrontation mit der AfD weitestgehend vermieden haben? Verließen sich die etablierten Parteien stattdessen nicht allzu sehr auf eine Hau-drauf-Strategie?
Dabei wäre eine sachliche Auseinandersetzung mit der AfD wohl weitaus zielführender, denn der Blick ins Parteiprogramm der AfD bietet genügend Angriffsfläche. Heute müssen wir erleben, wie unsere Regierung sich dem Druck von rechts beugt und sich diesem inhaltlich anzunähern scheint.
„Wir müssen in großem Stil abschieben“, hieß es noch Ende Oktober vergangenen Jahres durch Bundeskanzler Olaf Scholz.
– Die Folge ist offenbar, dass jetzt Êzid*innen in den Irak abgeschoben worden sind, obwohl der Bundestag längst festgestellt hat, dass ihnen dort ein Völkermord droht. Das ist nicht nur inhuman, es wird der SPD und den Grünen noch weitere Wähler kosten.
Laut der Statistik sind fast 50% der Bevölkerung „gar nicht zufrieden“ mit der jetzigen Regierung, nur rund 16% bezeichnen sich als „zufrieden“. (infratest dimap) – Alarmierend, bedenkt man dass die AfD im Wahltrend zur Bundestagswahl auf über 20% kommt. (Dawum-Trend) Das Vertrauen in unsere Bundesregierung schwindet stetig, umso dringlicher erscheint eine sachliche Auseinandersetzung mit der AfD, alles andere befeuert bloß das Misstrauen in Teilen der Bevölkerung und spielt der AfD in die Karten.
Es geht nicht darum, Rechtsextremen und Demokratiefeinden eine Plattform zu bieten, sondern ihnen nach allen Regeln unserer vom offenen Diskurs geprägten Demokratie inhaltlich zu begegnen. Im Nachhinein lässt sich immer noch über ein Verbot diskutieren, vorher täten die etablierten Parteien jedoch gut daran, ihre Wähler*innen zu erreichen.
Zum Autor: Oltan Morina ist ausgebildeter Theaterschauspieler und seit 2024 angehender Student der Sozialarbeit mit Schwerpunkt in der Jugendhilfe. Geboren in Oberhausen im Ruhrgebiet in eine (kosovo-)albanische Einwandererfamilie, begann er das Schreiben bereits in der Jugend. Heute lebt und arbeitet Morina in Bonn.