Vor zwei Jahren reisten wir durch Polen, besuchten Warschau, Danzig, die Masuren, ein schönes Land, das sechstgrößte in der EU, Deutschlands Nachbar im Osten. Unsere Reiseleiterin war eine engagierte Kämpferin für Demokratie und Freiheit in Polen, für eine unabhängige Justiz, unabhängig von der polnischen PIS-Regierung. Sie führte uns zu den Zelten vor dem Justizministerium in Warschau. Dort übernachteten die Demonstranten gegen die Regierung und für eine unabängige Justiz, für Malgorzata Gersdorf, die Präsidentin des Obersten Gerichts in Polen. Ihr wollten die neuen Machthaber- an der Spitze PIS- Chef Jaroslaw Kaczynski- den Stuhl vor die Tür setzen, indem sie das Pensionsalter für Juristen einfach von 67 auf 65 runtersetzten. So einfach kann das gehen, wenn man Mehrheiten hat und Rechte außer Kraft setzen will, die einem nicht passen. Wenn man unliebsame, unbequeme Richter loswerden wil. Aber Frau Gersdorf ist eine unbeugsame, furchtlose Persönlichkeit, der das nicht imponierte,, sie blieb im Amt, ging täglich in ihr Büro und klagte gegen das Unrecht. Und siehe da: der EUGH, der Euopäische Gerichtshof gab ihr Recht, Warschau musste klein beigeben. Der Rechtsstaat hat in diesem Fall in Polen gesiegt.
Was für eine Frau! In Bonn wurde ihr wegen ihres aufrechten Ganges, ihres Einsatzes für wichtigste demokratische Grundsätze, der Demokratiepreis verliehen. Sieben Mal wurde dieser Preis bisher vergeben, Frau Gersdorf befindet sich in bester Gesellschaft. Zur Erinnerung: der erste Preisträger war 2009 Vaclav Havel, einst Dissident in der CSSR während des Prager Frühlings, einer der Gründer der Charta 77, aktiv beteiligt am Zustandekommen des „Komitees für die Verteidigung zu Unrecht Verfolgter“, später dann der Staatspräsident des Landes. Ich habe ihn erlebt, als ich Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf einer Reise durch die CSSR als Journalist begleiten durfte. Eine wirklich große Person der Zeitgeschichte, ein Mann mit moralischer Autorität, mit Ausstrahlung. Ihm gelang es, Gorbatschow dazu zu bewegen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das dem Land die Souveränität sicherte und dazu führte, dass die sowjetischen Truppen das Land verließen. Ich erwähne das, weil „Gorbi“ auch in Deutschland vieles bewegt hat. Dass bei uns die Mauer fiel, ist sicher dem Einsatz der Bürgerrechtler in der damaligen DDR zuzuschreiben, aber dass er das zuließ und die Panzer sowie die Soldaten der Roten Armee-in der DDR war eine halbe Millionn stationiert- in den Kasernen beließ und kein Schuß fiel, das ist wohl sein Verdienst.
Katharina Barley(SPD), frühere Bundesjustizministerin und heutige Vizepräsidentin des Europa-Parlaments, würdigte die Rolle von Frau Gersdorf als Laudatorin der Preisträgerin. Natürlich, könnte man dazwischen rufen, ist Europa nicht nur eine Wirtschafts-Gemeinschaft, sondern eine Wertegemeinschaft, die EU soll eine Rechts-Gemeinschaft sein. Werte wie Demokratie, Freiheit, Pressefreiheit, freie und unabhängige Justiz sind wesentliche Bestandteile eines freien Europas. Wer hätte die oberste polnische Richterin besser würdigen können als die einstige Justizministerin, die heute im europäischen Parlament sitzt und auch dort über die Einhaltung europäischer Werte wacht. Frau Barley wies daraufhin, dass die europäischen Richter dies bei der Bewertung der polnischen Regierung und der Klagen genauso gesehen hätten wie sie selbst. Aber die Richter hätten nicht nur die Verletzung der gerichtlichen Unabhängigkeit gestört, sondern auch die mit der geplanten Zwangs-Pensionierung verbundene Alters-Diskriminierung.
Mitglied der Solidarnosc
Malgorzata Gersdorf schilderte in bewegten Worten ihren unermüdlichen Kampf für die Demokratie und eine unabhägnge Justiz in Polen. Die PIS-Regierung wollte ja nicht nur sie aus em Amt entfernen, sondern auch andere unliebsame Juristen. Ziel sei eine Justiz mit Richtern, die der PIS zugeneigt seien. Kritiker dagegen wurden mit einer üblen Kampagne übersät, ihre Autorität mit Beschimpfungen wie „Schweine“ untergraben, die Gerichtsbarkeit sollte systematisch zerstört werden. Dass der Hinweis der PIS-Regierung nicht greift, man wolle doch in Warschau nur das tun, was man in Deutschland nach der Einheit und der Auflösung der DDR auch getan habe, nämlich Kommunisten aus den Staatsämtern und der Justiz zu entfernen, dazu muss man man Malgorzata Gersdorf nicht zitieren. Sie war Mitglied der Solidanosc um den Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der sich ebenfalls Attacken der PIS-Partei ausgesetzt sieht.
Bonn und der Internationale Demokratie-Preis, zum siebten Mal verliehen, dieses Mal im einstigen Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg hoch über Bonn, was heute ein Grand Hotel ist. Verliehen wird er alle zwei Jahre, Mitglieder und Träger sind Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien. Der Vorsitzende Dr. Ansgar Burghof, hauptamtlich Direktor des Gustav-Stresemann-Instituts in Bonn, sieht den Preis in einer Reihe mit anderen wichtigen Auszeichnungen in NRW, wie den Karlspreis in Aachen und den Friedenspreis in Münster. Ziel sei, den Preis jährlich zu vergeben, was aber bisher an den finanziellen Mitteln gescheitert sei.
Warum in Bonn, könnte man fragen. Die Antwort müsste lauten: Wo denn sonst. Hier steht die Wiege der Demokratie, hier trat der Parlamentarische Rat zusammen, hier wurde das Grundgesetz vor 70 Jahren beschlossen und verkündet, mit den wichtigen Grundrechten wie einer unabhängigen Justiz, der die Politik nicht reinreden und ihr keine Fesseln anlegen kann. Die Politik müsse manches Urteil aus Karlsruhe hinnehmen, auch wenn das nicht jedem gefalle, erläuterte Friedhelm Ost, Vorsitzender des Kuratoriums und selber einige Jahre Mitglied des Bundestages, in seiner Rede. Die unabhängige Justiz, die Gewaltenteilung gehöre nun mal zum Kernbestand der Demokratie. Es werde Recht gesprochen, ohne dass die Politik da eingreifen dürfe. Ost würdigte Frau Gersdorf als eine Art Jeanne d´Arc, die furchtlos gegen die Mächtigen aufgestanden sei, um denen die Stirn zu bieten,die den Rechtstaat abschaffen wollten.
Demokratie braucht Demokraten, das hat vor kurzerm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont. Friedhelm Ost und Ansgar Burghof lehnten sich offensichtlich an die Rede des Bundespräsidenten an, als sie darauf hingewiesen, dass die beste deutsche Demokratie, die wir heute haben, nicht gottgegeben sei. Gerade heute werde sie von Rechtsextremisten in Frage gestellt. Das dürfe man nicht zulassen, sondern müsse leidenschaftlich für das Erreichte eintreten. Gerade in Bonn, wo alles begann, wo das Fundament gelegt wurde, auf dem heute die Berliner Republik fußt. Gerade in diesen Tagen darf man, muss man darauf verweisen. Vor 30 Jahren, am 9. November 1989 fiel die Mauer, die Polen spielten mit ihrer Solidarnosc-Bewegung dabei eine wichtige Rolle. Der 9. November ist aber auch der Tag, an dem 1938 die Nazis Hunderte von Synagogen in Deutschland und Österreich anzündeten, Juden wurden willkürlich verhaftet, verprügelt, ermordet, es gab keine unabhängige Justiz mehr in Nazi-Deutschland, keine Pressefreiheit. Der Demokratie-Preis an die polnische Richterin Malgorzata Gersdorf steht für die Forderung: Nie wieder! Nie wieder dürfen wir zulassen und tatenlos zusehen, wie eine Demokratie kaputt gemacht wird.Ansgar Burghof wurde grundsätzlich in seiner Rede, in der er vom Schicksalstag der Deutschen sprach und davon: „bei allem Stolz auf das Erreichte gerade hier in Bonn müssen wir aufpassen. Es ist etwas ins Rutschen gekommen. Die Demokratie-Feinde leben mitten unter uns. Es ist ein schleichender Prozess. Seien wir wachsam“, rief er.
Die Preisträgerin lobte im abschließenden Interview die „wunderschöne Stadt Bonn“, die sie schon mal vor Jahren kennengelernt hatte, sie lobte Deutschland, unsere Demokratie, den Rechtstaat. Ihre eigene Rolle in Polen wollte sie etwas bescheidener sehen. „Ich habe ein dickes Fell. Und im übrigen können sie mir nichts. Wenn sie mich rausschmeißen, gehe ich zur Uni und arbeite als Professorin weiter, Ich bewundere die jungen Leute, ihren Mut, für eine unabängige Justiz, für Pressefreiheit in Polen zu demonstrieren.“ Ihren Kampf werde sie fortsetzen, kündigte sie an, schließlich habe sie einen Eid geschworen, für Recht und Gesetz einzustehen. Und: „Der Mensch muss sich ins Gesicht sehen können, dann ist es gut.“