Die AfD ist eine verfassungswidrige Partei. Da sind sich nahezu alle Demokraten im Bundestag einig. Ein paar Dutzend Abgeordnete, an der Spitze der CDU-Parlamentarier und ehemalige Ost-Beauftragte der Regierung, Marco Wanderwitz, wollen die AfD durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verbieten lassen. Sie haben einen Antrag gestellt, der in den Fraktionen diskutiert werden soll. Es braucht fünf Prozent der Mandatsträger im Deutschen Bundestag, damit er auf die Tagesordnung kommt und das Parlament darüber abstimmen kann, also mindestens 37 Abgeordnete. Aus der CDU sind lediglich sieben Politiker dafür, die Linke und die Grünen wohl in ihrer Mehrheit für ein Verbot, die Fraktionsspitze der Union ist strikt dagegen, man müsse die AfD politisch bekämpfen. Das BSW lehnt den Antrag ab, während führende Sozialdemokraten den Vorstoß für verfrüht halten. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich weist auf die Voraussetzung der Staatsfreiheit hin, heißt, V-Leute, die AfD-Politiker bespitzeln, müssen zeitnah abgezogen werden.
Ein Verbot einer Partei ist ein weiter Weg, die Hürden dafür sind sehr hoch. In der Geschichte der Bundesrepublik wurden bisher zwei Parteien verboten: die KPD und die SRP. Beide verschwanden aus der Öffentlichkeit. Voraussetzung für ein Prüfverfahren durch Karlsruhe ist ein Antrag aus dem Bundestag, dem Bundesrat oder durch die Bundesregierung. Eine Petition mit 850000 Unterschriften, organisiert durch die Gruppe „Volksverpetzer“ und „Omas gegen Rechts“, unterstützt das Vorgehen der Gruppe um Wanderwitz, Carmen Wegge(SPD), den Grünen-Abgeordneten Till Steffen und die Linken-Parlamentarier Martina Renner. Vor dem Reichstag demonstrierten einige „Omas gegen Rechts“ mit dem Plakat „AfD-Verbot prüfen“.
Der frühere Bundesvorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, stellt sich hinter die Prüfung des AfD-Verbots, wie es der Inhalt der Petition fordert. In einem Gespräch mit dem Blog-der-Republik bekräftigte der frühere NRW-Finanzminister: „Die AfD ist eine verfassungswidrige Partei. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Verfassungsschutz. Diese Partei tritt Verfassungsrechte mit Füßen und missachtet bewiesenermaßen unsere parlamentarische Demokratie. Wenn ein Verbotsantrag gegen eine derartige Partei unterlassen würde, wäre das ein Offenbarungseid der Demokratie gegen ihre Feinde. Deshalb plädiere ich dafür, dass ein solcher fundiert begründeter Antrag durch den Bundestag, den Bundesrat oder die demokratisch gewählte Bundesregierung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellt wird.“
Bedenken gegen einen solchen Vorstoß kann der SPD-Politiker nachvollziehen, hält aber konsequentes Handeln für dringend geboten. Norbert Walter-Borjans: „Ich bin angesichts der Beweislage von der Erfolgsaussicht eines Verbotsantrags überzeugt, auch wenn er spät kommt. Die Demokratie muss aber auch den Mut haben, sich ihren Feinden mit den Mitteln des Rechtsstaats entgegenzustellen, wenn es ein Restrisiko gibt. Andernfalls würde die Achtung vor dem demokratisch verfassten Gemeinwesen weiter erodieren. Ich erinnere an Carlo Schmid, einen der großen SPD-Verfassungsväter, der damals „keine Toleranz für Intoleranz“ gefordert und sich dafür ausgesprochen hatte, Kräfte zu verbieten, die die Institutionen der Demokratie dazu missbrauchen, um sie umzubringen.“
Es ist fünf vor Zwölf
Wanderwitz, so lese ich im „Bonner Generalanzeiger“, erklärt sein Verhalten mit seiner Herkunft: „Ich komme aus Sachsen, die sächsischen Lebensverhältnisse sind anders als die in Schleswig-Holstein zum Beispiel. Bei uns ist es fünf vor Zwölf, was die Demokratie betrifft.“ Bei den jüngsten Landtagswahlen schaffte die AfD mit rund 30 Prozent der Stimmen den Sprung auf Platz zwei, knapp hinter der CDU, die SPD kam so gerade noch über die 5-vh-Hürde. Wanderwitz: „Ich möchte weiter in der Demokratie leben.“ Das wollen andere sicher auch, aber nicht alle sind entschlossen, dem Verbots-Antrag zu folgen. So wurde die Petition für die Prüfung des AfD-Verbots-Antrags Anfang des Jahres zwar auch an den Bundesrat übergeben, eine Reaktion blieb aus.
Entscheidend sei, so argumentiert der CDU-Politiker Wanderwitz, „die Tür nach Karlsruhe aufzustoßen.“ Im Dezember oder Januar könnte der Gruppenantrag im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. Es reicht eine einfache Mehrheit der Parlamentarier, um beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der AfD anzustrengen. Dass ein Verbotsverfahren die AfD stärken würde, weil sie sich als Opfer gerieren könnte, imponiert den Verbots-Befürwortern wenig. Die Opfer-Erzählung sei nichts Neues, das gehört seit langem zur Strategie der Rechtsextremen. Der GA zitiert aus dem Antrag u.a. ein Urteil des NRW-Oberverwaltungsgerichts in Münster, wonach der Verfassungsschutz die AfD-Bundespartei zu Recht als extremistischen Verdachtsfall eingestuft habe. Zudem werde Björn Höcke angelastet, bereits zweimal wegen der Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“ verurteilt worden zu sein- wenn auch nicht rechtskräftig.
Der Journalist, langjährige Innenpolitik-Chef der SZ und Jurist Heribert Prantl plädiert auch für ein AfD-Verbot. Begründung: die AfD sei verfassungsfeindlich, weil sie unser demokratisches System „ändern und stutzen will“. Ja, unsere Demokratie ist ein Wertesystem, sie findet nicht nur alle paar Jahre statt, wenn die Millionen Wahlberechtigten der Republik zur Wahl ihrer und unserer Abgeordneten gerufen werden. Das Fundament ist das Grundgesetz. Artikel 1 sagt aus, wofür wir stehen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es heißt die Würde des Menschen, nicht nur des Deutschen, da steht auch keinerlei Einschränkung hinsichtlich eines Migrationshintergrunds dabei, kein Wort ist da zu lesen über biologische Deutsche, nichts von völkischem Denken. Die Würde des Menschen steht über allem. Wer mal über seine Familie und deren Herkunft recherchiert, wie das Hape Kerkeling gemacht hat, wird schnell feststellen, aus welchen Regionen außerhalb Deutschlands diese Vorfahren kommen. Aus Skandinavien, dem Balkan, Russland, Italien und so weiter. Kerkeling betonte in der Sendung „Maischberger“: „So etwas wie biologische Deutsche gibt es nicht, das ist eine üble Fantasie.“
Die AfD ist demokratisch gewählt, aber keine demokratische Partei. Darin stimmen alle Demokraten überein. Und sie sind sich auch einig in der Einschätzung, dass eine solche Partei eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist. Die NPD wurde vor Jahren durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts als rechtsradikal beurteilt, aber nicht verboten, weil sie auf Grund ihrer Erfolglosigkeit keine Gefahr für die Demokratie bedeutete. Heute äußern Gegner eines AfD-Verbots ihre Bedenken, man könne doch eine Partei mit 50000 Mitgliedern und Millionen Wählerinnen und Wählern nicht verbieten, das könnte sich kontraproduktiv auswirken. So ähnlich hatte die SPD-Politikerin, Prof. Gesine Schwan, ihre Sorgen formuliert und sich gegen ein AfD-Verbot ausgesprochen. Der Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte dazu gesagt, man brauche Beweise und „wenn die vorliegen, ja“. Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther(CDU) plädiert für ein Verbot der AfD, sie sei eine Bedrohung der Demokratie, die man wehrhaft verteidigen müsse. Die Demokratie müsse die Instrumente, die ihr zum eigenen Schutz zur Verfügung stehen, auch nutzen. Einen Verbotsantrag nicht zu stellen, nannte Heribert Prantl eine unterlassene Hilfeleistung.
Ein Aufstand gegen Fschisten
Wir müssen uns wehren. Gegen die AfD-Versuche, einen großen Bevölkerungsaustausch im Falle ihrer Machtübernahme vornehmen zu wollen, heißt Millionen deutsche Staatsbürger, weil sie einen Migrationshintergrund haben, außer Landes zu weisen, also sie zu deportieren. Nichts anderes heißt Remigration. Da wird dann der gute Deutsche gegen Ausländer ausgespielt. Wo ist der Aufstand gegen die Faschisten? fragt der Politik-Wissenschaftler Claus Leggewie, der dem demokratischen Deutschland vorwirft, zu pennen. Leggewie vermisst die Massenmobilisierung, das Bürgertum müsse Farbe bekennen. Wo sind die Demonstrationen gegen die AfD vom letzten Winter geblieben? Nichts rührt sich mehr. Leggewie ist gegen ein AfD-Verbot, schlüssig finde ich das nicht.
Ich vermisse den Mut der Demokraten, Gesicht zu zeigen gegen diese Neonazis, aufzustehen und diese Feinde der Demokratie an den Pranger zu stellen. Und zwar täglich, den Mund aufzumachen, wenn über Migranten hergezogen wird, wenn die Demokratie verächtlich gemacht wird. Wenn sie eines Tages zerstört ist, ist es zu spät. Das haben wir nicht gewusst? Das kann keiner der Ignoranten sagen. Jeder müsste längst wissen, worum es geht. Die AfD will die demokratischen Parteien kaputt reden, sie schlecht machen, damit sie selbst das Ruder in die Hand nehmen kann. Vor Autoritären kann man nur warnen, der starke Mann hat uns schon mal ins Unglück geführt. Schon vergessen? Nie wieder, sagten die Verfassungsmütter und -väter damals, als sie sich aus den Ruinen erhoben. Aus dem Nie wieder ist längst die Frage geworden: Schon wieder? Haben wir denn nichts aus der Geschichte gelernt?
Die AfD sieht sich als Vertreterin des echten Volkswillens. Was heißt das? Das ist gegen das Parlament gerichtet und die dort stattfindenden Debatten. Die AfD nutzt die Bühne des Parlaments, um die Hetzreden ihrer Abgeordneten zu inszenieren und sie ins Netz zu stellen. Polemik und üble Nachrede gegen das Parlament, was wir mal aus gutem Grund das Hohe Haus nannten. Lassen wir nicht zu, dass sie mit ihrer üblen Hass- und Hetzkampagne ans Ziel gelangen. Sie reden davon, sich ans Volk zu wenden und nicht das Parlament als Stellvertreter des Volkes anzuerkennen. Dazu passt das ethnische Daherreden, das Pöbeln gegen Migranten und Deutsche mit Migrationshintergrund. Zur Erinnerung ein Zitat des AfD-Chefs von Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund: Ausländische Restaurants sollten aus dem Straßenbild verschwinden. Und es sollte dieser Klientel möglichst unangenehm gemacht werden, in Sachsen-Anhat zu leben. Geht´ s noch? Oder nehmen wir das mit dem Recht, das durch den Geist des Rechts ersetzt werden soll. Und wer entscheidet das mit dem Geist des Rechts? Hier werden Grundlagen unseres Lebens bewusst verwischt, um sie durch anderes, was den Autoritären passt, zu ersetzen. Die AfD als wahre Grundgesetz-Partei, als der wahre Volkswille, die Partei, die das wahre Recht verkörpert, eine Partei, die dann entscheidet, was Recht bedeutet.
Hape Kerkeling plädierte bei „Maischberger“ für ein AfD-Verbot. Er könne nicht verstehen, warum immer alle so „wahnsinnig vorsichtig“ seien, wenn es um ein AfD-Verbot gehe. Es liege doch in der Natur der Sache, dass man vorher nicht wisse, wie ein Gerichtsverfahren ausgehe. Das sei bei jedem Prozess so. „Wenn ich immer höre, die AfD ist in Teilen rechtsradikal, was heißt das? In Teilen rechtsradikal? Das klingt für mich so, als hätten sich das die Verteidiger der AfD ausgedacht. Wenn ich ein Glas Wasser habe und ein bisschen Kloakenwasser reintue, dann ist das Ganze ungenießbar. Das kann ich wegschütten.“ Er frage sich, so Kerkeling: „Welcher Idiot ist Mitglied in einer Partei, die teilweise rechtsradikal ist. Das kann kein wirklicher Demokrat sein.“
Wir werden sie jagen
Wir werden sie jagen. Der Spruch kam von Gauland, dem heutigen Ehrenvorsitzenden der AfD. Der die Nazi-Zeit einen Vogelschiss in der ach so großen deutschen Geschichte genannt hat, um sie zu verniedlichen. Jagen wollte er Angela Merkel, die damalige Kanzlerin, als wäre sie ein Tier. Widerlich ist das. An anderer Stelle SA-Parolen, die Hetze gegen Demokraten, der Hass, der von AfD-Politikern in ihren Reden ausgeht. Kein Grund für ein Verbot? Oder wie der Alterspräsident, ein Mann der AfD, in Thüringen seine Kompetenzen einfach überschritt, das Parlament lächerlich machte. Zufall?
Die AfD fürchtet ein Verbot, weil dies Konsequenzen hätte für sie. Ihre Abgeordneten wären ihre Mandate los und ihre Diäten, die Partei wäre mit einem Verbot raus aus der öffentlichen Darstellung, sie hätte keinen Zugang mehr zu den Finanzquellen des Staates. Viele ihrer Sympathisanten würden sich abwenden. Das kennen wir doch aus der Kindheit: Wer spielt schon gern mit Schmuddelkindern?
Ein Verbotsantrag ist riskant. Ja. Aber er muss versucht werden, um einer Partei, die man aus gutem Grund für verfassungsfeindlich hält, nachzuweisen, dass sie an der Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeitet. Es steht viel auf dem Spiel. Wir haben viel zu verlieren, wenn wir nicht handeln. Das demokratische Deutschland muss aufwachen, ehe es zu spät ist.
Bildquelle: Wikipedia, Von Tobias Helfrich – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,