Handelssperren und Wirtschaftsblockaden aller Art sind seit ewigen Zeiten bekannt und immer wieder praktiziert worden. Mit diesen Druckmitteln haben Regierungen versucht, ihre politischen Ziele zu erreichen. In den meisten Fällen erwiesen sich Sanktionen als zweischneidiges Schwert, mit dem die erwünschten Erfolge nahezu niemals erzielt werden konnten. Oft genug ging der Schuss nach hinten los und verursachte auf allen Seiten viel Schaden und wenig Nutzen. Das historisch bekannteste Beispiel dafür lieferte Anfang des 19. Jahrhunderts Napoleon, als Frankreich versuchte, England vom Außenhandel mit dem europäischen Festland abzuschneiden. Diese Sanktionspolitik wurde für Frankreich zu einem großen Desaster, denn England konnte seine Handelsbeziehungen mit vielen anderen Staaten der Welt intensivieren.
Sanktionen gegen Russland ohne Wirkung
Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigt sich, dass Wirtschaftssanktionen weitestgehend nicht die gewünschten Wirkungen haben. Nach der militärischen Okkupation der Krim durch Russland wurden Anfang 2014 von der EU ebenso wie von den USA und Kanada sowie Australien Sanktionen gegen Moskau beschlossen. Richtig ist, dass einige russische Oligarchen und andere Personen nicht mehr frei in diese westlichen Länder reisen und über ihre bei westlichen Banken deponiertes Vermögen verfügen konnten. Bei Außenhandelsgütern, die nicht mehr nach Russland geliefert wurden, verfügte die Regierung in Moskau von den Menschen im Lande Konsumverzicht und machte zugleich große Anstrengungen, um die Eigenproduktion zu steigern. Lieferanten aus dem Westen spürten die Einbußen bei ihren Exporten. Bis heute hat es dennoch keinen Rückzug Russlands von der Krim und auch nicht aus der Ostukraine gegeben.
Nach dem Mordversuch an Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gibt es erneut Forderungen aus dem Westen, mit Sanktionen gegen Russland zu operieren. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der jüngst bei seinem Besuch in Moskau eine diplomatische Abfuhr von Außenminister Lawrow erfuhr, will dafür neue Vorschläge machen. Bis auf die gegenseitige Ausweisung von Diplomaten bleiben Sperrungen von Konten und das Einfrieren von Vermögen russischer Oligarchen möglich. Dafür sind jedoch immer Beweise erforderlich, denn sonst können die Betroffenen solche Sanktionen vor Gerichten anfechten.
Russisches Gas für Europa oder China?
Von einigen EU-Staaten und insbesondere aus den USA wird sehr vernehmbar der Stopp für die Gaspipeline Nord Stream 2 als Sanktionsmaßnahme gegen Russland gefordert. Ein solcher Schritt würde jedoch mehr Schaden in Deutschland und anderen EU-Staaten als in Russland anrichten. Nach der Stilllegung der Kern-, Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke wird Gas als Ersatz- und Übergangsenergie dringend benötigt – für die Produktion von Strom und Wärme sowie für die Chemie. Russland war stets ein zuverlässiger Lieferant – auch in Zeiten, als er noch Teil der Sowjetunion war und der kalte Krieg herrschte. Ökonomisch wäre es ohnehin völlig unsinnig, die Milliarden-investition nutzlos auf dem Grund der Ostsee zu belassen. Bislang bezieht Deutschland rund 40 % des Gases aus Russland. Wenn auch auf diese Lieferungen völlig per Sanktion verzichtet würde, wäre es gewiss schwierig, den Bedarf einfach zu decken. Zudem müssten wir dann auch die russische Kohle, dass russische Öl und andere Rohstoffe aus russischer Erde verbannen. Dass solche Sanktionsschritte nicht nur schmerzliche Folgen für die deutsche Volkswirtschaft hätten, sondern fast katastrophale Folgen für alle noch bestehenden politischen und ökonomischen Beziehungen zu Russland, ist wohl klar. Es würde zudem Russland durchaus möglich sein, seine Energie- und Rohstofflieferungen in andere Staaten – allen voran nach China – zu tätigen. Da der Handel mit diesen Waren in harter Währung, vor allem in Dollar, fakturiert wird, dürften weiterhin die Milliarden-Einnahmen den russischen Staatshaushalt wie bisher schon finanzieren. So muss allen Sanktionseiferern deutlich werden, dass der Nutzen solcher Maßnahmen jedenfalls gering, der Schaden jedoch riesig sein würde.
China im Visier von Sanktionisten
Rufe nach Sanktionen gegen China werden ebenfalls immer wieder in deutschen Landen erhoben. Dabei übersehen viele Weltverbesserer, dass es in vielen Staaten auf unserem Globus sehr unterschiedliche Werte-Systeme gibt. Am deutschen Wesen soll die Welt nicht mehr genesen, dass müssen wohl alle aus den bitteren Erfahrungen der Geschichte begriffen haben. So hat auch der Chef des Volkswagen-Werks, Herbert Diess, in diesen Tagen zurecht darauf hingewiesen, dass nicht einmal 6 % der Weltbevölkerung in einer demokratischen Ordnung leben, wie wir sie kennen und schätzen. Diess verteidigte mit guten Argumenten das VW-Engagement in China. Schon vor 40 Jahren war der damalige CEO von VW mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl ins Reich der Mitte gereist, als Deng Xiaoping das Land auf einen Reformkurs brachte. Seitdem hat China einen geradezu atemberaubenden Aufschwung zustande gebracht. „Die Menschen“, so die aktuelle Analyse des VW-Chefs, „sind in dieser Zeit freier und wohlhabender geworden, eine halbe Milliarde Chinesen wurden aus der Armut geholt.“
Deutsche Chancen im Reich der Mitte
VW verkauft heute mehr als 40 % seiner Autos in China. Bei Mercedes, Audi und BMW ist der Marktanteil ähnlich hoch. Allein diese deutschen Firmen bieten vielen chinesischen Arbeitnehmern gute Jobs mit sicheren Einkommen und manchen Sozialleistungen. Dasselbe gilt ebenso für viele andere deutsche Unternehmen – für Konzerne und Mittelständler. Für dieses Engagement gibt es natürlich ökonomische Gründe, denn nirgendwo auf der Welt existiert ein Markt mit 1,4 Milliarden Menschen, die sich für ihre weitere Entwicklung, für mehr Wohlstand und Chancen einsetzen. Chinas Präsident Xi Jinping tritt immer wieder für den Multilateralismus ein. Zusammenarbeit zwischen den Völkern ist ohnehin mehr denn je dringend erforderlich – sei es im Kampf gegen Pandemien, sei es beim Klimaschutz. Die deutsche Wirtschaft hat nur gute Zukunftschancen, wenn viele ihrer Unternehmen als „global player“ erfolgreich sind.
Neuer US-Kurs gegenüber China?
China ist heute eine große Weltmacht, die politisch und wirtschaftlich eine dominierende Rolle spielt. In vielen Bereichen von hightech hat das Land enorme Fortschritte gemacht. Es ist nicht mehr die verlängerte Werkbank, nicht mehr der Produktionsstandort für Billigfertigungen, sondern in vielen Bereichen der Forschung und Wissenschaft auf Augenhöhe mit dem Westen; auf manchen Feldern besteht gar ein Vorsprung. Die chinesisch-deutschen Beziehungen haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr gut entwickelt. China ist inzwischen Deutschlands größter Handelspartner. Das jüngst vereinbarte Investitionsabkommen zwischen der EU und China eröffnet neue Chancen für die Zusammenarbeit, für eine win-win-Entwicklung von der Europa und China profitieren. Nach der Bashing-Phase, die Donald Trump gegen Peking inszenierte, werden sich die USA unter Präsident Biden neu orientieren. Die beiden Weltmächte und größten Volkswirtschaften sollten ihre eigenen Interessen definieren, die realen Möglichkeiten austarieren und vor allem verbal abrüsten. Denn nur ein friedliches Miteinander wird Erfolge für Washington und Peking bescheren, von denen die ganze Welt profitieren könnte. Gegenseitige Sanktionen wirken hingegen wie Mehltau auf beiden Staaten, schaden den Menschen in den Ländern und vernichten mögliche Wohlstandsgewinne.
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