Die SPD wird am heutigen Montag im Parteivorstand über den Entwurf für ihr Wahlprogramm beraten. Das in den Medien schon vorab intensiv diskutierte Papier veröffentlichen wir hier in voller Länge:
Vorlage für die Sitzung des Parteivorstands am 01.03.2021
Das Zukunftsprogramm der SPD
Wofür wir stehen. Was uns antreibt. Wonach wir streben.
I. Zukunft. Respekt. Europa.
Am Anfang der 2020er Jahre stehen wir in Deutschland, Europa und der Welt vor gewaltigen Aufgaben. Dabei hat die Corona-Krise drängende Fragen unserer Zeit teils überlagert, teils stärker in den Fokus gerückt:
- Überwinden wir die wachsende Ungleichheit? Oder nehmen wir es hin, dass wenige sich die höchsten Einkommen und die besten Perspektiven sichern, aber die Lasten und Risiken auf den Schultern derer liegen, die sich nicht wehren können?
- Wird es uns gelingen, unser Leben und Wirtschaften so zu verändern, dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten?
- Schaffen und sichern wir die Arbeit von morgen?
- Nehmen wir die Gestaltung des digitalen Wandels als demokratische Gesellschaft selbst in die Hand oder lassen wir uns die Entwicklung der Welt von wenigen Technologiekonzernen diktieren?
- Sorgen wir für mehr Zusammenhalt oder lassen wir es zu, dass unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet und dass Populisten und Nationalisten leichtes Spiel haben?
Das neue Jahrzehnt beginnt mit der Herausforderung der Corona-Pandemie. Für viele Bürger*innen und Unternehmen bedeutet diese Krise harte Einschränkungen. Umso bemerkenswerter ist die Bereitschaft, Einschnitte in die persönliche Freiheit zu akzeptieren, um die besonders Verletzlichen zu schützen.
Die nächsten Monate werden uns die Rückkehr in eine neue Normalität ermöglichen, die die Beschränkungen des öffentlichen und des privaten Lebens Zug um Zug überwindet. Doch auch dann wird uns Corona noch begleiten. Vieles wird anders. Die Erfahrung dieser Krise wird sich ins kollektive Gedächtnis einschreiben.
Wir haben gelernt, dass auf Dauer nichts eine persönliche Begegnung ersetzen kann. Wir haben aber auch gelernt, dass wir digital kommunizieren und zusammenarbeiten können. Wir haben gelernt, wie unabdingbar die Arbeit vieler Menschen für unser tägliches Leben und Überleben ist, die aber bisher nicht die Wertschätzung und schon gar nicht die Bezahlung und Sicherheit bekommen, die sie verdienen. Und es hat sich eindringlich bestätigt, wie sehr Familien auf eine krisenfeste, verlässliche Infrastruktur an Bildung, Betreuung und Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit angewiesen sind.
Um die Krise zu überwinden, braucht es gemeinsame Anstrengungen. Daraus erwächst neuer Mut, mit dem wir die großen Aufgaben unserer Zeit zuversichtlich angehen können: Sichern und ausbauen, was wir uns erarbeitet haben, den Klimawandel bewältigen, die Arbeit von morgen schaffen, die Verteilung von Lasten und Chancen gerecht gestalten, die Gesellschaft zusammenhalten und der Gefahr ihrer Spaltung begegnen. Wir Sozialdemokrat*innen sind entschlossen, diese Aufgaben anzugehen.
Die meisten Bürger*innen in unserem Land eint das Bedürfnis nach Respekt, Zusammenhalt und Zuversicht für eine gute, sichere Zukunft in Deutschland und Europa.
Diese Zuversicht entsteht aus dem Vertrauen, Einfluss darauf nehmen zu können, wohin sich unser Leben, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Immer mehr Bürger*innen wollen mitbestimmen, in welche Richtung wir gemeinsam gehen werden. Spürbar ist das in dem gewachsenen Bewusstsein um die ökologischen Grenzen, in der dringenden Sorge um den schwindenden Zusammenhalt oder in der wachsenden Kritik an Ungleichheit in unserer Gesellschaft.
In der Corona-Krise wird einmal mehr überaus deutlich, dass Kostenminimierung nicht das Maß aller Dinge sein darf. In der Wirtschaft, im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, der Justiz und anderen wichtigen Bereichen wurde zu viel „auf Kante genäht“. Trotzdem ist unsere Gesellschaft stabil – auch unter widrigen Umständen und in krisenhaften Situationen. Wir müssen alles dransetzen, dass es so bleibt.
Die Stabilität verdanken wir der beeindruckenden Solidarität und den demokratischen Grundwerten unserer Gesellschaft. Die Demokratie und ihre Verankerung in den Köpfen und Herzen muss stetig erneuert werden, damit sie standhält, wenn sie von ihren Feinden angegriffen und infrage gestellt wird. Neue Akzeptanz und neue Begeisterung sowie neuer Respekt für demokratische Institutionen entstehen durch mehr Transparenz und Beteiligung.
Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist der Respekt vor der Verschiedenheit der Menschen und ihrer Lebensentwürfe eine der wichtigsten Grundlagen. Frauen und Männer, Junge und Ältere, Arbeiter*innen und Akademiker*innen, Menschen mit eigener oder familiär erlebter Migrationsbiografie bereichern unsere Gesellschaft. Diese Vielfalt ist ein unschätzbarer Gewinn, und wir werden dafür sorgen, dass sie sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft, in unseren Parlamenten und in den Formaten der Beteiligung angemessen widerspiegelt.
Vielen in Deutschland geht es – auch im Vergleich mit anderen Ländern – wirtschaftlich gut. Aber das gilt nicht für alle und es fehlt vielen Bürger*innen die Gewissheit, dass das auch morgen so sein wird. Mit unserer Politik werden wir dazu beitragen, dass die Ungleichheit überwunden wird und neue Zuversicht entsteht.
Zukunft sichern
Ein kurzer Blick in die Zukunft: Spätestens 2050 werden wir klimaneutral wirtschaften. Windkraft und Sonne sind unsere Energiequellen, unterstützt durch eine saubere Wasserstoffwirtschaft. Öffentliche Gebäude, Schulen und Supermärkte beziehen Solarstrom und klimafreundliches Unternehmertum wird finanziell belohnt. Wir sehen in dieser Jahrhundertaufgabe riesige Potenziale für gute und sichere Arbeitsplätze. Deutschland ist erfolgreich als Exporteur umweltfreundlicher Technologien. Damit das so bleibt, werden wir Sozialdemokrat*innen dieses Jahrzehnt zu einem der erneuerbaren Energien machen.
Den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft meistern wir, wenn wir wirtschaftlichen Erfolg zukünftig nicht nur am Bruttoinlandsprodukt messen, sondern am Wohlergehen der gesamten Gesellschaft und der Natur. Für die Rahmenbedingungen ist der Staat verantwortlich. Er gibt Impulse durch kluge Spielregeln, die soziale und technische Innovationen hervorbringen, durch Förderung von Forschung, massive und stetige Investitionen in eine moderne Infrastruktur, durch aktive Förderung der Regionen im Wandel und durch Beteiligung der Bürger*innen im Allgemeinen und der Beschäftigten im Besonderen. So werden Arbeitsplätze zukunftsfähig und neue gute Arbeitsplätze geschaffen. So sichern wir Einkommen und Perspektiven für alle. Wir wollen einen neuen sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag, der dafür sorgt, dass im Wandel niemand abgehängt wird.
Respekt erneuern
Die Corona-Krise hat uns allen in Deutschland vermehrt vor Augen geführt, wie sehr wir auf die Arbeit derjenigen Arbeitnehmer*innen angewiesen sind, deren Einkommen oft nur knapp zum Leben reicht. Der Kassierer im Supermarkt, die Busfahrerin, die Pflegekraft, die Reinigungskraft, der Erzieher – sie alle halten unseren Alltag aufrecht. Es ist an der Zeit, ihnen und ihrer Arbeit die Anerkennung entgegenzubringen, die sie verdienen. Eine Anerkennung, die sich in guten Einkommen und auch in guten Arbeitsbedingungen niederschlägt.
Wie wertvoll ein funktionierender Sozialstaat ist, haben wir in der Corona-Krise erlebt. Anders als in anderen Ländern haben wir die Folgen der Krise abmildern können. Erkennbar wurde aber auch, wo wir als Gesellschaft noch viel zu tun haben: In der immer noch nicht vollendete Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf, die sich vor allem daran zeigte, dass sich viele unvermittelt in alte Rollenmodelle zurückversetzt gesehen haben. Auch bei der unzureichenden Absicherung von Künstler*innen und Selbstständigen, den überteuerten Wohnungen nicht nur in den Ballungszentren und der mangelnden Infrastruktur im ländlichen Raum gibt es noch viel zu tun.
Respekt für die Würde und den Beitrag aller Bürger*innen heißt für uns, dass alle ein Recht auf ein sicheres und planbares Leben haben und einen Anspruch darauf, sich nicht um Wohnung, Kita-Platz oder gute Pflege sorgen zu müssen. Gute, verlässliche und kostenlose Bildung und Betreuung von der Kita an, Zugang zu Bildung ein Leben lang, bezahlbare Wohnungen, Mobilität, Kultur, Sport, einen schnellen Internetanschluss, Zugang zum Wissen dieser Welt, verlässliche digitale Dienste für eine aktive Zivilgesellschaft, Gesundheitsversorgung, eine sichere Rente, gute Pflege im Alter – das sind für uns soziale Grundrechte. Das sind die Voraussetzungen für die Stabilität von Familie und Gesellschaft.
Wir treten für eine Gesellschaft ein, die von gegenseitigem Respekt getragen wird. Eine Gesellschaft, die, frei von Vorurteilen, alle Bürger*innen gleichermaßen respektiert. Wir schulden einander Respekt, egal ob eine*r studiert hat oder nicht, ob in Deutschland oder woanders, im Osten oder Westen geboren, ob arm oder reich. Für die Würde und Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen darf das keinen Unterschied machen. Wir wollen eine Gesellschaft des Zusammenhalts und stellen uns Hass und Hetze, Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und dem Erstarken rechtsextremer Kräfte mit aller Entschiedenheit entgegen.
Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland schaffen. Dazu gehört auch, die deutsche Einheit zu vervollständigen. Gerade hier zeigen sich die Herausforderungen großer gesellschaftlicher Transformationsprozesse und des Strukturwandels beispielhaft. Dabei ist der Respekt und die Anerkennung der spezifisch ostdeutschen Lebenserfahrungen und Lebensleistungen zentral, um das Vertrauen in die Demokratie weiter zu stärken. Unser Ziel ist, die Sichtbarkeit der Ostdeutschen in allen Bereichen zu erhöhen.
Europa stärken
Grenzenlos reisen, arbeiten, studieren oder leben. Die Europäische Union (EU) hat das Leben von Millionen von Menschen geprägt, neue Möglichkeiten und Freiheiten eröffnet und den unermesslichen Wert kultureller Vielfalt für unsere Gesellschaften erlebbar gemacht. Sie hat gezeigt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können, als alleine. Darauf wird es in Zukunft ganz besonders ankommen.
In einem von globalem Wettbewerb geprägten Umfeld können wir unsere europäischen Werte und Interessen nur behaupten, wenn Europa nach innen geeint und nach außen handlungsfähig ist. Wir schützen die Freiheit und Rechtstaatlichkeit in Europa und machen die EU zur modernsten Demokratie der Welt. Wir wollen, dass Europa auch beim Klimaschutz Vorreiter wird. Mit Investitionen in unsere gemeinsame Wirtschafts- und Innovationskraft stärken wir Europa als den mordernsten, nachhaltigsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt und sichern so die Grundlagen unseres Wohlstands.
Damit schaffen wir die Voraussetzungen für ein souveränes Europa, das für soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und Menschenrechte steht und sich geschlossen für eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Welt einsetzt.
Nur miteinander werden wir eine humanitäre und solidarische Flüchtlingspolitik gewährleisten und nationalistischen und populistischen Kräften den Wind aus den Segeln nehmen. Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind das Fundament unserer Gemeinschaft. Wir werden es nicht zulassen, dass Hass und Hetze Europa spalten.
Deutschland trägt in der EU eine besondere Verantwortung – bei der Stärkung der inneren Einheit und des Vertrauens in gemeinsame Lösungen. Wir machen Europa stark und souverän.
Wir meinen es ernst mit der europäischen Solidarität. Wir haben zu Beginn der Pandemie schnell und kraftvoll gehandelt und den größten Wiederaufbaufonds der Geschichte der Europäischen Union auf den Weg gebracht – eine Solidarleistung, die soziale Folgen der Corona-Krise abmildert und die gleichzeitig den sozial-ökologischen Wandel vorabtreibt und Innovationen fördert. Europa bekommt dafür weltweite Anerkennung. Auf dieser Basis wollen wir neues Vertrauen in Europa aufbauen und eine wirtschaftliche und politische Spaltung der EU verhindern.
Zusammenhalt wählen
Wir haben vieles erreicht in der Regierungskoalition. Die Erfolge tragen eine erkennbar sozialdemokratische Handschrift: Darunter die Verlängerung und die Erhöhung des Kurzarbeitergelds, der Corona-Kinderbonus sowie mehr Geld für den Kita-Ausbau, die Ausgestaltung des Corona-Konjunkturpakets mit den Schwerpunkten der wirtschaftlichen Stabilisierung, der sozialen Sicherung und der ökologischen Transformation, dazu die deutliche Einschränkung von Werkvertrags- und Leiharbeit in der Fleischindustrie. Wir haben die Grundrente und die Abschaffung des Soli-Zuschlags für niedrige und mittlere Einkommen durchgesetzt.
Bei der anstehenden Bundestagswahl geht es um grundsätzliche Richtungsfragen. Es gibt die, die den Sozialstaat abbauen wollen. Ihnen setzen wir das Konzept für einen Sozialstaat entgegen, der es allen ermöglicht, den Wandel zu meistern und kommenden Krisen zu trotzen. Denen, die gegen die Krise ansparen wollen, setzen wir zentrale Zukunftsmissionen mit konkreten Investitionsschwerpunkten entgegen.
Wir werben darum, sich unserem Streben nach mehr Respekt und einen besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft anzuschließen.
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II. Eine lebenswerte Zukunft
Wir sehen viel Gutes. Und: Wir sehen vieles, das man noch besser machen kann. Wir sehen aber auch Entwicklungen, die geändert oder gestoppt werden müssen, um eine gute Zukunft möglich zu machen. Deshalb werden wir in der Welt von morgen unseren Wohlstand sichern, erhalten und ausbauen und zugleich das Klima und die Umwelt schützen. Wir werden ermöglichen, dass alle Bürger*innen sicher leben und sich entfalten können.
Viele Bürger*innen haben den Eindruck, dass staatliches Handeln oft eher einem Reparaturbetrieb gleicht. Mal wird da an einer Schraube gedreht, mal an einer anderen. Dieses politische “Klein-Klein” werden wir hinter uns lassen, denn für uns geht es um die Bewältigung von Zukunftsaufgaben.
Daher benennen wir vier Zukunftsmissionen, die für uns eine besondere Bedeutung haben. Das gilt für den Kampf gegen den Klimawandel, für die Zukunft der Mobilität, für die Digitalisierung und für das Gesundheitssystem. Wir wollen insbesondere in diesen Bereichen die wirtschaftliche Modernisierung des Landes mit gesellschaftlichen Zielen und nicht zuletzt der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze verbinden.
Die Umsetzung dieser Missionen braucht ein hohes Niveau öffentlicher Investitionen und eine sozial-ökologisch ausgerichtete Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir werden diese Missionen im Zusammenwirken mit Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft voranbringen. Auch darin zeigt sich unser Anspruch eines modernen und kooperativen Regierens.
Zukunftsmission I. Klimaneutrales Deutschland
Der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossene Sache. Spätestens 2038 ist bei uns auch Schluss mit der Kohleverbrennung. Das sind historische Entscheidungen. Unser Ziel geht weiter: Spätestens im Jahr 2050 ist Deutschland komplett klimaneutral.
Unser Leben, Arbeiten und Wirtschaften hat 2050 keine negativen Auswirkungen mehr auf unser Klima. Die Energieversorgung Deutschlands basiert vollständig auf erneuerbaren Energien, unsere Gebäude werden mit erneuerbaren Energien beheizt. Unsere Industrie ist 2050 auf den Weltmärkten weiterhin führend, gerade weil sie CO2-neutral produziert und Technologien exportiert, die die klimaneutrale Welt von morgen braucht. So sichern wir die Arbeitsplätze für die Zukunft und erreichen gleichzeitig unsere ökologischen Ziele.
Um in Deutschland bis 2050 treibhausgasneutral leben, arbeiten und wirtschaften zu können, werden wir dafür sorgen, dass wir unseren Strom bis zum Jahr 2040 vollständig aus erneuerbaren Energien beziehen. Dafür müssen jetzt, in den 2020er Jahren, die richtigen Entscheidungen getroffen werden: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze, beim Aufbau von Speichertechnologien und einer Wasserstoffproduktion sowie eines Transportnetzes, bei Investitionen in klimafreundliche Produktionsprozesse in der Industrie, bei der Modernisierung von Wohngebäuden, Fabriken und Schulen.
Erneuerbarer Strom wird in allen Sektoren eingesetzt. Dort, wo eine direkte Elektrifizierung nicht sinnvoll ist, werden wir große Mengen klimaneutralen Wasserstoffs benötigen. Wasserstoff stößt bei der Verbrennung keinerlei Treibhausgase aus und ist gut speicherbar. Es ist reichlich vorhanden und lässt sich durch die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff erzeugen. Ohne sauberen Wasserstoff in großindustriell hergestelltem Maßstab ist Klimaneutralität nicht zu erreichen.
Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze, Wasserstoffleitungen und Ladesäulen für Elektroautos. Der Ausbau dieser Infrastrukturen muss dem Bedarf vorausgehen. Unsere Planungen müssen auf das Jahr 2050 ausgerichtet sein und dürfen nicht nur bis zum Jahr 2025 reichen.
In einem Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern, Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden vereinbaren wir verbindliche Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind. Damit die Energiewende vor Ort zur Win-Win-Situation für alle wird, laden wir Bürger*innen und Gemeinden zum Mitmachen ein, indem wir Mieterstrom und gemeinschaftliche Eigenversorgung stärken, kommunale Beteiligungsmodelle fördern und nachhaltige Strom-Anleihen auflegen.
Wir wollen dafür sorgen, dass alle dazu geeigneten Dächer von öffentlichen Gebäuden und gewerblichen Neubauten eine Solar-Anlage bekommen. Unser Ziel ist eine Solar-Anlage auf jedem Supermarkt und jeder Schule. Wir werden innovative Formen der erneuerbaren Stromerzeugung wie integrierte Photovoltaik in der Gebäudehülle und auf landwirtschaftlichen Flächen gezielt fördern und neue strategische Energiepartnerschaften aufbauen.
Seit Anfang 2021 gilt im Zuge des nationalen Emissionshandels ein CO2-Preis. In Kombination mit anderen Maßnahmen wie dem Umweltbonus beim Kauf eines Elektroautos oder Förderprogrammen zum Heizungstausch sorgt er dafür, dass klimafreundliche Alternativen attraktiver werden. Wir werden den Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr und der Gebäudewärme durch die sogenannte Sektorenkopplung unterstützen. Daher werden wir die Umlage für erneuerbare Energien (EEG-Umlage) bis 2025 abschaffen und aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Dazu dienen auch die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung.
Diese Maßnahme leistet auch einen Beitrag zur sozialen gerechten Finanzierung der Energiewende, weil dadurch die Stromrechnung deutlich sinkt. Wir werden dafür sorgen, dass Bürger*innen mit niedrigen Einkommen nicht ins Hintertreffen geraten. Wir werden prüfen, ob im Laufe der Zeit und mit dem Ansteigen des CO2-Preises weitere Ausgleichsmaßnehmen – wie ein Pro-Kopf-Bonus – möglich werden.
Auch der Gebäudesektor muss schrittweise CO2-neutral werden. Mit dem CO2-Preis wollen wir vor allem Investitionen lenken und Vermieter*innen zur Modernisierung motivieren. Gerade im Bestands-Mietwohnungsbau gibt es noch viel zu tun. Wir haben das Ziel, dass bis 2030 fünf Millionen Häuser über Wärmepumpen versorgt werden. Wir werden gesetzliche Regelungen schaffen, dass der CO2-Preis von den Vermietern getragen wird. Dabei orientieren wir uns am Ziel der Warmmieten-Neutralität.
Zugleich werden wir Investitionen in Wärmenetze und Quartierskonzepte staatlich fördern. Wir werden mit einer langfristig angelegten Industriestrategie Planungssicherheit für den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft schaffen. Diese Industriestrategie wird in Verbindung mit dem Green New Deal in eine gesamteuropäische Lösung eingebettet sein. Den Umstieg auf klimaschonende Produktionsprozesse werden wir durch direkte Investitionsförderung staatlich unterstützen und die derzeitigen höheren Kosten von klimaschonenden Technologien ausgleichen. Wir werden einen Markt für umweltfreundliche Ausgangsmaterialien schaffen. Die öffentliche Hand als großer Bauherr von Straßen und Gebäuden beschafft bis 2030 schrittweise immer mehr und ab 2030 ausschließlich klimaneutrale Grundmaterialien. Wir werden unsere Industrien sichern und die Verlagerung von Produktion und Emissionen ins Ausland durch maßgeschneiderte Instrumente unattraktiver machen.
Mit knapper werdenden Ressourcen werden wir nicht länger verschwenderisch umgehen. Wir werden unsere Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft umbauen.
Wir werden Schlüsselindustrien auf ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützen und konkrete Transformationsvorgaben entwickeln. Wir werden Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien machen – für die Erzeugung klimafreundlichen Stahls, für CO2-arme LKWs und den Schiffs- und Flugverkehr.
Zukunftsmission II. Modernstes Mobilitätssystem Europas
Das Auto bleibt für viele Menschen wichtig. Aber der Schadstoffausstoß wird auf null reduziert sein. Und immer mehr Bürger*innen steigen auf Bus, Bahn oder das Rad um. Alle Bürger*innen müssen schnell, zuverlässig und klimafreundlich von A nach B gelangen können, in der Stadt und auf dem Land. Dafür denken wir Mobilität neu: nachhaltig, bezahlbar, barrierefrei und verlässlich. Unsere Mission ist eine klimafreundliche Mobilität für alle.
Wir werden die Verkehrswende voranbringen und bis 2030 das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufbauen. Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, zu der die Bundesregierung ihren Beitrag leisten wird, die aber auch Länder und Kommunen in die Pflicht nimmt. Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie: Jede*r Bürger*in soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben. Das schaffen wir mit innovativen und digitalen Angeboten.
Wir werden einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den Öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr auf ein neues Niveau bringt. Der Bund wird durch Austauschprogramme seinen Beitrag leisten, damit alle neuen Busse und Bahnen bis 2030 in den Kommunen klimaneutral fahren und die vorhandenen Flotten modernisiert sind. Förderprogramme sollen Kommunen dabei unterstützen, in Städten mehr Fläche für öffentlichen Verkehr, Fußgänger und Radfahrer zu schaffen.
An Knotenpunkten werden wir die Einrichtung von barrierefreien Mobilitätsstationen für nachhaltige urbane Mobilität fördern, damit möglichst viele vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Wir werden eine nationale Leitstelle Mobilität einrichten, die die Erarbeitung regionaler Mobilitätspläne unterstützt und die Beteiligung vor Ort sicherstellt.
Der Schienenverkehr ist ein Schwerpunkt unserer verkehrspolitischen Agenda. Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein. Wir wollen rasch den Deutschlandtakt umsetzen und einen Europatakt aufbauen. Hierfür werden wir investieren: In den Aus- und Neubau des Schienennetzes, in den Lärmschutz und den Ausbau von Bahnhöfen. Wir haben das Ziel, alle Großstädte wieder ans Fernverkehrsnetzt anzuschließen und neue schnelle Zug- und Nachzugverbindungen in unsere Nachbarländer zu etablieren. Vor allem werden wir die Attraktivität des Nahverkehrs verbessern. Das heißt engere Taktungen, komfortablere Züge mit flächendeckendem W-LAN und eine Reservierungsmöglichkeit für Sitzplätze.
Bis 2030 wollen wir mindestens 75 Prozent des Schienennetzes elektrifizieren, die Schiene weiter digitalisieren und für nicht elektrifizierte Strecken verbindliche Nutzungen wie den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Zügen unterstützen. Die Deutsche Bahn AG ist für uns ein Garant verlässlicher Mobilität. Wir werden sie als integrierten Konzern erhalten. Mit der Verpflichtung zur Tariftreue und der Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen im Vergaberecht werden wir Wettbewerbsverzerrungen durch Billiganbieter verhindern.
Wir wollen, dass sich die Deutsche Bahn AG auf ihr Kerngeschäft des Transports von Personen und Gütern auf der Schiene konzentriert und auf gemeinwohlorientierte Ziele ausrichtet. Den Schienengüterverkehr wollen wir massiv modernisieren. Wir werden in die Erneuerung und Digitalisierung von Loks und Waggons investieren. Wir werden die Kostennachteile der Schiene gegenüber der Straße parallel zum Kapazitätsaufbau im Schienengüterverkehr verringern.
Die Zukunft gehört den elektrischen Antrieben. Wir wollen diese Entwicklung aktiv gestalten, damit die Automobilindustrie Leitindustrie bleibt und die Zukunft der vielen kleinen und mittelständischen Zulieferer mit ihren Arbeitsplätzen gesichert ist. Wir wollen die Elektrifizierung des Verkehrs massiv voranbringen. 2030 sollen mindestens 15 Millionen Pkw in Deutschland voll elektrisch fahren.
Wir wollen Deutschland zu einem Zentrum der Batteriezellenfertigung und des Recyclings gebrauchter Batterien machen. Im Schwerlastverkehr wird auch die Wasserstoff-Brennstoffzelle eine wichtige Rolle spielen. Die weitere Forschung hierzu werden wir unterstützen. Wir unterstützen die Automobil-Zulieferindustrie bei der Umstellung ihrer Produktionsprozesse und der Erschließung neuer Geschäftsfelder. Gemeinsam mit Sozialpartnern und lokalen Akteuren werden wir regionale Transformationscluster aufbauen.
Wir machen das Stromtanken so einfach wie bisher das Tanken von Benzin und Diesel. Den Fortschritt beim Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos wollen wir vierteljährlich evaluieren und wo nötig mit Versorgungsauflagen und staatlichem Ausbau die notwendige verlässliche Erreichbarkeit von Ladepunkten herstellen.
Wir werden ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen. Das schützt die Umwelt und senkt die Unfallzahlen deutlich.
Zusätzlich werden wir Forschung, Entwicklung und Pilotprojekte vorantreiben, damit Schiffe, Flugzeuge und Laster kein klimaschädliches CO2 mehr ausstoßen. Wir verbinden das mit Projekten zum Aufbau einer umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft.
Zukunftsmission III. Digitale Souveränität in Deutschland und Europa
Deutschland soll 2030 über eine digitale Infrastruktur auf Weltniveau verfügen, über eine voll digitalisierte Verwaltung und ein Bildungssystem, in dem für das Leben in einer digitalisierten Welt gelernt werden kann. Die freie Selbstbestimmung der Bürger*innen ist unser Leitbild, damit die Digitalisierung allen zu Gute kommen kann. Ein schneller, sicherer und bezahlbarer Internetzugang ist im 21. Jahrhundert unverzichtbar.
In den 2020er Jahren muss Deutschland zur “Gigabit-Gesellschaft” werden. Gerade mittelständische Unternehmen im ländlichen Raum, die oft global agieren, sind auf schnelles Internet angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Damit es nicht allein bei Versprechungen bleibt, werden wir die Versorgung aller Haushalte und Unternehmen mit einer Bandbreite von mindestens 1 GBit/s garantieren – durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen und entsprechende Zwischenziele. Hier stehen auch die Netzbetreiber in der Verantwortung.
Unser Ziel ist ein moderner, bürgernaher Staat, der allen Bürger*innen einen einfachen, digitalen Zugang zu seinen Dienstleistungen bietet. Wir werden daher die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen zur Bereitstellung digitaler Verwaltungsdienstleistungen ausbauen, damit alle Verwaltungsleistungen möglichst schnell auch digital verfügbar sind. Jede*r Bürger*in sollte ohne Zusatzkosten und Extra-Geräte die Möglichkeit haben, diese Leistungen freiwillig und datenschutzkonform mit einer digitalen Identität zu nutzen. Wer Anspruch auf eine Leistung hat, soll sie automatisch ohne einen gesonderten Antrag bekommen.
Wir verfolgen das Ziel, dass alle Schulen in Deutschland erstklassig ausgestattet sind. Jeder Schülerin, jedem Schüler muss ein digitales Endgerät zur Verfügung stehen. Mit dem DigitalPakt Schule und dem Konjunkturpaket haben Bund und Länder bereits einen großen Schritt getan. Wir werden hier weiter investieren und ein Modernisierungsprogramm des Bundes aufsetzen, das sowohl den Sanierungsbedarf der Schulgebäude als auch die digitale Ausstattung umfasst. Einen besonderen Schwerpunkt werden wir auf die Ganztagsschule legen.
Neben der Infrastruktur brauchen wir auch eine bessere Koordinierung des Unterrichts selbst. Wir brauchen Lehr- und Lernmaterialien für inklusive, ganzheitliche Bildung: Auf einer Open-Source-Plattform, die bereits durch den Digitalpakt beauftragt und finanziert ist, sollen künftig länderübergreifend Lehr- und Lernmaterialien und Unterrichtskonzepte für alle zugänglich sein: Offen, dezentral, sicher und vernetzt.
Notwendig ist darüber hinaus ein System, das die Qualität der eingestellten Medien auf solchen offenen Plattformen prüft und sichert. Wir werden die Entwicklung datenschutzkonformer intelligenter Lernsoftware unterstützen. Unser Ziel ist es, die Lehr- und Lernprozesse zu individualisieren, Schüler*innen bestmöglich zu fördern, Lehrkräfte zu entlasten und die Binnendifferenzierung im (digitalen) Unterricht zu verbessern. Die Fortbildung von Lehrkräften ist ein Schlüssel zur digitalen Schule. Wir werden deshalb bundesweit Kompetenzzentren für digitales Lehren und Lernen aufbauen und unterstützen.
Alle Bürger*innen sollen zur digitalen Selbstbestimmung befähigt werden. Wir brauchen ein Recht auf digitale Bildung und Weiterbildung – auch für Senior*innen. Gerade die Volkshochschulen sind ideale Orte, um digitale Bildung für alle Bürger*innen zu ermöglichen – kostengünstig, barrierefrei, inklusiv.
Wir werden eine europäische Medienplattform initiieren, die die Qualitätsinhalte der öffentlich-rechtlichen Sender Europas für alle Bürger*innen grenzüberschreitend zugänglich macht. Diese Plattform soll in der Folge auch für private Qualitätsanbieter aus Medien und Kultur zugänglich sein. Wir werden die Veröffentlichung von Inhalten unter offenen und freien Lizenzen unterstützen, um Kooperationen mit reichweitenstarken Plattformen wie Wikipedia möglich zu machen.
Wir stehen für digitale Souveränität von Bürger*innen und Verbraucher*innen ein. Wo globale Plattformkonzerne zu Monopolisten werden, bedrohen sie digitale Vielfalt und neigen dazu, nationalstaatliche Regeln zu umgehen. Wir werden deshalb gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten eine starke und präzise Regulierung schaffen, den Wettbewerb sichern und alternative Angebote fördern. Es braucht mehr Angebote mit hoher Datensouveränität. Es muss Alternativen zu den großen Plattformen geben – mit echten Chancen für lokale Anbieter. Nutzerdaten müssen geschützt sein und die Nutzer*innen müssen darüber bestimmen können, was mit ihren Daten geschieht.
Zu viel Marktmacht einzelner schadet dem Wettbewerb und damit letztlich den Verbraucher*innen. Wir dürfen den Entwicklungen am Markt nicht hinterherlaufen. In das Kartellrecht werden wir verstärkt ex-ante-Kontrollen integrieren. Zudem werden wir weitere neue europäische Instrumente entwickeln, um die übermächtigen Plattformen zu zähmen oder notfalls zu entflechten.
Es muss möglich sein, zwischen verschiedenen Messenger-Diensten, sozialen Netzwerken und digitalen Plattformen zu kommunizieren oder zu wechseln. Diese Interoperabilität werden wir gesetzlich vorschreiben.
Wir setzen uns für eine gezielte und koordinierte Unterstützung der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft auf allen Technologie-Ebenen und entlang der gesamten Wertschöpfungsketten ein: von der Halbleiter-Fertigung und der Quantentechnologie über die Cloud und Künstliche Intelligenz bis zur Cyber-Sicherheit und datenbasierten Geschäftsmodellen.
Daten sollen für gemeinwohlorientierte digitale Dienstleistungen nutzbar gemacht werden und nicht nur wenigen großen Daten-Monopolisten zur Verfügung stehen. Wir werden ein Datengesetz schaffen, das das Gemeinwohl in den Mittelpunkt rückt. Dafür werden wir eine vertrauenswürdige Daten-Teilen-Infrastruktur fördern, öffentliche Datentreuhänder einrichten und gleichzeitig dafür sorgen, dass die großen Konzerne ihre Daten für gemeinwohlorientierte Ziele teilen müssen. Das dient auch den Städten und Kommunen, die die Daten von Airbnb über Vermietungen genauso erhalten müssen wie die Verkehrsdaten von Google Maps oder Uber. Wo Städte Aufträge vergeben, müssen sie darauf bestehen können, dass die Daten, die im Rahmen des Auftrages erhoben werden, wieder an sie zurückfließen.
Online-Handel und Plattformökonomie verändern den Handel dramatisch, mit negativen Auswirkungen für unsere Innenstädte. Damit nicht nur die großen Digitalkonzerne profitieren werden wir Plattformen für den regionalen Handel und regionale Dienstleistungen fördern. Der Handel vor Ort darf steuerlich nicht gegenüber dem Onlinehandel in Hintertreffen geraten. Darum haben wir dafür gesorgt, dass digitale Handelsplattformen dafür in Haftung genommen werden, wenn Händler, die über die Plattform Geschäfte abwickeln, die Umsatzsteuer nicht zahlen. Wir werden weiterhin konsequent gegen Steuerbetrug im Onlinehandel vorgehen.
Jeden Tag bekommen wir Dinge von Algorithmen vorgeschlagen: Neue Songs, Turnschuhe oder Routen von A nach B. Selbstlernende Systeme und Algorithmen treffen Entscheidungen für eine Vielzahl von Menschen. Sie müssen diskriminierungsfrei angelegt werden. Die Zielsetzung einer algorithmischen Entscheidung muss klar und überprüfbar definiert sein. Hierfür brauchen wir eine stringente Regulierung und Aufsicht.
Cybersicherheit ist die Grundlage für eine gefahrenfreie Digitalisierung. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist daher weiter zu stärken und die Verschlüsselungsforschung auszubauen. Wir wollen Hersteller darauf verpflichten, Softwareprodukte und technische Geräte so zu konzipieren, dass sie sicher sind (Security bei design) und dass sie bei den Standardeinstellungen die sicherste Variante wählen (Security by default).
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden wir schützen. Die Datenschutzgrundverordnung ist ein wichtiger Meilenstein und muss in ihrer Durchsetzung verbessert werden. Wir brauchen daher gut ausgestattete, effektiv arbeitende Datenschutzaufsichtsbehörden.
Privatheit und Datenschutz schaffen Vertrauen und sichern individuelle und kollektive Freiheitsräume. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass „die Freiheitswahrnehmung der Bürger*innen“ durch die Summe der staatlichen Überwachungsmaßnahmen „nicht total erfasst und registriert werden“ darf. Wir brauchen darum ein dauerhaftes, regelmäßiges und unabhängiges Monitoring der Gesetze im Sicherheitsbereich.
Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Netzes schützt viele Journalist*innen und Freiheitskämpfer*innen in aller Welt vor Verfolgung und Bedrohung. Wir sind gegen eine Klarnamenpflicht im Netz und setzen uns weiterhin für die Möglichkeit einer pseudonymen Nutzung ein. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine freie Meinungsäußerung und der beste Schutz vor Diskriminierungen.
Zur Verfolgung von aus dem oder im Internet begangenen Straftaten braucht es technisch und personell hinreichend ausgestattete Strafverfolgungsbehörden. Bei hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten auf eine Straftat müssen Verdächtige identifiziert werden können. Wir werden deshalb auch die Plattformbetreiber verpflichten, die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit zu schaffen. Zur Sicherheit im Netz gehört es, konsequent gegen alle Formen von Hasskriminalität, Betrug und andere Straftaten vorzugehen. Wir werden die nationalen Schutzvorschriften im Strafgesetzbuch und Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwickeln und setzen uns für verbindliche Regelungen auf europäischer Ebene (Digital Service Act) ein.
Es braucht aber neben den rechtlichen Vorgaben auch ziviles Engagement, um dem Respekt zwischen den Bürger*innen in der digitalen Kommunikation wieder mehr Geltung zu verschaffen. Organisationen, die gegen Hass und Hetze im Netz aktiv sind, sichern wir unsere Unterstützung zu.
Zukunftsmission IV. Update für die Gesundheit
Deutschland galt für Jahrzehnte als „Apotheke der Welt“. Die klügsten Forscher*innen fanden sich in deutschen Instituten, dort sammelten sie Nobelpreise, die unumstritten weltbeste Pharmaindustrie wurde hierzulande aufgebaut. Deutschland versorgte Kranke in aller Welt mit allen denkbaren Heilmitteln, von Aspirin bis zum Impfstoff gegen Tuberkulose. Durch die Corona-Krise wurde deutlich, dass die Abwanderung der Arzneimittelproduktion ins Ausland und die damit zunehmende Abhängigkeit zu Lieferengpässen oder gar Versorgungsengpässen führen kann.
Deutschland muss wieder seine Innovationskraft einsetzen, um Krankheiten zu bekämpfen. Dass die gezielte Förderung von Innovationen und neuen Methoden erfolgreich sein kann, hat aktuell das Beispiel BioNtech gezeigt. Es zeigt auch, dass die Gesundheitswirtschaft kein reiner Markt ist und eine aktive Rolle des Staates Leben retten kann. Wir werden die besten Medikamente und besten medizinischen Produkte entwickeln und deswegen in die Forschung, auch im Bereich der personalisierten Medizin weiter investieren. Und wir sehen es als unserer Pflicht dafür zu sorgen, dass die Medikamente, die hier entwickelt werden, in ärmeren Ländern nicht überteuert und knapp sind.
Eines unserer Ziele ist die Standardisierung der Entwicklungsmethoden der personalisierten Medizin, so dass sie zu erschwinglichen Preisen für alle zugänglich wird. Maßgefertigten Produkte statt Präparate “von der Stange” sind Anfang einer neuen Gesundheitswirtschaft und eine neue Zeit der adaptiven Zulassung von Medikamenten. Personalisierte Medizin bewirkt eine Veränderung im Verhältnis von Behandlung und Diagnostik. In der Zukunft wird es mehr Produkte geben, bei denen ein diagnostischer Test mit einem Medikament als Einheit angeboten wird.
Frauen und Kinder haben besondere gesundheitliche Bedürfnisse, die bei ihrer Gesundheitsversorgung und der Prävention berücksichtigt werden müssen. Doch in der medizinischen Forschung wird zumeist mit Daten von männlich Probanden geforscht – das werden wir ändern. Wir brauchen eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung. Wir unterstützen den Ausbau von teambasierten Formen der ambulanten Versorgung. Eine qualitativ hochwertige Versorgung kann am besten durch eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor und durch eine Überwindung der Sektorengrenzen gelingen. Dienstleistungen können dann von niedergelassenen Teams und Krankenhäusern gemeinsam erbracht werden.
Der öffentliche Gesundheitsdienst braucht eine bessere Ausstattung mit einer digitalen Infrastruktur – Hardware ebenso wie Software. Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung für die Verbesserung von Diagnosen und für die flächendeckende gesundheitliche Versorgung entschlossener nutzen. Für uns ist aber klar: Die Digitalisierung wird unser hervorragendes und engagiertes medizinisches Personal nicht ersetzen.
Hinter guter medizinischer Versorgung und Pflege stehen immer Menschen. Damit vom Pfleger bis zur niedergelassenen Ärztin alle die digitale Transformation bewältigen können, sind flächendeckende Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote unerlässlich.
Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem braucht eine stabile und solidarische Finanzierung. Wir werden eine Bürgerversicherung einführen. Das bedeutet: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle.
Gesundheit ist keine Ware. In unserem Gesundheitssystem müssen die Bürger*innen im Mittelpunkt stehen. Der Staat muss deshalb sicherstellen, dass die Leistungen der Gesundheitsversorgung den Bedürfnissen derer entsprechen, die sie benötigen. Gute Arbeitsbedingungen und vernünftige Löhne in der Pflege sind dafür eine wichtige Grundlage, professionelle Pflege ist ein höchst anspruchsvoller Beruf.
Maßnahmen zur Überwindung des Personalmangels dürfen nicht dazu führen, dass die Stellen in der Pflege abgewertet werden. Wir wollen die Renditeorientierung im Gesundheitswesen begrenzen, denn sie wirkt sich negativ auf die Versorgung der Patient*innen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, müssen zumindest mehrheitlich wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Das System der Fallpauschalen werden wir auf den Prüfstand stellen, die Pauschalen überarbeiten und wo nötig abschaffen.
Den individuellen Bedürfnissen von behandlungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen werden Fallpauschalen nicht gerecht. Sie führen dazu, dass Kinderkliniken sich in der Fläche nicht rechnen und geschlossen werden. Deshalb werden wir die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin neu strukturieren. Insgesamt werden wir für eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken und den Erhalt der Versorgung in den ländlichen Regionen sorgen.
Wie wir eine zukunftsfähige Wirtschaft fördern wollen
Viele bahnbrechende Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte hätte es ohne eine aktive und vorausschauend handelnde Politik und ohne den Erfindungsreichtum in der Zivilgesellschaft nicht gegeben. Die Politik muss die langen Linien und die Richtung beschreiben und sich als Innovationstreiber verstehen. Sie muss die gesellschaftlichen Ziele benennen, die für dringend erachtet werden und auf die sich die Kräfte konzentrieren sollen. Wir brauchen den Staat als strategischen Investor, als Ordnungs- und Gestaltungsmacht zur Lösung der Herausforderungen unserer Zeit.
Die Investitionen der öffentlichen Hand in wichtige Zukunftsfelder haben eine zentrale Bedeutung. Wir werden das, in der letzten Legislaturperiode von der SPD durchgesetzte hohe Investitionsniveau des Bundes mit mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr, weiter fortsetzen und dazu beitragen, dass sich alle staatlichen Ebenen mit großer Investitionskraft beteiligen. Ein zentraler Akteur beim Investitionsgeschehen sind die Kommunen – ihre Investitionskraft müssen wir erhalten und stärken. Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir bereits weitere Schritte getan, um Kommunen von Sozialausgaben zu entlasten. Ein noch nötiger Schritt ist, den besonders hoch verschuldeten Kommunen einmalig hohe Altschulden abzunehmen.
In Deutschland werden gegenwärtig jährlich über 300 Milliarden Euro im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe umgesetzt. Gerade die öffentliche Hand muss als großer Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen Verantwortung übernehmen. Wir werden die öffentliche Beschaffung so ausrichten, dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient. Hierfür sollten die Vergabekriterien stärker auf Innovation, Tarifbindung und klimafreundliche Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.
Wir müssen besser darin werden, aus Ideen auch Produkte und Dienstleistungen zu machen und Start-ups zu fördern. Wir werden dabei die Erkenntnisse aus der Forschung schneller und breiter in gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Innovationen übersetzten.
Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein, die wir zu einer modernen Innovations- und Investitionsagentur weiterentwickeln werden, die zusammen mit den Förderbanken der Länder die Mittel in strategisch wichtige Zukunftsbranchen lenkt.
Wir stehen an der Seite der vielen Unternehmen, die ihre soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung ernst nehmen. Das Handwerk ist der entscheidende Partner damit die Klimawende vor Ort gelingt. Wir werden das Handwerk fördern, indem wir Gebühren für Techniker- und Meisterkurse abschaffen und uns für die Tarifbindung im Handwerk einsetzen. Wir unterstützen das Handwerk in dem Bemühen, mit neuen Ausbildungskonzepten dem Fachkräftemangel zu begegnen und berufliche Ausbildung praxisnah mit Schule und Hochschule zu verknüpfen. Wir anerkennen und fördern die Rolle des Handwerks bei der Ausbildung und Integration junger Menschen aus allen Teilen der Welt.
Start-up-Unternehmen sind wichtige Wachstumsmotoren für die Wirtschaft. Wir wollen Deutschland zu einem führenden Start-up-Standort Europas machen, und so hochwertige Arbeitsplätze in den Regionen schaffen. Um mehr Unternehmensgründungen anzuregen und mittelständischen Unternehmen eine sinnvolle Nachfolgeplanung zu ermöglichen, setzten wir auf drei Kernpunkte: Organisatorische Unterstützung wie One-Stop-Agenturen für Gründer*innen, erleichterter Zugang zu Kapital durch Projektförderung sowie öffentliche Fonds für Wagniskapital und eine “Kultur der zweiten Chance”, auch im Insolvenzrecht. Existenzgründungen von Frauen und in der Fläche werden wir mit eigenen Programmen gezielt fördern.
Wir wollen Unternehmen unterstützen, für die der Sinn ihrer wirtschaftlichen Aktivität und der langfristige Bestand ihres Unternehmens wichtiger sind als der kurzfristige Gewinn. Dazu werden wir eine nationale Strategie für die Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen und sozialer Innovationen entwickeln. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften und Unternehmen in Verantwortungseigentum, werden wir verbessern. Für die Förderung einer sozial-ökologischen und digitalen Transformation unserer Wirtschaft gibt es bereits dezentrale Strukturen – wir wollen sie zu Transformationszentren als Werkstätten des Wandels bündeln und weiterentwickeln, die sich sowohl an etablierte Unternehmen als auch an Sozialunternehmen und nicht-exit-orientierte Start-ups sowie an Beschäftigte, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft richten.
Um auch in Zukunft innovativ zu bleiben, werden wir die Stärken des deutschen Wissenschaftssystems in seiner ganzen Breite und Vielfalt und seiner internationalen Ausrichtung erhalten und weiterentwickeln. Dazu fördern wir Zukunftstechnologien wie zum Beispiel Quantentechnik, Künstliche Intelligenz und Wasserstoff an vielen Stellen im Land. Wir wollen unsere öffentliche Forschungslandschaft wie die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft besser darin unterstützen, Ideen auf den Markt zu bringen.
Wir haben den Zielwert gesamtstaatlicher, also öffentlicher und privater Ausgaben für Forschung und Entwicklung, von drei Prozent des BIP bereits in den letzten Jahren übertroffen und wollen ihn weiter auf mindestens 3,5 Prozent steigern. Wir werden dazu die Innovationsförderung aufstocken, den Transfer von Forschung in die mittelständische Praxis mit Partnerschafts- und Kooperationsförderungen vorantreiben und die Förder- und Kreditprogramme für den Mittelstand im Bereich Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz ausbauen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden einen niederschwelligen Zugang zu Fördermitteln erhalten.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Austausch von wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der Gesellschaft zu. Wir werden deshalb mehr Fördergelder für Open Science und Wissenschaftskommunikation bereithalten.
Die ostdeutschen Länder haben in den letzten Jahrzehnten eine ausgezeichnete Forschungslandschaft aufgebaut, die ihr Exzellenzpotential weiter entfalten muss, insbesondere in Bezug auf die Erforschung innovativer Technologien. Ein Anreizsystem zur Kooperation zwischen kleinen Hochschulstandorten ist dazu nötig.
Damit Europa im internationalen technologischen Wettbewerb bestehen und seine Souveränität behaupten kann, werden wir in der Europäischen Union gemeinsam weiter geschlossen vorangehen. Wir setzen uns für ein neu geordnetes Wettbewerbs- und Beihilferecht ein, dass Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen großen Wirtschaftsräumen verringert.
Wie wir unsere Politik finanzieren wollen
Die Corona-Pandemie hat gravierende Auswirkungen. Auch auf die Haushalte von Bund und Ländern. Während die Steuereinnahmen zurückgehen, sind die staatlichen Ausgaben gestiegen. Zugleich wäre eine Politik der Austerität nach der Krise ein völlig falscher Weg. Wer diesen verfolgt, setzt unsere Zukunft aufs Spiel oder will harte Einschnitte in den Sozialstaat. Wir stehen für eine Finanz- und Haushaltspolitik, die die großen Zukunftsinvestitionen finanziert, so zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft, ein klimaneutrales Wachstum ermöglicht und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Daher gilt für uns: Die Finanzierung der in diesem Regierungsprogramm formulierten Schwerpunkte stellen wir sicher. Dazu werden wir die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme nutzen.
Die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen ist eine Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Die extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen ist nicht nur sozialpolitisch bedenklich, sie ist auch ökonomisch unvernünftig. Die hohe und weiter wachsende Konzentration des Vermögens auf einige Hochvermögende verhindert nachhaltiges Wachstum und verschenkt wertvolle Potenziale.
Wir werden der Steuergerechtigkeit Geltung verschaffen. Gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug werden wir konsequent vorgehen. Wir haben grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle der Anzeigepflicht unterworfen und werden eine nationale Anzeigepflicht einführen. Wir werden die Umgehung der Grunderwerbsteuer (Share Deals) beenden. Der Umsatzsteuerbetrug bei Karussellgeschäften auf europäischer Ebene muss beendet werden. Die öffentliche Transparenz ist ein gutes Mittel, um Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Wir werden Steuervermeidung mit einem öffentlichen Reporting großer, international agierender Unternehmen eindämmen (Public Country-by-Country Reporting).
Die Besteuerung von Einkommen werden wir gerechter gestalten. Das aktuelle Steuersystem nimmt gerade mittlere Einkommen zu stark in Anspruch. Wir werden eine Einkommensteuerreform vornehmen, die kleine und mittlere Einkommen besserstellt, die Kaufkraft stärkt und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranzieht.
Für diejenigen, die besonders viel verdienen, halten wir an dem Aufschlag von drei Prozentpunkten zur Einkommensteuer fest. Er soll künftig bei Verheirateten für den zu versteuernden Einkommensanteil oberhalb von 500.000 Euro im Jahr, bei Ledigen ab 250.000 Euro im Jahr gelten.
Den Solidaritätszuschlag haben wir für die allermeisten Bürger*innen abgeschafft. Die Einnahmen aus dem verbliebenen Solidaritätszuschlag, den nur noch die Spitzenverdiener*innen zahlen, werden wir weiter brauchen. Er ist ein gerechter Beitrag zu einem stabilen Gemeinwesen, das allen nutzt.
Das geltende Steuerrecht befördert die klassische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen. Das werden wir ändern und das Steuerrecht stärker auf Partnerschaftlichkeit ausrichten. Das Ehegattensplitting bildet die gesellschaftliche Realität nicht mehr ab und schließt viele Haushalte mit Kindern von dem gewährten Steuervorteil aus. Nutznießer sind stattdessen vor allem Alleinverdiener-Ehepaare mit hohen Einkommen unabhängig von der Kinderzahl. Das werden wir für neu geschlossene Ehen ändern und ein Wahlrecht für bestehende Ehen einführen.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Manager*innengehältern werden wir begrenzen, und zwar auf das 15-fache des Durchschnittseinkommens der Beschäftigten in dem Betrieb, in dem die Manager*in beschäftigt ist. Bislang gilt bei Aufwendung wie zum Beispiel Spenden: Je höher das Einkommen, desto höher die Steuerrückerstattung. Des wollen wir ändern und zukünftig alle Aufwendungen gleich behandeln.
Wir wollen die Vermögensteuer wieder in Kraft setzen, auch um die Finanzkraft der Länder für wichtige Zukunftsaufgaben zu verbessern. Wer sehr viel Vermögen hat muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Deshalb werden wir unter anderem einen maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen einführen. Gleichzeitig wird es hohe persönliche Freibeträge geben, so dass sich die Steuerbelastung auf besonders vermögende Teile der Bevölkerung konzentriert. Wir stellen sicher, dass mit der Vermögenssteuer keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Grundlage von Betrieben wird bei der Vermögenssteuer verschont.
Die Erbschaftssteuer ist reformbedürftig. In ihrer gegenwärtigen Form ist sie ungerecht, da sie vermögende Unternehmenserben bevorzugt. Mit einer effektiven Mindestbesteuerung werden wir die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abschaffen. Auch für vermögenshaltende Familienstiftungen werden wir eine Mindestbesteuerung einführen.
Wir werden eine Finanztransaktionssteuer einführen, möglichst im Einklang mit unseren europäischen Partnern. Zugleich werden wir die von uns maßgeblich mit unterstützten internationalen Verhandlungen zur Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung und einer fairen Besteuerung so genannter Digitalunternehmen zum Abschluss bringen und in Deutschland und Europa umsetzen. Google, Amazon, Facebook und andere große Digitalunternehmen müssen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.
Wir brauchen einen leistungsfähigen, sicheren und fairen Finanzmarkt, um den Wandel in eine digitale und nachhaltige Wirtschaft finanzieren zu können. Er muss ordentlich reguliert und überwacht werden. Wir werden sicherstellen, dass den Verbraucher*innen die Finanzierungsdienstleistungen kostengünstig angeboten werden und Investitionen in nachhaltige, klimafreundliche Produkte und Produktionsverfahren fördern.
Für das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit von Finanzmarktakteur*innen und Finanzprodukten ist es gerade für Kleinanleger*innen wichtig, dass sie eine unabhängige und an ihren Interessen orientierte Beratung erhalten können. Überschuldeten Privatpersonen werden wir leichter aus einer nicht aus eigener Kraft überwindbaren finanziellen Not helfen. Durch ausgeweitete vorsorgende Beratungsmöglichkeiten soll der Weg in die Überschuldung am besten von vorneherein vermieden werden.
Um den Finanzstandort Deutschland zum Motor einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft in Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen zu machen, werden wir künftig noch mehr nachhaltige Staatsanleihen auflegen und auf weitere als nachhaltig zertifizierte Finanzprodukte hinwirken.
Der Wettbewerb im Finanzsektor soll erhalten bleiben und keine Bank oder kein systemrelevanter Finanzinvestor darf eine Größe erreichen, die den Staat zu ihrer Rettung zwingen kann. Wir unterstützen die EU-Kommission dabei, darauf im Rahmen der europäischen Fusionskontrolle zu achten.
Wir haben dafür gesorgt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stärkere Kontroll-Kompetenzen erhält. Wir haben bei der Prüfung von Jahresabschlüssen der Unternehmen eine Überprüfung unmittelbar durch die BaFin ermöglicht. Sie kann nun hoheitlich prüfen, da Jahresabschlüsse die wichtigste Informationsquelle für Anleger*innen und Verbraucher*innen sind. Zudem haben wir die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer*innen verschärft und geregelt, damit sie häufiger als bisher gewechselt werden müssen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass die BaFin mehr Kompetenzen bei der Geldwäscheaufsicht auch für große Unternehmen über ihre bisherige Aufsichtszuständigkeit hinaus erhält.
Der Zoll ist neben der Polizei eine wichtige Institution im Kampf gegen Geldwäsche und Kriminalität. Wir werden die Kompetenzen des Zolls weiter stärken und die für dessen Wahrnehmung der Aufgaben verbundene Personalausstattung und Ausrüstung im Bereich illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit, organisierte Kriminalität, Geldwäsche wirkungsvoll unterstützen.
Wir lehnen eine Privatisierung von digitalen Währungen ab. Dies gilt auch für solche privaten digitalen Währungen, die in ihrem Wert stabil gehalten werden (Stablecoins).
Wie wir regieren wollen
Wir wollen vorausschauender, wirksamer, agiler und nachhaltiger regieren und dabei mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Demokratie wagen.
Unsere föderale Struktur ist eine unserer demokratischen Stärken. Im Bund, den Ländern, Städten, Landkreisen und Gemeinden wird die Zukunft ausgehandelt. Zugleich besteht die große Herausforderung darin, gemeinsame Ziele für unsere Zukunft zu verfolgen. Wir werden daher alle, die Verantwortung tragen, in die Umsetzung unserer großen Ziele mit einbeziehen.
Das Silodenken der politischen Ebenen und Ressorts wollen wir überwinden und innovative Regierungsprojekte in Plattformen organisieren. Denken außerhalb alter Muster ist gefragt. In die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Projekten wollen wir wissenschaftliche und wirtschaftliche Expertise, Verbände und die Zivilgesellschaft einbinden und das Parlament in seiner Kontrollfunktion stärken.
Die demokratische Gestaltung des digitalen Wandels, die alle Lebensbereiche umfasst, alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Felder und Ebenen, ist ein Beispiel für die Überforderung herkömmlicher Organisationsformen mit den Aufgaben unserer Zeit.
Zum nachhaltigen Regieren gehört, dass Regierungsvorhaben, Projekte und Gesetze in ihrer Umsetzung kommunikativ begleitet werden. Außerdem muss die Umsetzung in den zuständigen Verwaltungseinheiten, durch hinreichende Personalausstattung und geeignete Fortbildungsmaßnahmen sichergestellt werden.
Die Prinzipien offenen Regierungshandelns – Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit – sind für uns handlungsleitend. Wir werden die Nationalen Aktionspläne im Rahmen der Open Government Partnership Deutschlands umsetzen und weiterentwickeln.
Wir werden die Erfahrungen mit Bürgerräten auswerten und es uns zur Aufgabe machen, neue Wege der unmittelbaren Beteiligung an staatlichen Entscheidungen zu gehen.
Das Informationsfreiheitsrecht werden wir zu einem wirksamen Transparenzrecht weiterentwickeln und ausbauen. Wir werden öffentliche Daten und Informationen kostenlose und diskriminierungsfrei bereitstellen. Durch einen legislativen und exekutiven Fußabdruck machen wir den Einfluss von Lobbyist*innen bei Gesetzesentwürfen sichtbar. Damit werden Entscheidungsprozesse nachvollziehbar.
Wir werden dafür sorgen, dass Abgeordnete zukünftige ihre Einkommen auf Euro und Cent angeben müssen. Ebenso werden wir für Abgeordnete die Anzeigepflicht für Unternehmensbeteiligung und Aktionenoptionen verschärfen und klar regeln, wann ein Interessenkonflikt zwischen parlamentarischer und wirtschaftlicher Arbeit vorliegt.
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III. Eine Gesellschaft des Respekts
Wir stehen für eine Gesellschaft des Respekts. Eine Gesellschaft, in der wir uns gegenseitig anerkennen, auch wenn wir in vielerlei Hinsicht verschieden sind. Eine Gesellschaft, in der niemand auf den oder die andere herabschaut und in der Meinungsverschiedenheiten fair, zivilisiert und auf Basis unserer demokratischen Grundsätze ausgetragen werden.
Wo dieser Respekt fehlt, zerfällt unsere Gesellschaft. Das ist der Nährboden für rechte Populisten. Unsere Politik zielt darauf ab, diesen Respekt wiederherzustellen.
Unsere Politik des Respekts achtet die Würde jeder Arbeit und jede Lebensleistung. Sie steht für gleiche Lebenschancen für alle. Sie sorgt für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Sie ist konsequent gegen jede Form von Diskriminierung, egal ob es um soziale Herkunft, Geschlecht, Migrationsbiografie oder sexuelle Orientierung geht. Sie steht für politische und soziale Bürger*innenrechte. Sie steht aber auch für Pflichten.
Dazu gehört, dass sich alle an Gesetze halten. Hassreden im Internet zersetzen unsere Gesellschaft genauso wie der Eindruck, dass Steuerhinterziehung der ohnehin Privilegierten ein Kavaliersdelikt ist.
Arbeit wertschätzen
Unser Ziel ist Vollbeschäftigung mit gerechten Löhnen. Unsere Antwort auf den Wandel der Arbeitswelt ist ein „Recht auf Arbeit“. Das bedeutet für uns, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um jede*n Einzelne*n zu kümmern und jeder*m Arbeit und Teilhabe zu ermöglichen. Weil sich Arbeit verändert, soll jede*r alle Möglichkeiten bekommen, sich auch selbst weiterzuentwickeln.
Arbeit bedeutet auch die Sicherung der Existenz. Das ist ein grundlegendes Bedürfnis. Für sich selbst und die Familie. Diese Sicherheit gibt es nur, wenn man auch langfristig planen kann: Eine gute Wohnung finden, die Miete bezahlen, den Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen.
Daher setzen wir uns für gerechte Löhne ein. Wir werden die Möglichkeit vereinfachen, Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären, damit sie für alle Beschäftigten und Arbeitgeber*innen in einer Branche gelten. Tarifverträge müssen auch weiter gelten, wenn Betriebe aufgespalten und ausgelagert werden.
Wir wollen, dass möglichst viele Unternehmen sich an den Tarifverträgen beteiligen. Die Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung ist unanständig. Wir werden diese Praxis zurückzudrängen. Ein öffentlicher Auftrag darf nur an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen. Dazu schaffen wir ein Bundestariftreuegesetz. Eine bessere Tarifbindung ist darüber hinaus eine wichtige Voraussetzung, die Lohnangleichung zwischen Ost und West durchzusetzen.
Wer den ganzen Tag arbeitet, muss von seiner Arbeit ohne zusätzliche Unterstützung leben können. Auch das ist eine Frage des Respekts. Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn zunächst auf mindestens zwölf Euro erhöhen und die Spielräume der Mindestlohnkommission für künftige Erhöhungen ausweiten.
Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund werden wir abschaffen und die vom Gesetz akzeptierten Gründe für eine Befristung kritisch überprüfen. Leiharbeiter*innen werden ab dem ersten Tag den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte.
Die Corona-Krise hat erneut gezeigt, dass die soziale Sicherung der Minijobs unzureichend ist. Unser Ziel ist, alle Beschäftigungsverhältnisse in die soziale Sicherung einzubeziehen. Dabei wird es Übergänge für bestehende Arbeitsverhältnisse und Ausnahmen für bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Rentner*innen geben. Um die Nettoeinkommen von gering Verdienenden zu erhöhen, heben wir die Gleitzone der Midi-Jobs auf 1.600 Euro an. In dieser Zone zahlen die Arbeitnehmer*innen geringere Beiträge, ohne dass sie dadurch einen geringeren Rentenanspruch haben.
Corona hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie groß bei manchen Berufsgruppen die Lücke zwischen Wert und Lohn ist. Dazu gehören die sozialen Dienstleistungsberufe. Es verdient große Anerkennung, dass immer mehr junge Menschen es sich vorstellen können, soziale Berufe zu ergreifen, Mädchen genauso wie Jungen – es sind Berufe mit Bedeutung und Zukunft. Hier entstehen die meisten Arbeitsplätze.
In der Pflege wird enorme und gesellschaftlich wertvolle Arbeit geleistet. Wir wollen die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege schnell verbessern. Wir werden über die Pflegemindestlohnkommission eine weitere Erhöhung der Mindestlöhne verfolgen. Unser Ziel bleibt darüber hinaus ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. Wir haben dafür gesorgt, dass Pflegeanbieter, die nach Tarif zahlen, diese auf von der Pflegeversicherung refinanziert bekommen. Nun werden wir im Umkehrschluss die Refinanzierung der Pflegeleistungen an die Geltung von Tarifverträgen binden.
Es gibt einen gewaltigen Personalmangel in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Soziale Arbeit aufwerten heißt für uns auch: Die Arbeits- und Stressbelastung muss gesenkt werden. Wir werden deshalb den Vorschlag eines neuen Personalbemessungsrahmens unterstützen und voranbringen.
Auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird von gut ausgebildeten Fachkräften geleistet. Erzieher*innen, Lehrer*innen, Sozialpädagog*innen und Beschäftigte in der Jugendhilfe machen mit großem Engagement und viel Herzblut ihre Arbeit, doch auch hier fehlt es an Personal. Mit einem umfassenden Plan zur Fachkräftesicherung werden wir den weiteren Ausbau von Kitas, Ganztagsbetreuung an Schulen und Jugendeinrichtungen absichern. Unser Ziel ist es, die Zahl der Nachwuchskräfte in den erzieherischen Berufen bis 2030 bundesweit zu verdoppeln. Dafür werden wir eine attraktive, vergütete und schulgeldfreie Ausbildung schaffen, für mehr Ausbildungskapazitäten an Fachschulen und in den Studiengängen zur sozialen Arbeit und Kindheitspädagogik sorgen, mehr Karriereoptionen für die Fachkräfte schaffen und Beschäftigungsverhältnisse anstreben, die eine eigenständige Existenzsicherung ermöglichen.
Die Krise hat gezeigt, wie unverzichtbar und wichtig funktionierende Postdienste und Paketdienste für die Daseinsvorsorge in Deutschland sind. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind oft schlecht. Es gibt viele ungesicherte Arbeitsverhältnisse durch Scheinselbständigkeit und Subunternehmertum. Wir werden die Branche sozial und ökologisch ausrichten.
Der Erfolg der Unternehmen wird von ihren Beschäftigten erarbeitet. Deshalb verbessern wir deren Mitbestimmung. Wir werden sie auf Unternehmen in ausländischer Rechtsform erweitern. Wir werden den Geltungsbereich der Mitbestimmung durch die Absenkung der Schwellenwerte der Unternehmensgrößen erweitern. Entscheidungen zur Verlagerung oder Schließungen von Betriebsstandorten sollen nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg getroffen werden. Darum stärken wir durch eine echte Parität in den Aufsichtsräten den Einfluss der Arbeitnehmer*innen.
Die neuen technologischen Möglichkeiten bieten die Chance, die Arbeitsbedingungen in Unternehmen und Betrieben zu verbessern, Belastungen zu verringern und die Handlungsspielräume der arbeitenden Menschen zu erweitern. Bei der Digitalisierung der Unternehmen müssen die Belegschaften auf Augenhöhe beteiligt werden. Darum brauchen die Betriebsräte mehr Einfluss bei Zukunftsthemen wie Datenschutz, Arbeitszeit oder Beschäftigungssicherung. Die letzte Reform der Betriebsverfassung liegt 20 Jahre zurück und braucht ein Update. Unsere Ziele: Mehr echte Mitbestimmungsrechte bei der Beschäftigtensicherung und Betriebsänderungen, beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen, beim Einsatz neuer Technologien und Arbeitsweisen wie die der Künstlichen Intelligenz (KI), bei der Personalbemessung, damit Überlastungen beseitigt werden und bei der betrieblichen Weiterbildung als eine zentrale Voraussetzung für gelungenen Wandel. Wir werden den Kündigungsschutz für Betriebsrät*innen ausweiten und eine Behinderung von Betriebsratsarbeit stärker verfolgen.
Mit der Digitalisierung der Arbeit wird Arbeit immer häufiger ortsunabhängig erledigt oder über Plattformen organisiert. Auch hier müssen Arbeitnehmer*innenrechte unvermindert gültig und wirksam sein. Gewerkschaften sollen ein digitales Zugangsrecht zum „virtuellen“ Betrieb erhalten. Beschäftigte auf Plattformen sollen sich zusammenschließen können, um gemeinsam grundlegende Bedingungen ihrer Tätigkeit mit den Plattformen aushandeln können. Wir wollen, dass der Arbeitnehmerstatus einfacher geklärt werden kann. Wir werden ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften und ein Beschäftigtendatenschutzgesetz einführen.
Die Corona-Krise hat Teile der Arbeitswelt auf den Kopf gestellt, das Homeoffice hat an Bedeutung gewonnen. Der Schreibtisch in den eigenen vier Wänden und Videokonferenzen statt persönlicher Begegnung waren anfangs ungewohnt, sind aber inzwischen Alltag und Routine für viele Bürger*innen.
Wir werden einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit einführen. Grundsätzlich sollen Beschäftigte bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten dürfen. Wenn es die Tätigkeit erlaubt. Klar ist, dass das nicht in Rund-um-die-Uhr-Arbeiten ausarten darf – auch im Homeoffice müssen Arbeits- und Ruhezeiten gelten; und natürlich gilt das Recht auf Nichterreichbarkeitszeiten. Auch müssen die Arbeitgeber darauf achten, dass die Arbeitszeit jeden Tag vollständig erfasst wird, damit Homeoffice nicht bedeutet: unbezahlte Überstunden. Um betriebliche Regelungen zur mobilen Arbeit zu fördern, schaffen wir ein Mitbestimmungsrecht zur Einführung und bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. Der Grundsatz der Freiwilligkeit der mobilen Arbeit für Arbeitnehmer*innen ist für uns Voraussetzung.
Für viele Menschen ist Selbständigkeit eine attraktive Form der Erwerbstätigkeit. Unternehmergeist fördert dringend benötigte Innovationen. Wir schaffen ein Klima, das Selbständigkeit positiv aufnimmt und unterstützt. Dazu gehört, dass offensichtliche Schutzlücken bei kleinen Selbständigen und Kreativen beseitigt werden und deren soziale Absicherung verbessert wird.
Die Corona-Krise hat uns deutlicher denn je vor Augen geführt, wie schnell man ohne eigenes Zutun in Not gerät und wie schnell Rücklagen aufgebraucht sind. Wir werden darum Solo-Selbständige, darunter sind beispielsweise viele Künstler*innen, Autor*innen, Maler*innen, Übersetzer*innen, Entwickler*innen, besser absichern. Dafür werden wir die Absicherung in der Künstlersozialversicherung ebenso wie in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung verbessern. Im Vordergrund steht bei der Künstlersozialversicherung eine Absenkung des notwendigen Mindesteinkommens, die Prüfung des Zugangs für weitere Berufsgruppen.
Der Wechsel zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Selbständigkeit ist keine Ausnahme mehr. Wer Neues wagt, braucht Sicherheit. Die bestehende freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung bietet ein solches Netz. Wir werden den Zugang verbessern und mehr Sicherheit im Bedarfsfall schaffen. Die Regelungen für die ständigen und nicht ständig Beschäftigten zum Beispiel im Bereich des Films und der Theater werden wir deutlich vereinfachen und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stärken und ausbauen.
Wir werden eine grundsätzliche Pflicht zur Altersvorsorge einführen. Die Mindestbeiträge zur Krankenversicherung für Selbständige haben wir bereits gesenkt – und wir werden die Gesamtbelastung insbesondere für Solo-Selbständige mit niedrigen Einkommen im Auge behalten.
Wir werden auch Solo-Selbständige besser absichern, deren Geschäftsmodell sie grundsätzlich trägt, wo jedoch unvorhersehbare erhebliche Einnahmeausfälle, etwa durch den kurzfristigen Wegfall von Auftraggebern, zu Notlagen führt. Mit einem Sicherungsgeld schaffen wir ein neues und freiwilliges Angebot für eine solidarische Absicherung in Notlagen, die über branchen- und saisonübliche Schwankungen hinausgehen. Das Sicherungsgeld soll mit Leistungen der Arbeitslosenversicherung vergleichbar sein und durch die Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt werden. Das durch Beiträge der Selbständigen finanzierte Sicherungsgeld hat dabei Vorrang vor Leistungen der Grundsicherung.
Berufschancen erhöhen
Junge Berufsanfänger*innen brauchen eine Chance in das Berufsleben einzusteigen. Sie verdienen Respekt ebenso wie jene, die einen beruflichen Neustart wagen. Unser Ziel ist es, individuell zu fördern und neue Chancen zu schaffen. Mit einer Garantie für eine Ausbildung werden wir jungen Menschen ohne betrieblichen Ausbildungsplatz den Einstieg ins erste Ausbildungsjahr in einer Berufsschule oder einer überbetrieblichen Ausbildung ermöglichen. Das tun wir zusammen mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern vor Ort. Betriebliche Ausbildung hat dabei für uns immer Vorrang. Wir werden zudem unseren Weg fortsetzen, in den Berufen der Gesundheit, Pflege und Erziehung die vollschulischen Ausbildungen dual auszurichten. Damit werden sie kostenfrei und die Auszubildenden erhalten eine Vergütung. Zudem werden wir die dualen akademischen Ausbildungswege und damit die Bedeutung der Professionalität in diesen Berufsfeldern stärken und Karriereoptionen für die Beschäftigten eröffnen.
Der Lernort Berufsschule wird gestärkt, vor allem im ländlichen Raum und in strukturschwachen Regionen. Das ermöglicht ein Pakt für berufsbildende Schulen von Bund, Ländern und Schulträgern zusammen mit den Sozialpartnern. Im Vordergrund stehen dabei die Modernisierung der technischen Ausstattung und eine verbesserte Sicherung des Lehrkräfte-Nachwuchses. Um berufliche und akademische Bildung besser zu verzahnen, werden wir das duale Studium besser fördern. Den Weg der Gebührenfreiheit bei der Aufstiegsfortbildung setzen wir fort.
Arbeit ist im Wandel. Durch die technologische Entwicklung gehören manche Berufsbilder inzwischen der Vergangenheit an oder werden in naher Zukunft verschwinden oder sich verändern. Gleichzeitig entstehen neue Berufsbilder, die Zukunft versprechen. Damit alle die damit verbundenen Möglichkeiten nutzen können, lenken wir unser Augenmerk auf die Weiterbildung.
Wir wollen die Arbeitslosenversicherung zu einer solidarischen Arbeitsversicherung weiterentwickeln. Sie soll nicht erst im Fall der Arbeitslosigkeit auf den Plan treten, sondern dabei helfen, diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Bundesagentur für Arbeit bauen wir darum zur Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung um, die ein hochwertiges und individuelles Beratungsangebot gewährleistet. Wir werden einen Anspruch auf Qualifizierung einführen, der bereits nach drei Monaten ohne neue Erwerbsarbeit greift (Arbeitslosengeld Q). Damit halten wir den Betroffenen den Rücken frei, um sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können: Neue Arbeit zu finden, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
Wir schaffen ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen. Jede*r Einzelne wird bei den bevorstehenden Veränderungen unterstützt. Wir werden ein Recht schaffen, das es Arbeitnehmer*innen auch mit 40plus ermöglicht, noch einmal einen ganz neuen Beruf zu erlernen.
Mit unserem Modell der geförderten Bildungszeit und Bildungsteilzeit werden wir ermöglichen, dass alle Erwerbstätigen im Lauf ihres Erwerbslebens auf eigene Initiative und mit staatlicher Unterstützung unabhängig vom Betrieb sich weiterbilden oder umschulen können. Wer Bildungszeit oder Bildungsteilzeit beantragt, erhält ein Recht, sich von seinem Beruf freistellen zu lassen oder die Arbeitszeit zu reduzieren. Die Bildungszeiten werden wir mit einer finanziellen Förderung ausgestalten, die Lohneinbußen während der Weiterbildung oder Umschulung angemessen kompensiert – und zwar lange genug, um anerkannte Abschlüsse zu erwerben. Bei den Kosten für die Weiterbildungsmaßnahme werden wir diejenigen unterstützen, die die Mittel nicht oder nicht vollständig aus eigener Tasche aufbringen können
Für die Anforderungen des berufsbegleitenden Lernens werden wir alle vorhandenen Instrumente der Ausbildungsfinanzierung entstauben und nachschärfen. Dazu werden wir das BAföG und das Aufstiegs-BAföG besser aufeinander abstimmen und perspektivisch zusammenführen. Die Altersgrenzen im BAföG werden wir dazu in einem ersten Schritt aufheben. Und wir brauchen ein Neustart-BAföG, das auch im Erwachsenenalter neue berufliche Wege öffnen und angemessen den Lebensunterhalt sichert.
Bereits jetzt besteht die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer*innen ihre geleisteten Arbeitsstunden auf Langzeitkonten ansparen. Allerdings besteht bislang kein rechtlicher Anspruch darauf und nur ein kleiner Teil der Unternehmen und Arbeitnehmer*innen nutzt Langzeitkonten. Wir werden das Instrument zu einem persönlichen Zeitkonto weiterentwickeln, um zusätzlich individuelle Gestaltungsmöglichkeiten entlang des Lebenslaufs zu schaffen. Basis eines solchen Zeitkontos sind Zeiteinzahlungen der Beschäftigten – auf diese Weise gehen Überstunden nicht verloren, sondern verwandeln sich in ein Zeitguthaben, das per Tarifvertrag oder durch den Staat aufgestockt werden kann.
Solidarität erweitern
Unser Sozialstaat ist der Garant, auf den sich alle verlassen können müssen, damit unsere Gesellschaft zusammenhält. Er baut auf sozialen Rechten und Pflichten auf. Bürger*innen treten ihm nicht als Bittsteller*innen gegenüber. Wir werden den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtern. Dabei haben wir insbesondere neue Beschäftigungsformen und unterbrochene Erwerbsbiographien im Blick. Wir wollen Lebensleistungen stärker berücksichtigen. Wer länger eingezahlt hat, soll zukünftig auch länger Arbeitslosengeld I beziehen.
Für Bürger*innen, die trotz bester Unterstützung keine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, haben wir den sozialen Arbeitsmarkt eingeführt. Er ebnet denjenigen, die seit vielen Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen sind, den Weg in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Es hat sich bewährt, sinnvolle und sozial abgesicherte Tätigkeiten zu schaffen. Wir werden das fortsetzen. Auch weiterhin werden wir Arbeitgeber*innen mit Lohnkostenzuschüssen unterstützen, die Langzeitarbeitslose sozialversicherungspflichtig einstellen.
Die Grundsicherung werden wir grundlegend zu einem Bürgergeld entwickeln. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Das Bürgergeld soll digital und unkompliziert zugänglich sein. Bescheide und Schriftwechsel sollen eine verständliche Sprache sprechen. Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zum Leben ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last werden. Die Kriterien zur Regelsatzermittlung werden wir weiterentwickeln und hierbei die Erfahrungen von Betroffenen und Sozialverbänden mit einbeziehen. Zudem werden wir höhere Bagatellgrenzen einführen, um die ökonomisch unsinnigen Streitigkeiten über die Rückzahlung geringfügiger Beträge zu verhindern.
Das Ziel muss sein, die hilfsbedürftige Lebenslage gemeinsam zu bezwingen und allen eine Beschäftigung und, falls erforderlich, eine Qualifizierung und Weiterbildung zu ermöglichen. Wir schaffen das Recht, beim Nachholen eines Berufsabschlusses gefördert zu werden und führen einen Weiterbildungs-Bonus ein, der die finanziellen Spielräume spürbar erweitert.
Wir haben wegen der Corona-Pandemie die Vermögensprüfung weitestgehend ausgesetzt. Man läuft nicht mehr Gefahr, aus der Wohnung ausziehen zu müssen. Dadurch können sich die Behörden und die Betroffenen in den ersten Monaten mit voller Energie auf eine sinnvolle Wiederaufnahme der Beschäftigung konzentrieren. Die guten Erfahrungen aus diesen vorübergehenden Maßnahmen haben uns darin bestätigt, dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft Vermögen und Wohnungsgröße innerhalb von zwei Jahren nicht überprüft werden.
Das Bürgergeld beinhaltet Mitwirkungspflichten, setzt aber konsequent auf Hilfe und Ermutigung. Eingliederungsvereinbarungen werden durch eine gemeinsame und auf Augenhöhe erarbeitete Teilhabevereinbarung ersetzt. Bei ihrer Umsetzung setzen wir auf Befähigung und Bestärkung und nicht auf Vorgaben und Zwang. Das sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminimum muss jederzeit gesichert sein. Sinnwidrige und unwürdige Sanktionen schaffen wir ab.
Die Leistungen des Sozialstaates sind soziale Rechte – wer sie benötigt, sollte nicht lange suchen müssen. Unser Ziel ist es, die Leistungen ohne Hürden und Umwege zugänglich zu machen. Dafür werden Servicestellen gebraucht, die wie aus einer Hand – analog und digital – Informationen, Beratung und Möglichkeiten zur Antragsstellung anbieten. Sie sollen helfen, Rechtsansprüche geltend zu machen und auch danach beratend alle Schritte begleiten.
Alter absichern
Für alle Erwerbstätigen muss eine gute und verlässliche Rente nach vielen Jahren von Arbeit sicher sein. Es geht um Respekt und Wertschätzung der Arbeit und darum, sich mit eigener Arbeit eine gute eigenständige Absicherung im Alter zu schaffen und am gewohnten Lebensstandard anzuknüpfen. Zentrale Grundlage dafür bleibt für uns die gesetzliche Rentenversicherung mit ihren verlässlichen Leistungen und ihrer solidarischen Finanzierung.
Wir wollen die gesetzliche Rente stärken und stehen für eine dauerhaft stabile Rentenleistung und ein dauerhaftes Rentenniveau von mindestens 48 Prozent. Arbeit darf ihren Wert im Alter nicht verlieren.
In Parlament und Regierung haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Grundrente kommt. Nun ist sie da und schützt viele Menschen, die Jahrzehnte für geringe Löhne gearbeitet haben, vor dem Risiko im Alter arm zu sein.
Immer wieder fordern Arbeitgeber und konservative Kräfte, dass Menschen für eine gute Rente noch länger arbeiten sollen. Wir lehnen eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ab, weil sie für viele, die nicht länger arbeiten können, eine Rentenkürzung bedeutet und ungerecht ist. Den gesetzlichen Anspruch, dass besonders langjährig Versicherte vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen können, werden wir beibehalten.
Solidarität in der Alterssicherung bedeutet für uns zudem, dass auch die Selbstständigen, Beamt*innen, freien Berufe und Mandatsträger*innen der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Es ist an der Zeit, die Gesamtheit der Erwerbstätigen in die Rentenversicherung aufzunehmen und die Sondersysteme auf lange Sicht zu überwinden. Wenn es zu einer Zusammenführung der Altersversorgung der Beamt*innen mit der gesetzlichen Rentenversicherung kommt, wird das Gesamtniveau ihrer Alterssicherung nicht reduziert.
Es darf nicht sein, dass jemand wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Armut gerät. Wir werden daher die Armutsrisiken bei den heutigen Erwerbsminderungsrentner*innen verringern und für sie Verbesserungen erreichen.
Wir wollen eine geschlechtergerechte Rente. Unterschiedliche Arbeitszeiten und familienbedingte Tätigkeiten bei den Renten werden wir gerechter behandeln. Langjährige Pflege von Eltern, Schwiegereltern oder anderen Familienmitgliedern dürfen sich nicht mehr negativ auf die Rente auswirken und die eigene Altersarmut bedeuten. Hier brauchen wir mehr Solidarität und Respekt vor dieser schweren Aufgabe.
Wir haben es kleinen und mittleren Unternehmen erleichtert, für ihre Beschäftigten in die betriebliche Altersversorgung einzusteigen. Unser ist Ziel ist, dass deutlich mehr Beschäftigte in einer betrieblichen Altersversorgung abgesichert sind. Dabei sollten tarifvertraglich vereinbarte kollektive Altersversorgungsformen bevorzugt werden.
Wir wollen allen gesetzlich verpflichtet Versicherten zusätzlich die Möglichkeit einräumen, sich in angemessenem Umfang ergänzend freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern.
Eine ergänzende private Altersvorsorge ist kein Ersatz für die gesetzliche Rente. Die bisherigen Ergebnisse der Riester-Rente sind nicht zufriedenstellend. Wir wollen daher bei klassischen privaten Angeboten der Altersvorsorge bürokratische Hemmnisse abbauen und Kosten senken. Zugleich setzen wir uns für ein neues standardisiertes Angebot der Altersvorsorge ein, das kostengünstig ist, digital und grenzüberschreitend angeboten wird.
Für einander einstehen
Eine Gesellschaft des Respekts misst sich auch am Umgang mit den Bürger*innen, die auf andere angewiesen sind und gepflegt werden müssen. Wir haben bereits dafür gesorgt, dass Angehörige mit einem Einkommen unter 100.000 Euro pro Jahr nicht mehr für die Pflegekosten herangezogen werden. So müssen sich Eltern nicht mehr sorgen, dass ihre Kinder später für ihre Pflege aufkommen müssen.
Für Pflegebedürftige mit kleinen und mittleren Einkommen werden wir den Eigenanteil deckeln, damit Pflege für sie bezahlbar bleibt. Zukünftige Kostensteigerungen werden solidarisch über einen Mix aus moderat steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen und einem dynamischen Bundeszuschuss finanziert.
Mittelfristig streben wir eine Vollversicherung als Bürgerversicherung an, die alle pflegerischen Bedarfe und Leistungen abdecken. Damit reduziert sich der Eigenanteil für die Pflege noch einmal deutlich. Für uns ist es außerdem wichtig, dass Länder, Landkreise und Kommunen mehr Möglichkeiten erhalten, darüber zu entscheiden, wo und in welcher Trägerschaft Heime entstehen. Um ihren Sicherstellungsauftrag zu gewährleisten, müssen sie deutlich intensiver in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Bei Pflegebedürftigkeit wollen viele in der eigenen Wohnung bleiben. Dabei sind sie oft auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen. Dabei entsteht viel Rechtsunsicherheit zu den wechselseitigen Pflichten und Rechten. Wir werden in diesem Bereich für Klarheit sorgen.
Wir werden im Rahmen eines Modellprojektes des Bundes Dienstleistungszentren (DLZ) als Dreh- und Angelpunkte bestehender und neu zu schaffender Angebote gründen, dass gezielt in kleinen Städten und Gemeinden. Die DLZ vermitteln sozialversicherungspflichtig beschäftigte Pflegekräfte, medizinische und haushaltsnahe Dienstleistungen, sie erkennen fehlende Angebote schaffen in Kooperation mit dem sozialen Arbeitsmarkt Abhilfe.
Wir werden durch eine besondere Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, älteren Menschen helfen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu leben, Schwarzarbeit bekämpfen und den Personen, die ohne Sozialversicherung in den privaten Haushalten arbeiten, eine Absicherung bei Arbeitsunfällen oder Krankheit geben. Diese Förderung soll so ausgerichtet sein, dass sie auch von Geringverdiener*innen in Anspruch genommen werden kann.
Bezahlbar wohnen
Eine Wohnung zu finden wird in vielen Lagen zu einer immer größeren Herausforderung. Selbst mit mittlerem Einkommen nicht.
In angespannten Wohnlagen werden wir daher ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium einführen, das bedeutet: Mieten können für eine bestimmte Zeit nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden. Wir werden außerdem die Mietpreisbremse entfristen und Schlupflöcher schließen, den Betrachtungszeitraum von Mietspiegeln auf acht Jahre verlängern, die Möglichkeit für die Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter*innen auf vier Prozent begrenzen und das Umwandlungsverbot entfristen.
Wir werden bezahlbaren Wohnraum erhalten und neuen schaffen. Dazu werden wir alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, aber auch private Wohnungsunternehmen und Vermieter*innen, die sich einer sozialverträglichen Vermietung verpflichtet fühlen, sollten dabei sein wie auch die Bauwirtschaft und die Gewerkschaften. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten vor allem für den erforderlichen Neubau sowie die Quartiersentwicklung und den Klimaschutz. Nach wie vor ist der Neubau von 100.000 Sozialwohnungen jährlich erforderlich. Daneben führen wir eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein und fördern damit ein zusätzliches nicht gewinnorientiertes Segment auf dem Wohnungsmarkt.
Unsere Bodenpolitik wird am Gemeinwohl orientiert. Bund, Länder und Kommunen sollen öffentliches Eigentum an Grundstücken sichern und vermehren, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen. Wir werden wo möglich dazu beitragen, dass kommunale Wohnbauflächen nicht veräußert werden, Flächen wo möglich zurückerworben werden und öffentliches Bauland nur auf dem Weg der Erbpacht abgeben wird. Mit der Schaffung von Bodenfonds erhalten Kommunen ein Instrument für die nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnungsbau. Wir werden die bislang nach einer Zehn-Jahres-Frist geltende Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne nicht selbst genutzter Grundstücke abschaffen. Wir werden die Eigentümerstrukturen über ein zentrales Immobilienregister transparent machen.
Wohneigentum dient nicht nur der Versorgung mit Wohnraum, sondern auch der Vermögensbildung und Alterssicherung. Um insbesondere jungen Familien den Weg zu den eigenen vier Wänden zu erleichtern, werden wir den Zugang zu Mietkaufmodellen oder Genossenschaftsanteilen in angespannten Wohnungsmärkten sowie den Erwerb von Bestandsimmobilien, insbesondere in vom Leerstand betroffenen Ortskernen, mit einem Programm „Jung-Kauft-Alt“ fördern.
Die Corona-Pandemie verstärkt die Strukturveränderungen in unseren Innenstädten und Stadtteil-Zentren, vor allem im Einzelhandel, aber auch in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und in der Kultur. Wir unterstützen die Städte dabei, die Innenstädte lebendig zu halten und notwendige Nutzungsänderungen mitgestalten zu können, unter anderem durch die Einführung eines Gewerbemietspiegels, effektiven Kündigungsschutzes und Mietpreisbegrenzungen. Ein besonderes Augenmerk werden wir auf die Entwicklung im ländlichen Raum legen.
Gut aufwachsen
Kinder und Jugendliche brauchen starke Familien. Sie brauchen Liebe, Zuwendung und Zeit. Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass sich Menschen für Kinder entscheiden und sie auf ihrem Weg in ein selbständiges Leben bestmöglich begleiten. Bei allen Fortschritten in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist klar: Eltern können über viele Jahre nicht so arbeiten, als wenn sie keine Kinder hätten. Das gilt zumal dann, wenn neben der Kindererziehung noch Alltagshilfe oder Pflege für ältere Angehörige zu leisten ist.
In der Krise ist erneut deutlich geworden, dass Fürsorgearbeit überwiegend von Frauen geleistet wird. Wir treten dafür an, dass Familien mehr Zeit füreinander haben. Erwerbs- und Sorgearbeit soll gerechter zwischen Frauen und Männern verteilt werden. Alleinerziehende müssen besondere Unterstützung bekommen.
Wir werden ein Vier-Säulen-Modell für mehr Familienzeit einführen. Die erste Säule sind zwei Wochen Elternschaftszeit direkt nach Geburt eines Kindes, auf die jeder Vater bzw. der/die Partner*in kurzfristig und sozial abgesichert Anspruch hat. Wir werden damit Familien mit Kindern in ihrer allerersten Phase unterstützen und die Voraussetzungen für eine gerechtere Aufteilung von Sorgeaufgaben schaffen.
Die zweite Säule ist die Familienarbeitszeit, mit der wir den derzeitigen Partnerschaftsbonus beim ElterngeldPlus zu einer flexiblen, geförderten Elternteilzeit nach dem ersten Lebensjahr eines Kindes ausbauen werden. Wenn in Paarfamilien beide Elternteile gleichzeitig oder Alleinerziehende ihre Arbeitszeit reduzieren, sollen sie zukünftig je zehn Monate ElterngeldPlus erhalten – mindestens 200 und höchstens 900 Euro. Diese Leistung kann so lange genutzt werden wie auch der Anspruch auf Elternzeit gilt. Denn auch jenseits des Kleinkindalters brauchen Eltern Zeit für ihre Kinder, sei es bei der Einschulung, weil ein Umzug ansteht oder ein Kind einfach mehr unterstützt werden muss als andere.
Die dritte Säule ist das neue Elterngeld akut als dauerhafte Ausweitung der pandemiebedingt erhöhten Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Kind, Jahr und Elternteil – bei mehr als zwei Kindern maximal 90 Tage pro Elternpaar oder Alleinerziehende. Kinderkrankentage waren schon vor Corona oft zu knapp – gerade bei jüngeren Kindern, die in den ersten Kita-Jahren häufig krank werden. Darüber hinaus soll künftig auch anderer kurzzeitiger Betreuungsbedarf über das neue Elterngeld organisiert werden können.
Unser Modell der Familienpflegezeit ist die vierte Säule. Wer Angehörige pflegt, soll dabei unterstützt werden, die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren. Das bedeutet: 15 Monate Anspruch auf Unterstützung (Lohnersatz) bei einer Arbeitszeitreduzierung für jeden nahen Angehörigen ab Pflegegrad 2, auf mehrere Pflegepersonen aufteilbar mit einer Mindestarbeitszeit von 15 bis 20 Stunden. Wichtig ist, dass Unternehmen gezielt auch die Männer ermutigen, dieses Modell zu nutzen.
Wir werden dafür sorgen, dass jedes Kind und alle Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen haben, das Bestmögliche aus ihrem Leben zu machen. Jedes Kind soll gut und geborgen aufwachsen und alle jungen Menschen sollen gut ins Erwachsenenleben starten. Die Unterstützung von Kindern und Familien in Deutschland ist vielfältig. Aber genau dort, wo sie besonders gebraucht wird, kommt sie oft nicht an.
Wir haben deshalb ein Konzept der Kindergrundsicherung entwickelt, das aus zwei zentralen Bereichen besteht. Zum einen aus einer Infrastruktur, die gerechte Bildung und Teilhabe für alle Kinder ermöglicht. Sie beinhaltet gute und beitragsfreie Kitas, ein Ganztagsangebot für Schulkinder, eine soziale Infrastruktur für Jugendliche und freie Fahrt mit Bus und Bahn im Nahverkehr. Die Kindergrundsicherung besteht zum anderen aus einem neuen existenzsichernden, automatisch ausgezahlten Kindergeld, das alle bisherigen Familienleistungen zusammenfasst und nach Einkommen der Familie gestaffelt ist – je höher der Unterstützungsbedarf, desto höher das Kindergeld. Damit machen wir das Leben der Familien leichter, die es besonders schwer haben. Der monatliche Basisbetrag dieses neuen Kindergeldes wird bei 250 Euro liegen – und der Höchstbetrag je nach Einkommen der Eltern und Alter der Kinder bei bis zu 528 Euro. Das neue Kindergeld ersetzt so den Kinderfreibetrag und bündelt bisherige Leistungen.
Junge Menschen in Ausbildung sollen durch direkte, elternunabhängige Auszahlung des neuen Kindergeldes finanziell abgesichert werden – mit einem zusätzlichen, auskömmlichen Fördersatz an BAföG obendrauf.
Wir wollen Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien bündeln, die von Krankheit, Behinderung oder Bildungsbenachteiligung betroffen sind. Förderhilfen in Kita und Schule gehören nicht in die Eingliederungshilfe, sondern in die Kinder- und Jugendhilfe. Eltern müssen einen einfachen Zugang zu Unterstützungsleistungen haben. Dafür sind auf der Grundlage des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes weitere Schritte notwendig.
Ohne bezahlbare Wohnheimangebote ist für viele Auszubildende und Studierende eine erfolgreiche Ausbildung nicht möglich. Wir werden sie ausbauen und zudem das Jugendwohnen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe zukünftig für junge Menschen bis 27 Jahre ermöglichen sowie mehr Räume für Jugendarbeit schaffen.
Zur Unterstützung der beruflichen Orientierung und persönlichen Entwicklung, der Stärkung des freiwilligen Engagements muss jeder junge Mensch nach Ende der Schulzeit die Möglichkeit haben, sich für ein Jugendfreiwilligenjahr zu entscheiden. Wir werden einen Rechtsanspruch auf Förderung aller Freiwilligendienst-Vereinbarungen für unter-27-Jährige schaffen, beispielweise im Freiwilligen Sozialen Jahr oder in internationalen Freiwilligendiensten. Das Engagement in Jugendfreiwilligendiensten muss für junge Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft möglich sein. Dafür soll es ein bundesweit einheitliches Freiwilligengeld geben, das junge Menschen zusammen mit dem neuen gestaffelten Kindergeld elternunabhängig absichert.
Wir werden Kinderrechte auf Schutz, Beteiligung und Förderung und den Vorrang des Kindeswohls im Grundgesetz verankern. Wir werden das Wahlalter für junge Menschen auf 16 Jahre senken. Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf echte Beteiligung in kommunalen Jugendhilfeausschüssen und Landesjugendhilfeausschüssen, die gesetzlich in den Kommunalverfassungen verankert werden müssen. Bestehende Beteiligungsstrukturen wie Jugendverbände, Jugendringe, Kinder- und Jugendparlamente wollen wir dauerhaft und nachhaltig finanzieren und jedes neue Gesetz einem Jugend-Check unterziehen.
Die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Jugend- und Auszubildenden-Vertretungen (JAV) werden wir verbessern, indem ihr Vertretungsrecht auf alle Beschäftigten in Ausbildung ausgedehnt und die Gründung einer JAV auch ohne Betriebsrat ermöglicht wird.
Mit einem Bundesprogramm „Gemeindehaus 2.0“ werden wir aufbauend auf dem Netz der Mehrgenerationenhäuser noch mehr Angebote unter einem Dach bündeln: außerschulischen Bildung, Sport, Kultur und Jugendarbeit, Netzwerke für den Kinderschutz, barrierefreie digitale Infrastruktur für alle Kinder und Jugendlichen, die sie für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe benötigen. Selbstbestimmte Räume für die Kinder- und Jugendarbeit müssen unabhängig davon erhalten und ausgebaut werden.
Ein gutes Ganztagangebot ist entscheidend für gleiche Chancen – und das muss für alle Kinder zur Verfügung stehen. Ganztagsschulen sind Lern- und Lebensorten, wo gute Chancen für alle ermöglicht und sichergestellt werden. Schule erreicht jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ist für viele Eltern aber der unbedingt notwendige nächste Schritt in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auf den sie dringend warten. Mehr als 70 Prozent wünschen sich ein solches Angebot für ihre Kinder.
Die Verbindung von Bildungserfolg und Familienhintergrund droht durch die zeitweise Einschränkung des Präsenzunterrichts während der Pandemie sich noch zu verfestigen und Bildungsbenachteiligungen zu verstärken. Aus diesem Grund starten wir die Bundesinitiative Chancengleichheit in der Bildung. Mit einem Bundesprogramm für Schulsozialarbeit werden wir durch den Bund finanzierte Chancenhelfer für jede Schule fördern.
Der Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse ist für uns bei der Weiterentwicklung der Bund-Länder-Zusammenarbeit maßgebend, damit Kinder und Jugendliche aus wirtschaftlich benachteiligten Familien nicht alleine gelassen werden. Die Mittel von Bund und Ländern müssen durch die zusätzliche Einführung von Sozialkriterien da ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche sicher aufwachsen. Wir werden daher Strafrecht und Prävention besser verbinden, um Kinder und Jugendliche wirksam zu schützen. Wir brauchen Schutzkonzepte und Kinderschutzbeauftragte für Kitas, Schulen und Jugendhilfe-Einrichtungen und werden das durch vom Bund geförderte Pilotprojekte unterstützen. Darüber hinaus werden wir eine unabhängige Ombudsstelle einrichten.
Wir werden Präventionsketten und Netzwerke für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen schaffen, in denen Jugendhilfe und Gesundheitsdienst, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, öffentliche und freie Träger, Polizei und Familiengerichte auf kommunaler Ebene verbindlich zusammenwirken. Schutzstandards für Kinder und Jugendliche müssen auch im digitalen Raum gelten, also die Rechte auf Schutz der persönlichen Integrität, vor sexueller Belästigung und Gewalt, Entwicklungsbeeinträchtigungen und wirtschaftlicher Ausbeutung. Um die Belastungen für Kinder und Jugendliche vor allem in Kinderschutz- oder Sorgerechtsverfahren so gering wie möglich zu halten, setzen wir uns für eine kindgerechte Justiz ein.
Gleichstellung verwirklichen
Bei der großen Aufgabe der Gleichberechtigung der Geschlechter wurde in den letzten Jahrzehnten vieles erreicht, wenn auch noch lange nicht alles. In einigen Bereichen fehlt es an gesetzlichen Grundlagen, um den Fortschritt, der für viele selbstverständlich ist, auch rechtlich durchzusetzen.
Das Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche und gleichwertige Arbeit muss selbstverständlich auch zwischen den Geschlechtern gelten. Wir werden ein Gesetz für gleiche Löhne für Frauen und Männer einführen. Es wird Unternehmen und Verwaltungen verpflichten, Löhne und Gehälter im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen und Verfahren festlegen, mit denen festgestellte Ungleichheit bei der Entlohnung beseitigt wird, ohne dass sich Betroffene selbst darum kümmern müssen.
Gleichberechtigung ist auch eine Frage der politischen Repräsentation. Darum setzen wir uns für Paritätsgesetze für den Bundestag, die Länder und Kommunen ein, damit Frauen und Männer in gleichem Maße an politischen Entscheidungen beteiligt sind.
Erfolgreiches Wirtschaften braucht geschlechterparitätische und kulturell vielfältige Arbeitsteams. Selbstverständlich auch an den Unternehmensspitzen. Deshalb haben wir die Vorgaben für die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen verbessert. Wir haben zunächst eine Quote für Aufsichtsräte eingeführt; danach haben wir dafür gesorgt, dass in den Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten großen Unternehmen mindestens eine Frau vertreten sein muss. Wir werden weiterhin mit Förderprogrammen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.
Der erste Programmierer der Welt war eine Frau: Ada Lovelace. Doch heute sind IT-Berufe in hohem Maße von Männern dominiert, und an der Spitze von Tech-Unternehmen in Deutschland Frauen noch seltener vertreten als im Durchschnitt der Unternehmen. Wir wollen, dass Mädchen und junge Frauen früh erfahren, dass Technik und Unternehmensgründung etwas für sie sein kann. Wir wollen einen besseren Zugang für Frauen zu Gründungskapital und eine umfassende und koordinierte Förderstrategie, um geschlechtsbezogene Barrieren für digitalisierungsbezogene Unternehmensgründungen abzubauen.
Wenn der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, über das Leben oder die Chancen von Menschen mitentscheidet, dürfen sie niemals diskriminieren. Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden.
Versorgungssicherheit und die freie Wahl des Geburtsortes brauchen Paare, die sich für Kinder entscheiden. Ob nun stationär oder ambulant in der Klinik, im Geburtshaus oder in den eigenen vier Wänden. Für eine gute Geburtsbegleitung ist ein Betreuungsschlüssel für Hebammen notwendig, der eine 1:1 Betreuung im Kreißsaal vorsieht. Daher muss auch die Geburtshilfe aus dem System der „diagnosebezogenen Fallpauschalen“ entlassen werden.
Frauen und Paare, die sich in einer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, brauchen Zugang zu Informationen und einer wohnortnahen, guten medizinischen Versorgung – das gilt ambulant wie stationär. Deshalb müssen Länder und Kommunen dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten. Wir erkennen die Verantwortung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen an. In Hinblick auf die Paragraphen 218 und 219a stellen wir fest: Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht.
Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch einen (Ex-)Partner. Um häusliche Gewalt wirksam zu bekämpfen, werden wir die Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen verbessern. Entsprechend unserer Verpflichtungen aus der „Istanbul-Konvention“ werden wir das Hilfesystem aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtungen weiterentwickeln.
In der Familie wird füreinander Verantwortung übernommen. Die Ehe ist und bleibt dafür attraktiv. Deshalb haben wir die Ehe für alle durchgesetzt. Zugleich ist klar: Verantwortung hängt nicht am Trauschein. Wir werden vielfältige Familienmodelle rechtlich absichern. Die Lebensentwürfe werden individueller, das müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln. Mit der Verantwortungsgemeinschaft schaffen wir nach dem Vorbild des französischen „Pacte civil de solidarité (PACS) eine zusätzliche Alternative für alle, zu deren Lebenssituation und Wünschen das klassische Ehe-Modell nicht passt. Auch Regenbogenfamilien brauchen starke Rechte. Mit der Verantwortungsgemeinschaft unterstützen wir Regenbogenfamilien zusätzlich darin, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sich mehrere Menschen mit oder anstelle der biologischen Eltern um Kinder kümmern.
Wir schaffen ein modernes Abstammungsrecht. Wir setzen uns ein für gleiche Rechte von Homosexuellen in der Ehe, insbesondere bei Adoptionen. Kein Gericht sollte künftig mehr über die Anpassung des Personenstandes entscheiden. Psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität werden wir abschaffen. Jeder Mensch sollte selber über sein Leben bestimmen können. Das Transsexuellenrecht werden wir entsprechend reformieren. Das Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität wollen wir in Art. 3 Abs. 3 GG aufnehmen.
Die gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter und Identitäten ist ein Gewinn für die ganze Gesellschaft, da alte Rollen- und Denkmuster aufgebrochen. Wir setzen uns für die Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter- und queeren Menschen (LSBTIQ*) ein. Niemand darf schlechter gestellt werden aufgrund des Geschlechts. Wir setzen uns die rechtliche Absicherung von LSBTIQ*-Familien und Trans* und Inter*Personen zum Ziel.
Wir stellen uns konsequent gegen Diskriminierung und Gewalt. Wir werden einen nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie und Gewalt gegen LSBTIQ* einführen. Wir fördern den Kampf gegen Gewalt, die sich gegen queere Menschen richtet.
Für die nächste Generation soll das tägliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich sein. Menschen mit Behinderungen sollen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Viele Menschen mit Behinderungen sind gut oder sogar sehr gut ausgebildet und in Zeiten des Fachkräftemangels begehrte Arbeitskräfte. Wir setzen uns dafür ein, dass eine einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber*innen kleiner und mittlerer Unternehmen geschaffen wird, die bei Fragen beispielsweise zu Barrierefreiheit oder Lohnzuschüssen berät.
Das gesellschaftliche Leben muss auf allen Ebenen für Menschen mit Behinderung inklusiv gestaltet werden. Dabei ist Barrierefreiheit unverzichtbar. Wir werden vor allem die Kommunen bei dieser Aufgabe unterstützen. Der große Mangel an barrierefreien bzw. -armen Wohnraum muss behoben werden. Wir werden ein Bundesprogramm Barrierefreiheit initiieren, das über entsprechende Ressourcen verfügen muss.
Zusammen leben
Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Leben in einer Gesellschaft des Respekts ist die Gewissheit, dass man dazugehört. Dass man unabhängig von einer familiären Migrationsbiografie selbstverständlich akzeptiert ist.
Für Deutschland ist Migration nichts Unbekanntes. Unser Land hat stets Menschen aus anderen Regionen aufgenommen – genauso wie auch Deutsche in anderen Ländern der Welt eine neue Heimat gefunden haben. Das macht uns als Gesellschaft reicher und bringt uns voran. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen, dass diese Selbstverständlichkeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl in allen Bereichen der Gesellschaft sichtbar und spürbar werden. Es geht darum, allen Bürger*innen zu garantieren, dass sie dieselben Chancen und Möglichkeiten haben – frei von Diskriminierung.
Dafür werden wir die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz modernisieren. Gleichzeitig werden wir nachdrücklich gegen Sexismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Islamfeindlichkeit vorgehen. Ein besserer Austausch und ein abgestimmtes Vorgehen, z.B. durch die Schaffung einer Bund-Länder-Kommission, ist ein wichtiger Schritt. Zudem müssen Straftaten in diesem Bereich konsequenter erfasst und geahndet werden.
Das Wort „Rasse“ werden wir aus Art. 3 Abs. 3 GG streichen und durch eine andere Formulierung ersetzen, die den grundrechtlichen Schutz vor Rassismus weiterhin garantiert. Für den Kampf gegen Rassismus in der deutschen Gesellschaft braucht es aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit. Es gilt verantwortungsvoll mit unserer historischen Schuld umzugehen.
Wir begrüßen das Engagement in den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Den interreligiösen Dialog werden wir weiter fördern und verstärken. Die Religionsfreiheit ist fest im Grundgesetz verankert und wir schützen sie. Wo Religionsfreiheit missbraucht wird und in religiösen Fanatismus umschlägt, müssen staatliche Sicherheitsbehörden konsequent eingreifen.
Integration ist eine permanente gesellschaftliche, wie auch staatliche Aufgabe. Wir möchten allen Menschen, die neu zu uns kommen den Anspruch auf Integrations- und Beteiligungsangebote gewährleisten. Für das Miteinander stärken wir die Integrationskurse, zu denen alle zugewanderten Menschen in Deutschland – ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus – von Tag eins an Zugang haben sollen. Alle Kinder müssen unmittelbar die Möglichkeit erhalten, eine Kita zu besuchen; auch die Schulpflicht gilt unmittelbar für alle Kinder.
Familien gehören zusammen. Auch die Integration klappt am besten mit der Familie. Die Regelungen für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wollen wir daher wieder an die für Flüchtlinge angleichen. Dabei werden wir auch Regelungen für den Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen schaffen.
Gleichwohl muss unsere Integrationsfähigkeit weit mehr als die Finanzierung von Sprach- und Integrationskursen umfassen. Und es geht auch nicht nur um neu Zugezogene. Auch die Kinder und Enkel der damals so genannten „Gastarbeiter*innen“ der 60er Jahre erfahren noch heute Diskriminierung im Alltag. Wir werden Anerkennungsstrukturen schaffen.
Der öffentliche Dienst muss Vorbild in Sachen Integration sein. Im Sinne der Chancengleichheit ist darauf zu achten, dass alle Personengruppen Zugang zu Stellen im öffentlichen Dienst erhalten und dass es allen Beschäftigten gleichermaßen möglich ist, sich fortzubilden und aufzusteigen. Das kann erreicht werden durch: Zielgruppenspezifische Formulierung von Stellenausschreibungen, Anerkennung von Vielfaltskompetenzen, Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen sowie Entgeltgerechtigkeit. Aber auch durch ein Partizipations- und Integrationsgesetz, das die Öffnung der Gesellschaft entscheidend voranbringt, indem es staatliche Institutionen zu einem Prozess der interkulturellen Öffnung verpflichtet.
Unsere Gesellschaft des Respekts braucht ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Nachdem wir bereits dafür gesorgt haben, dass grundsätzlich alle in Deutschland geborenen Kinder mit der Geburt auch deutsche Staatsbürger*innen sind, werden wir auch die generelle Möglichkeit von Mehrstaatlichkeit gesetzlich verankern.
Demokratie stärken
Demokratie ist die Basis einer Gesellschaft, die allen die Chance bietet, in Freiheit und Sicherheit zu leben.
Mit einem Demokratiefördergesetz werden wir Vereine, Projekte und Initiativen langfristig fördern und sie besser wappnen gegen die Feinde unserer offenen Gesellschaft. Wir werden das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ weiter ausbauen und hierüber Präventionsprojekte auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene fördern. Wir werden Arbeitnehmer*innen verstärkt in die Lage versetzen, ihren gesetzlichen Bildungsurlaub zu nutzen, um sich einfacher für ihr ehrenamtliches Engagement freistellen zu lassen.
Demokratie ist verletzlich. Sie zu schützen ist erforderlich. Deshalb müssen wir unsere Demokratie wehrhaft gegen ihre Feinde machen. Dabei hat sich die ausdifferenzierte föderale Sicherheitsstruktur bewährt. Wir werden sie weiter verbessern durch eine wirkungsvollere Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern.
Millionen Bürger*innen engagieren sich ehrenamtlich in (Sport-)Vereinen, der freiwilligen Feuerwehr, den Hilfsdiensten und dem THW, Stiftungen und anderen Organisationen. Mit ihrer Arbeit tragen sie dazu bei, dass unser Gemeinwesen funktioniert. Dieses ehrenamtliche zivilgesellschaftliche Engagement ist für uns unverzichtbar. Wir werden es daher weiter unterstützen.
Wir werden sicherstellen, dass steuerbegünstigte Körperschaften wie Vereine bei der Verfolgung ihrer satzungsmäßigen Zwecke auch politisch tätig sein können, ohne diese steuerliche Vergünstigung zu verlieren.
Sport hat eine zentrale Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, für Inklusion und Integration. Breiten- und Leistungssport werden wir fördern.
Große Plattformen, auf denen politische Meinungs- und Willensbildung stattfindet und die Bestandteil der digitalen Öffentlichkeit sind, werden wir dem Medienkonzentrationsrecht unterwerfen. Um dem Auftrag der Rundfunkfreiheit auch bei den neuen Medien gerecht zu werden, werden wir dort Radikalisierungstendenzen mit positiven Vielfaltsvorgaben frühzeitig durchbrechen.
Neben Institutionen der politischen Bildung soll der Verfassungsschutz als Dienstleister der Demokratie zur Eindämmung von Extremismus und Terrorismus beitragen. Verfassungsfeindliche Organisationen werden wir verbieten. Mit aller Konsequenz und Härte werden wir weiter gegen Terror und Gewalt vorgehen. Dafür haben wir die gesetzlichen Grundlagen geschaffen.
Wir stellen klar: Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden oder auch bei der Bundeswehr bekämpfen wir konsequent. Der Entstehung von rassistischen Denkmustern im Polizeialltag wirken wir entgegen.
Kultur fördern
Kultur ist lebensnotwendig – als Inspirationsquelle, Katalysator von Debatten, und auch als Wirtschaftszweig. Viele Fragen, die uns zurzeit bewegen, sind im Kern kulturpolitische Fragen. Wir erleben ja nicht nur die Bedrohung des sozialen Zusammenhalts, sondern auch ein Schwinden des gemeinsamen Sinns und der gemeinsamen Wertegrundlage. Für eine Demokratie eine beunruhigende Entwicklung.
Angesichts der existentiellen Bedeutung von Kunst und Kultur müssen wir uns als Gesellschaft darüber verständigen, was Kulturpolitik im 21. Jahrhundert heißt. Dafür wollen wir die kulturpolitischen Spitzengespräche zu einem bundesweiten Kulturplenum weiterentwickeln, in dem neben Kommunen, Ländern und Bund auch Produzent*innen von Kultur und ihre Verbände vertreten sind, um einen neuen Kulturkonsens zu erarbeiten.
Zur Förderung der Kultur müssen die bestehenden Infrastrukturen aufrechterhalten und die Produktion kultureller Inhalte ermöglicht werden. Dazu werden wir die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstler*innen verstärkt berücksichtigen. Zur besseren sozialen Sicherung von Künstler*innen werden wir Mindestgagen und Ausstellungshonorare fest etablieren.
Wir wollen die Mittel bereitstellen, damit Kunst entstehen kann und Kultureinrichtungen allen offensteht, vom Theater bis zum Musikclub, vom Museum bis zum soziokulturellen Zentrum, von der Bibliothek bis zur Musikschule. Wir werden die Bundeskulturfonds ausbauen und Programme auflegen, mit denen kulturelle Freiräume gesichert und entwickelt werden können. Wir werden die Rahmenbedingen auf den Märkten für Kultur- und Kreativwirtschaft so gestalten, dass inhaltsbezogene Geschäfts- und Erlösmodelle gestärkt werden.
Wir verbessern die Filmförderung, sichern so deren Einnahmebasis, unterstützen die internationale Ausstrahlung deutscher Filme, bewahren das Filmerbe und gestalten die Entscheidungsgremien effizienter. Eine nachhaltige Finanzierungsbasis der Kinoförderung ist nötig, um Kinos erfolgreich durch die Krise zu führen und ihre regionale Präsenz als Kulturorte sicherzustellen. Wir werden Zukunftskonzepte für die Filmförderung mit der Film-Community entwickeln.
Games sind Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor. Die Potentiale von Games in der digitalen Bildung aber auch von eSports in Vereinen und Schulen werden jedoch noch unzureichend genutzt. Die Förderung von Computerspielen wollen wir darum dauerhaft verankern. Wir werden die Entwicklung von eSports in Deutschland weiter unterstützen, beispielsweise dadurch, dass er gemeinnützig wird.
Wir werden allen Bürger*innen den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, unabhängig von Herkunft, Bildung, sozialer Lage und finanziellen Mittel. Wir werden uns um die weitere Öffnung der Kultureinrichtungen kümmern. Wir werden die Vielfalt in den kulturellen Einrichtungen stärken. Wir werden die Geschlechtergerechtigkeit auch in Führungspositionen, Gremien und Jurys ausbauen.
Teilhabe an Kunst und Kultur ist ein Schlüssel zu Selbstbewusstsein, Persönlichkeitsentwicklung, Bildung und Integration. Wir werden sie auch durch Programme wie „Kultur macht stark“ nachhaltig als Teil schulischer und außerschulischer Bildung sichern.
Wir werden die Digitalisierung von Mediatheken vorantreiben und unser kulturelles Erbe sichern und besser zugänglich machen. Wir werden die Entwicklung des Digitalen als künstlerischen Raum stärken und digitale Kunstprojekte fördern. Nicht zuletzt werden wir auch die Entwicklung digitaler Kulturveranstaltungen und Erlösmodelle aktiv unterstützen.
Kulturaustausch soll sowohl die gesellschaftliche und künstlerische Zusammenarbeit in Europa als auch die europäischen Werte wie Offenheit, Gleichheit, Freiheit und Humanismus betonen. Kulturnetzwerke, Kulturplattformen und Kulturakteure sind Partner staatlichen Handelns. Der gemeinsame Auftritt zum Beispiel des Goethe-Instituts und des Institut Francais zeigt, wie wir mit unseren Werten und den uns gemeinsam herausfordernden Themen wie dem Kolonialismus umgehen können. Solche Beispiele werden wir ausbauen. Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus stellen uns vor neue Herausforderungen insbesondere in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen und der Shoa. Wir werden die wissenschaftliche und gesichtsdidaktische Aufbereitung der Zeitzeugenberichte und des Quellenmaterials zur NS-Zeit besser unterstützen. Wir werden kleine Initiativen und Gedenkorte stärker unterstützen. Wir werden die Bundesstiftung Aufarbeitung stärken, damit auch das Engagement der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur landesweit mehr Unterstützung erhält. Mit Blick auf die von Deutschen verübten Kolonialverbrechen werden wir auch bundespolitisch die Entwicklung einer postkolonialen Erinnerungskultur fördern. Zu ihr gehören ein veränderter Umgang mit kolonial belastetem Sammlungsgut in Museen.
Sich besser verstehen
Die neue Welt ist eine digitale und mediale Welt. Deshalb sind digitale Teilhabe, mediale Vielfalt, Pluralismus und kommunikative Chancengleichheit von grundlegender Bedeutung. Wir begreifen Medienpolitik auf allen staatlichen Ebenen als Gesellschaftspolitik. Sie dient dazu, das offene demokratische Gespräch unserer Gesellschaft zu stärken.
Wir setzen uns gesamtstaatlich für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein und unterstützen die Länder darin, den Auftrag in einer digitalen Medienwelt weiter zu entwickeln. Gerade jetzt braucht es öffentlich-rechtliche Angebote wie die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk, die eine umfassende und tiefgreifende journalistische Berichterstattung sicherstellen.
Wir werden die Rahmenbedingungen privatwirtschaftlichen Medienschaffens stärken und insbesondere dort unterstützen, wo bundesrechtliche Fragen des Wettbewerbs-, Urheber- oder Telekommunikationsrechts die Rahmenbedingungen privater Medienmärkte prägen. Den Verlagen werden wir dabei helfen, die Transformation ins Digitale erfolgreich zu bewältigen.
Wir werden Journalismus im Gemeinnützigkeitsrecht verankern, so dass auch die Stiftungsfinanzierung möglich ist, ohne dass damit marktwirtschaftliche Strukturen konterkariert werden.
Mit Sorge nehmen wir wahr, dass Journalist*innen und Medienunternehmen in vielen Teilen der Welt zunehmend durch staatliche Institutionen und Amtsträger angegriffen, bedroht und in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. In bilateralen Gesprächen und zwischenstaatlichen Zusammenschlüssen werden wir daher Initiativen für den Schutz der Pressefreiheit sowie der Arbeit von Journalist*innen und Medienunternehmen verstärken.
Allen Bürger*innen in Deutschland eine mediale Teilhabe zu ermöglichen, ist eine gemeinsame Verantwortung aller Medien sowie der öffentlichen Stellen. Wir wollen barrierefreie Angebote ausbauen und gemeinsam mit den Medienanbietern die Chancen der Digitalisierung und der technischen Möglichkeiten auch hier nutzen.
Die Corona-Krise hat sehr deutlich gezeigt: Der Bedarf an digital verfügbaren Medien, Bildungs- und Kulturinhalten ist groß. Wir setzen uns daher für eine stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Akteuren ein, insbesondere aus den Bereichen Medien, Kultur und Bildung.
Medienkompetenz ist vor allem auch Demokratiekompetenz. Lernen, Arbeiten, Identitätsbildung, Persönlichkeitsentwicklung und die Kommunikation mit anderen sind in unserem Alltag zunehmend an soziale Medien gebunden. Dafür wollen wir die kreative Energie der Netzcommunity mit der Qualität und Erfahrung der klassischen Medien zusammenbringen. Wir wollen Entwicklungsräume schaffen, in denen die digitale Transformation der Medienwelt gelingt, und diese mit Bildungsangeboten verknüpfen.
Sicher leben
Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Wir werden dafür sorgen, dass dies so bleibt. Denn wer von Kriminalität bedroht ist oder sich von ihr bedroht fühlt, handelt nicht mehr frei.
Durch vorbeugende Maßnahmen wollen wir verhindern, dass Bürger*innen Opfer von Kriminalität werden. Gute Sozial-, Arbeitsmarkt-, Kinder-, Familien- und Integrationspolitik bilden die notwendige Basis einer erfolgreichen Prävention.
Wir unterstützen Kommunen dabei, gefährliche Orte sicherer zu machen. An Kriminalitätsschwerpunkten kann auch der Einsatz von Videoüberwachung zusätzliche Sicherheit bieten. Sie ersetzt aber weder klassische Polizeiarbeit vor Ort, noch überschätzen wir ihre präventive Wirkung. Gesichtserkennungstechnik als Überwachungsmaßnahme lehnen wir ab.
Für mehr Sicherheit in Deutschland kommt es auf motivierte, gut ausgebildete und ausgestatte Polizist*innen an. Es ist unakzeptabel, dass Polizist*innen und Rettungsdienste zunehmend öffentlich angegriffen und beleidigt werden. Sie verdienen Anerkennung und Respekt für ihre Arbeit. Das muss sich auch in einem modernen Dienstrecht und in einer angemessenen Bezahlung widerspiegeln. Wir wollen qualifizierte Beamt*innen und Mitarbeiter*innen der Polizei besser bezahlen. Bund und Länder müssen als attraktiver öffentlicher Dienst untereinander wieder durchlässiger werden und gleichzeitig gegenüber der Wirtschaft wettbewerbsfähig sein.
Wir bekämpfen organisierte Kriminalität. Wir sorgen dafür, dass die Herkunft von schmutzigem Geld einfacher nachweisbar wird. Notwendig sind kontinuierliche und flächenübergreifende Strukturermittlungen der Länderpolizeien, der Bundespolizei und des Zolls zusammen mit BKA und Europol.
Wir verbessern die Strukturen der Sicherheitsbehörden sorgen für eine reibungslosere Verzahnung mit der Justiz. Bei begangenen Straftaten müssen Verfahren unmittelbar aufgenommen werden. Die Bestrafung muss schnell im Zusammenhang mit der Tat erfolgen.
In Gefängnissen sollen Täter*innen ihre Strafe verbüßen. Sie sollen immer auch Orte der Resozialisierung sein. Mit den Bundesländern werden wir Maßnahmen zum Schutz vor Radikalisierung und Deradikalisierung von Straftäter*innen voranbringen. Um gezielter vorbeugen zu können, müssen wir mehr wissen über Kriminalitätsentwicklungen. Dafür werden wir den Periodischen Sicherheitsbericht wieder regelmäßig erarbeiten lassen.
Wir haben in Deutschland ein leistungsfähiges Hilfesystem für Katastrophen. Das zeigt auch die Bewältigung der aktuellen COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig zeigen sich hier neue wie bereits bekannte Herausforderungen: Cyberattacken, Desinformation und Terrorismus stellen erhebliche Bedrohungen dar, die schnell weite Teile Bevölkerung betreffen können. Wir sorgen dafür, dass Bund, Länder und Kommunen hier besser und vor allem schneller Hand in Hand arbeiten. Ehrenamtliche bilden das Herzstück dieser Strukturen – gerade im ländlichen Raum.
Natur respektieren
Wir wollen unseren natürlichen Lebensraum erhalten. Dazu müssen wir raus aus der Wegwerfgesellschaft. Der Kreislaufwirtschaft gehört die Zukunft.
Insbesondere die Verschmutzung der Meere durch Plastik ist alarmierend. Wir müssen die zunehmende Plastikflut zurückdrängen. Das gelingt nur, wenn wir unnötiges Plastik vermeiden und abschaffen. Dort, wo Einweg-Kunststoff nicht vermeidbar ist, werden wir umweltfreundliche und recycelbare Lösungen einfordern. Möglichst viel Kunststoff muss aufbereitet und wiederverwendet werden. Wir wollen die Hersteller noch stärker in die Pflicht nehmen. Produkte müssen so gestaltet werden, dass man sie wiederverwenden, recyceln und auch reparieren kann.
Wir setzen uns ein für Biodiversitätspolitik, um Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen, ebenso wie für eine stärkere Reduzierung des Einsatzes von Dünger und Pestiziden. Die Landwirtschaft hat bei der Bekämpfung des Klimawandels und dem Erhalt der Artenvielfalt eine zentrale Rolle. Wir werden daher die Agrarförderung so ausrichten, dass eine umweltschonende Landwirtschaft im Wettbewerb mithalten kann.
Lebensmittel sind unsere Lebensgrundlage. Sie sollten auch den Landwirt*innen ihre Lebensgrundlage sichern. Dies geht nur mit fairen Preisen für hochwertige Nahrungsmittel. Wir werden im Lebensmittelhandel unfairen Handelspraktiken einen Riegel vorschieben, denn sie schaden Verbraucher*innen, Landwirt*innen und fair handelnden Wettbewerbern.
Der Boden, als wichtigstes Gut in der Landwirtschaft, steht den selbst wirtschaftenden Betrieben vor Ort zu. Er darf kein Spekulationsobjekt sein. Wir werden ihn vor Investoren ohne Agrarbezug schützen.
Tierleid ist nicht zu rechtfertigen, auch nicht aus wirtschaftlichem Interesse. In der Nutztierhaltung setzen wir konsequent auf die Verbesserung des Tierwohls bei Einführung einer flächenbezogenen Obergrenze. Wir werden für die Einführung eines verpflichtenden staatlichen Tierwohllabels mit nachvollziehbaren Regeln sorgen.
Für immer mehr Menschen ist die Qualität der Nahrungserzeugung und ihre Wirkung auf Umwelt und Klima relevant. Unser Ziel ist es, gesunde und nachhaltige Ernährung für alle zu ermöglichen. Eine kostenlose, den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entsprechende gesundheitsfördernde Kita- und Schulverpflegung ist die wichtigste Maßnahme gegen Ernährungsarmut. Wir werden Verbraucher*innen die gesunde und nachhaltige Wahl erleichtern und dabei auch die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen.
Um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, werden wir es den Produzenten und dem Handel untersagen, genießbare Nahrungsmittel wegzuwerfen. Wir wollen den Wildwuchs an selbst kreierten Labeln von Unternehmen zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte beenden und ein verbindliches staatliches Label entwickeln.
Wir werden die Lebensmittelsicherheit durch mehr Kontrollen verbessern und es den Verbraucher*innen durch die Einführung eines Hygienebarometers ermöglichen, sich über die Kontrollergebnisse zu informieren. Wir bleiben beim Nein zu genetisch veränderten Pflanzenzüchtungen.
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IV. Souveränes Europa in der Welt
Europa stärken
Die Einheit Europas ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Sie ist unsere gemeinsame Chance auf eine bessere Zukunft im 21. Jahrhundert. Gleichzeitig stellt die Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen die größte Herausforderung der EU seit ihrer Gründung dar.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft haben wir dafür genutzt, einen solidarischeren und besseren Weg zu gehen als bei der letzten großen Krise vor gut zehn Jahren. Die historischen Entscheidungen zu dem größten Wiederaufbauprogramm in der Geschichte der Europäischen Union hätte es ohne die SPD nicht gegeben. Ein Paradigmenwechsel deutscher Europapolitik.
Wir werden aus der Krise gestärkt hervorgehen, wenn wir in Europa solidarisch zusammenhalten und die EU für die großen Zukunftsaufgaben robuster und handlungsfähiger machen. Wir setzen uns dafür ein, dass aus dem Wiederaufbaufonds und der in der Krise gestärkten europäischen Solidarität ein dauerhafter Integrationsfortschritt wird. Wir werden innere Handlungsblockaden der EU abbauen und die äußere Handlungsautonomie fortentwickeln.
Nur mit einer solidarischen und souveränen EU sind wir in der Lage, die Welt von morgen mitzugestalten und unserer Vision einer demokratischen, gerechten und nachhaltigen Zukunft näher zu kommen. Unser Ziel ist es, Europa grundlegend zu stärken, damit wir in einer multipolaren Welt unsere Eigenständigkeit und unsere Art zu leben, auch in Zukunft bewahren.
Ein solches Europa kann seinen Einfluss gleichermaßen zum Schutz und zur Stärkung europäischer Werte und Interessen einbringen, als selbstbewusste Friedensmacht auftreten und so eine kooperative, multilaterale Weltordnung mitgestalten.
Investitionen sind essentiell für eine nachhaltige europäische Zukunft. Wir werden den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu einem Nachhaltigkeitspakt weiterentwickeln. Statt einer Rückkehr zur Kürzungspolitik der Vergangenheit bleiben wir bei der in der Corona-Krise begonnenen gemeinsamen Investitionspolitik Europas. Eine krisenfeste EU muss fiskalpolitisch handlungsfähig sein und sich zu einer echten Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickeln.
Wir werden die Demokratie in Europa stärken. Dass unsere europäische Wertegemeinschaft zunehmend auf die Probe gestellt und populistische und nationalistische Regierungen die Unabhängigkeit der Justiz und grundlegende Rechte beschneiden, nehmen wir nicht hin. Der Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit in Europa bildet das Fundament für eine geeinte europäische Zukunft. Dazu gehört eine Vervollständigung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, inklusive eines echten Initiativrechts. Wir werden ein gemeinsames Wahlrecht zur Wahl der europäischen Volksvertretung schaffen.
Mit einem Sonderfonds für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden wir zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit gezielt fördern. Die Konferenz zur Zukunft Europas soll ein Erfolg werden. Wir setzen uns dafür ein, dass sie in Deutschland und der ganzen EU eine breite Debatte zur europäischen Demokratie und Handlungsfähigkeit initiiert und ihre Ergebnisse umgesetzt werden.
Durch den Rechtsstaatsdialog und Rechtsstaatsmechanismus haben wir Europa wehrhafter gemacht und konkrete Instrumente eingeführt, um die Einhaltung europäischer Grundwerte verbindlich zu überprüfen und fundamentale Verstöße gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu sanktionieren. Desinformationskampagnen, Fake News und Hassreden stellen eine Bedrohung der Demokratie dar. Wir setzen uns für europäische Regelungen ein, um strafbare Online-Hassreden effektiv zu bekämpfen und werden europäische Frühwarnsysteme gegen Desinformationskampagnen ausbauen.
Wir werden Staaten und Steuerzahler zukünftig wirksam vor Bankpleiten schützen. Zusammen mit der Kapitalmarktunion soll durch die Vollendung der Bankenunion ein europäischer Kapitalmarkt geschaffen werden, der die wettbewerbsfähige Finanzierung europäischer Unternehmen sicherstellt. Weil zu gemeinsamen Ausgaben auch gemeinsame Einnahmen gehören, haben wir die Grundlage für neue europäische Eigenmittel geschaffen.
Wir setzen uns dafür ein, die Finanzierung der EU dauerhaft gerechter und eigenständiger zu gestalten. Wir werden für diesen bedeutenden Integrationsschritt die Besteuerung digitaler Großkonzerne, eine CO2-Grenzabgabe sowie neue Einnahmen aus dem Emissionshandel heranziehen.
Um die Eurozone vor ökonomischen Schocks zu schützen, treten wir ein für eine dauerhafte europäische Arbeitslosenrückversicherung, die zudem sicherstellt, dass alle Mitgliedstaaten auch in Zeiten schwerer wirtschaftlicher Krisen wichtige soziale Sicherungsfunktionen erfüllen können.
Wirtschaftliches Zusammenwachsen und die Herstellung von Steuergerechtigkeit sind für uns zwei Seiten einer Medaille. Deshalb treten wir ein für die Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips in Steuerfragen und die Beendigung des Steuerdumpings zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere im Bereich der Unternehmensbesteuerung.
Mit unserer Politik in Europa wie in der Welt machen wir uns für eine Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen stark, in der sich die Völker der Welt zu einer gemeinsamen nachhaltigen Zukunft in Frieden, Freiheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt verpflichtet haben.
Die Pandemie hat die Verwundbarkeit unseres Gesundheitssystems offengelegt. Wir werden eine souveräne Europäische Gesundheitsunion mit einer starken und widerstandsfähigen Gesundheitsindustrie in Europa schaffen, indem wir Mindeststandards in der Gesundheitsversorgung garantieren, einen starken Katastrophenschutzmechanismus etablieren und die gemeinsame Forschung und Beschaffung wichtiger medizinischer Güter fördern.
Um Klimawandel, Artensterben und übermäßigem Rohstoffverbrauch entgegenzuwirken, muss sich die Art und Weise, wie wir in Europa leben, konsumieren und produzieren grundlegend ändern. Um die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, kommt dem Energiesektor eine Schlüsselrolle zu. Wir müssen den Anteil erneuerbarer Energien enorm steigern, den Energie-Mix weiter ausweiten und bestehende Abhängigkeit von fossilen Energielieferungen abbauen. Wir werden Europa bis spätestens 2050 zum ersten nachhaltigen und treibhausgasneutralen Kontinent machen und eine Vorreiterrolle beim der Bekämpfung des Klimawandels einnehmen.
Auch die europäische Landwirtschaft als einer der größten Treibhausgasemittenten muss einen Beitrag leisten, weg von der Flächenförderung, hin zu einer Förderung, die an Kriterien für Klima, Natur- und Umweltschutz und Tierwohl gebunden ist.
Mit dem Ziel, die Arbeits- und Lebensbedingungen aller Europäer*innen zu verbessern, werden wir in den kommenden Jahren konsequent die Europäische Säule sozialer Rechte in die Praxis umsetzen. Alle Arbeitnehmer*innen in Europa müssen von ihrer Arbeit gut leben können. Unser Ziel bleiben europaweit Löhne, die zum Leben reichen, daher begrüßen wir den Vorschlag für einen Rechtsrahmen für europäische Mindestlöhne. Um eine angemessene soziale Absicherung zu gewährleisten und Armut zu bekämpfen, setzen wir uns für europäische Mindeststandards bei den nationalen Grundsicherungssystemen ein. Wichtig ist uns die Bekämpfung insbesondere von Kinderarmut in Europa und daher die Umsetzung einer EU-Kindergarantie.
Wir werden die Rechte von Arbeitnehmer*innen weiter ausbauen, insbesondere durch die Stärkung europäischer Betriebsräte, durch Mitspracherechte in Organisation und Entscheidungen großer Unternehmen sowie das Recht auf Kollektivmaßnahmen und Tarifverhandlungen. Die Durchsetzung von geltendem Arbeitsrecht und Arbeitsschutz bei Saisonarbeitnehmern muss dringend verbessert werden. Weil vielerorts gerade die Jugendarbeitslosigkeit zur strukturellen Begleiterscheinung der Krise geworden ist, werden wir die europäische Jugendgarantie weiter stärken und jungen Menschen eine Perspektive bieten.
Als weltweiter Technologieführer muss die EU auch in Zukunftssektoren unabhängiger von Dritten sein. Wir werden die Entwicklung gemeinsamer Märkte und Infrastrukturen vorantreiben, strategisch wichtige Zukunftstechnologien entwickeln und Schlüsselindustrien schützen.
Wir stehen für eine humanitäre und solidarische Asyl- und Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union. Deshalb werden wir ein funktionsfähiges Europäisches Asylsystem mit dem notwendigen Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität voranbringen, das eine Reform des Dublin-Systems beinhaltet und das Recht auf Asyl vollumfänglich wahrt und gewährt. Das Asylsystem soll weiter europäisiert und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen zu einer vollwertigen europäischen Asylagentur ausgebaut werden.
Wir werden die Genfer Flüchtlingskonvention verteidigen. Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Seenotrettung ist eine Verpflichtung aus dem internationalen Seerecht und darf nicht kriminalisiert werden. Im Rahmen eines umfassenden Ansatzes sollten legale Migrationswege geschaffen und die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpft werden. Wir werden eine Brücke zu lokalen Akteuren bauen und die Aufnahmebereitschaft von europäischen Kommunen und Städten fördern und unterstützen.
Wir setzen uns ein für eine EU-weite Ratifizierung der Istanbul-Konvention des Europarats in allen Mitgliedsstaaten durch als verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen. Wir setzen uns dafür ein, dass Europa eine Vorreiterrolle bei internationaler Krisenprävention, Friedens- und Demokratieförderung sowie zum Schutz von Menschenrechten einnimmt. Europas Verantwortung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe werden wir durch eine Erhöhung der EU-Mittel stärken. Kernanliegen europäischer Außen- und Entwicklungspolitik ist die transformative Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Dazu gehört auch eine kohärente Handels- und Agrarpolitik.
In allen Handels-, Wirtschaftspartnerschafts- und Investitionsabkommen der EU werden zukünftig neben verbindlichen sozialen Standards wie die ILO-Kernarbeitsnormen sowie menschenrechtlichen und ökologischen Standards auch konkrete Beschwerde- und Sanktionsmechanismen vereinbart. Auch soll die private Streitschlichtung abgeschafft und öffentliche Gerichte diese Funktion übernehmen. Ziel ist ein multinationales Investitionsgericht. Streitgegenstand sollte nur die Frage von Diskriminierung sein. In Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei Umweltgesetzgebungen sowie internationalen Verpflichtungen, wie zum Schutz des Klimas, darf es grundsätzlich keine Klagemöglichkeiten geben.
Das Abkommen zwischen der EU und dem MERCOSUR-Staatenbund ist ein wichtiges Projekt, um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika zu festigen. Einem Abkommen ohne Stärkung der Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialstandards durch zusätzliche verbindliche und sanktionierbare Überprüfungs-, Umsetzungs- und Durchsetzungsmechanismen, werden wir aber nicht zustimmen.
Mit unserer Handelspolitik werden wir die sozial-ökologische Transformation unterstützen. Dafür soll der Handel mit nachhaltigen Gütern besonders gefördert werden. Handelspolitische Maßnahmen auf einer werteorientierten Basis haben immer die Interessen der Partner mit im Blick, insbesondere die der weniger entwickelten Länder. Deshalb werden wir auch insbesondere kleinbäuerliche und agrarökologische Landwirtschaft fördern. Damit die Handelspolitik demokratischer werden kann, werden wir die Kontroll- und Entscheidungsrechte des Europäischen Parlamentes ausdehnen und Vertreter*innen von Gewerkschaften wie auch der Zivilgesellschaft besser als bisher an Verhandlungsprozessen beteiligen.
Die Nachbarschaft Europas im Süden wie im Osten ist durch Krisen sowie durch die wachsende Einflussnahme anderer Staaten geprägt. Diese Herausforderungen muss die EU durch eine konzeptionell neue ausgerichtete europäische Nachbarschaftspolitik angehen. Die Länder des Westbalkans werden wir integrieren. Europa und Afrika verbindet eine enge Partnerschaft auf Augenhöhe, die wir weiter vertiefen werden.
Mehr Eigenständigkeit setzt höhere Handlungsfähigkeit voraus. Grundlegend dafür ist die Einführung von Mehrheitsentscheiden in der Außenpolitik – statt des jetzigen Einstimmigkeitsprinzips. Auch das Amt des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sollte langfristig zu einem EU-Außenminister weiterentwickelt werden. Wir streben perspektivisch eine Zusammenführung der Entwicklungszusammenarbeit auf EU-Ebene an.
Ein Europa, das geschlossen auftritt, trägt zur Belebung eines funktionierenden und kooperativen Multilateralismus bei. Wir sind auf internationale Vertrauensnetzwerke angewiesen, so wie die Allianz für Multilateralismus, die bereits wichtige Impulse für die Zusammenarbeit gesetzt hat.
Wir gehen dabei auf die neue US-Regierung zu, die sich wieder verstärkt in der internationalen Zusammenarbeit einbringt. Wir brauchen nicht weniger als einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen. Wir werden die Partnerschaft zwischen Europa und den USA, die auf gemeinsamen und demokratischen Werten beruht, grundsätzlich stärken und die Zusammenarbeit bei Themen wie Klimaschutz, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Abrüstung und Sicherheitsfragen intensivieren.
Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar. Parallel dazu muss die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden. Die europäische Zusammenarbeit werden wir ausbauen. Unser Ziel bleibt eine europäische Armee als Teil der Friedensmacht Europa. Durch die Bündelung europäischer Rüstungskooperation nutzen wir Synergien und sparen unnötige Mehrausgaben ein. Souverän muss Europa neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen für den europäischen Kontinent entwickeln, um frühzeitig auf die Risiken neuer Technologien und gefährliche Entwicklungen im Cyberbereich oder im Weltraum reagieren zu können.
Es ist ganz klar im deutschen und europäischen Interesse, wenn wir mit Russland in Fragen der gemeinsamen Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle wie auch bei Klima, Nachhaltigkeit, Energie und der Bekämpfung von Pandemien gemeinsame Fortschritte erreichen. Wir sehen jedoch auch, dass Europas Beziehungen zu Russland immer wieder Rückschlägen ausgesetzt sind. Ob die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine, Cyberangriffe auf den Deutschen Bundestag oder die Anwendung des international geächteten chemischen Kampfstoffes Nowitschok zur Ausschaltung innenpolitischer Gegner: Russland bricht regelmäßig internationales Recht und belastet damit die Beziehungen zu seinen Nachbarn. Wir setzen, bei aller erforderlicher Kritik, auch bei Russland auf die Bereitschaft zum Dialog und zur Zusammenarbeit. Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben. Wertvoll in den Beziehungen zu Russland sind die zivilgesellschaftlichen Kontakte, die wir weiter fördern und ausbauen wollen, auch durch Visaerleichterungen für den Austausch junger Menschen.
Basierend auf den Werten und Prinzipien der OSZE verfolgen wir daher das Ziel einer neuen europäischen Ostpolitik, die den Fokus auf eine gemeinsame und kohärente EU-Politik gegenüber Russland legt. Eine konstruktive Dialogbereitschaft seitens Russlands ist Voraussetzung, um am Abbau von Spannungen zu arbeiten. Dazu zählt auch, dass der Weg zu einer friedlichen Lösung des Ukrainekonflikts und damit einhergehend die Beendigung der Sanktionen maßgeblich von der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen abhängt.
Die wachsende Bedeutung Chinas in der Welt hat zur Folge, dass eine globale Antwort auf die ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum ohne Peking vorstellbar ist. Interessens- und Wertekonflikte mit China nehmen zu. Europa muss den Dialog mit China über Kooperation und Wettbewerb geschlossen, konstruktiv und kritisch führen. Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, insbesondere uigurischen Muslimen, verurteilen wir. Für Honkong muss das international verbriefte Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ gewahrt bleiben. Wir betrachten mit großer Sorge den wachsenden Druck auf Taiwan.
Wir unterstützen die Menschen in Belarus in ihrem Wunsch nach Demokratie und Freiheit. Gewalt und Repression der Sicherheitskräfte müssen beendet, alle politischen Gefangenen freigelassen und demokratische Neuwahlen unter der Aufsicht der OSZE durchgeführt werden.
Den innen- und außenpolitischen Kurs der türkischen Regierung betrachten wir mit Sorge. Die Türkei muss rechtstaatliche, demokratische und völkerrechtliche Prinzipien einhalten. Eine Intensivierung des EU-Türkei-Dialogs, der auch diese Fragen kritisch erörtert, ist dringend notwendig.
Israels Sicherheit ist Teil der Staatsräson Deutschlands. Auch aufgrund dieser besonderen Verantwortung werden wir zusammen mit unseren europäischen Partnern und den USA neue Initiativen zur Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses unterstützen. Auf Grundlage der Vereinbarungen von Oslo ist und bleibt für uns das Ziel die friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten im Rahmen einer Verhandlungslösung. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und einigen Staaten in der Region sind ermutigende Signale, dass Fortschritte zum Frieden möglich sind. Einseitige Schritte von allen Seiten erschweren die Friedensbemühungen und müssen unterbleiben. Von der palästinensischen Seite fordern wir das Ende des Terrors. In den palästinensischen Gebieten sind auf allen Ebenen weitere demokratische Fortschritte nötig. Pläne zu Annexionen lehnen wir kategorisch ab. Es muss zu einem Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus kommen.
Auch nach dem Brexit bleibt das Vereinigte Königreich ein enger Freund der EU. Die gemeinsamen Abkommen können das Fundament für eine umfassende Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien sein. Auf der Basis des fairen Umgangs miteinander werden wir die Zusammenarbeit in Bereichen weiterentwickeln, die bisher nicht geregelt sind. Einen Wettlauf nach unten, was Umweltstandards oder die Rechte von Arbeitnehmern und Verbrauchern angeht, darf es nicht geben.
Frieden sichern
Wie in keiner anderen Partei gehören in der Sozialdemokratie internationale Solidarität, die universelle Geltung der Menschenrechte, Frieden und Dialog von Beginn an zum Grundverständnis unseres politischen Handelns.
Im Rahmen des Europarats werden wir die Grundwerte der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit schützen und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stärken. Gerichtsurteile müssen von allen Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt werden. Wir sind für einen Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Als die Friedenspartei in Deutschland setzen wir auf Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung, auf Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie internationale Zusammenarbeit. Wir werden multilaterales Handeln wiederbeleben und stärken, auch in Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen, denn Pandemien, globale Wirtschaft-, Finanz- und Entwicklungskrisen sowie die Folgen der Erderwärmung sind Herausforderung, die nur gemeinsam gelöst werden können.
Zur Sicherung des Friedens- und der Verteidigung leistet die Bundeswehr einen verantwortungsvollen Beitrag. Wir stehen für das Primat der Politik und für das Leitbild der Inneren Führung der Soldat*innen als Staatsbürger*innen in Uniform. Für uns steht fest, dass wir nur mit einer gut ausgestatteten und modernen Bundeswehr unseren Aufgaben als zuverlässiger Partner in Europa und der NATO gerecht werden können. Unsere Soldat*innen können sich auf uns verlassen. Wir haben daher nach vielen Jahren immer neuer Sparrunden die Investitionen im Verteidigungshaushalt erhöht.
Unsere Soldat*innen verdienen die bestmögliche Ausrüstung und den höchsten Grad an Ausbildung. Ausrüstung statt Aufrüstung – diesem Prinzip verpflichtet, haben wir wesentliche Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr vorangetrieben und setzen uns kontinuierlich für die Verbesserungen der persönlichen Ausrüstung und sozialen Absicherung ein. Zugleich werden wir die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr weiter steigern. Wir stehen für den bestmöglichen Schutz unserer Soldat*innen. Dazu gehört auch der Einsatz von Drohnen. Die Entscheidung, ob diese auch bewaffnet werden sollen, kann verantwortbar erst nach einer umfassenden politischen und gesellschaftlichen Debatte und der sorgfältigen Würdigung aller Aspekte getroffen werden.
Wir setzen wir uns dafür ein, dass unbemannte bewaffnete Drohnen international erfasst und in ein internationales Regelwerk einbezogen werden, um dem Trend einer zeitlichen und räumlichen Entgrenzung militärischer Gewalt ebenso entgegenzuwirken wie den Befürchtungen einer technologischen und funktionalen Autonomie. Wie notwendig ein solches Regelwerk ist, hat nicht zuletzt der massive Einsatz von bewaffneten Drohnen als Angriffswaffen im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und im Libyen-Konflikt gezeigt. Dieser Einsatz hat neue Fragen aufgeworfen, die in einer umfassenden Debatte zu berücksichtigen sind.
Vor der Entscheidung über ein Nachfolgesystem des Kampfflugzeugs Tornado setzen wir uns für eine gewissenhafte, sachliche und sorgfältige Erörterung der technischen nuklearen Teilhabe ein.
Der Kampf gegen den Klimawandel, der in vielen Ländern nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung bedroht, muss zum Ausgangspunkt von gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaften weltweit werden. „Keine und keinen zurücklassen“ das ist unsere Messlatte, um Hunger und Armut weltweit zu überwinden.
Wir müssen die globale Erderwärmung auf weit unter zwei Grad halten und möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzen. Dafür werden wir unsere eigenen Klimaschutzverpflichtungen gemäß des Pariser Klimaabkommens einlösen und weiter steigern.
Gute Arbeit weltweit stärken gehört zur Kernaufgabe sozialdemokratischer Politik. Wir tun das, indem wir von Unternehmen weltweit die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten fordern. Es ist ein großer Erfolg der SPD, dass ein nationales Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht werden konnte. Nun wollen wir auch ein Gesetz zur Rückverfolgung auf dem Weltmarkt gehandelten Güter auf europäischer Ebene verankern, mit verbindlichen und sanktionierbaren Regeln. Arbeit darf weder arm noch krank machen.
Deshalb unterstützen wir mit den Gewerkschaften die Forderung, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz als Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgewertet werden. Auch werden wir das Zusatzprotokoll zum Sozialpakt der Vereinten Nationen ratifizieren, um Beschwerdeverfahren zur Einhaltung der Rechte des Paktes zu ermöglichen.
Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut. Wir setzen uns für die Einrichtung eines globalen Gesundheitsfonds ein und legen Schwerpunkte auf den Aus- und Aufbau öffentlicher Gesundheitssysteme, die Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln und Impfstoffen sowie auf gesundheitliche Bildung und damit einhergehend auf die Stärkung sexueller und reproduktiver Gesundheit. Wir arbeiten auch daran, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO durch einen mutigen Reformprozess gestärkt wird.
Wir setzen uns dafür ein, den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) von mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens einzuhalten. 0,2 Prozent der ODA-Mittel soll für die ärmsten Entwicklungsländer (LDCs) verwendet werden.
Menschen, die durch Konflikte, Epidemien oder Naturkatastrophen in Not geraten sind, bedürfen unserer Hilfe. Als reiches Industrieland werden wir unser Engagement für humanitäre Hilfe weiterhin an den steigenden humanitären Bedarfen orientieren und daran arbeiten, die Basis der internationalen Geber zu stärken und auszuweiten. Darüber hinaus gilt für uns weiterhin: Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge. Zusammen mit Partnerländern werden wir uns deshalb dafür einsetzen, dass der Globale Pakt für Migration umfassend umgesetzt wird.
Internationale Steuerkooperation kann verhindern, dass Vermögen und Unternehmensgewinne der Besteuerung entzogen werden. Darum brauchen wir ein globales Register für mehr Transparenz.
Mit einer globalen Mindestbesteuerung von Konzernen können wir dem Niedrigsteuerwettbewerb entgegenwirken. Wir werden den Aufbau einer globalen Steuerkoordinationsstelle bei der UN und die OECD in ihrem Kampf gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung unterstützen. Unser Ziel ist es Steueroasen trockenzulegen und gerechte Steuersysteme unter angemessener Beteiligung auch der Eliten im Globalen Süden zu fördern und fordern.
Deutschland ist wie kaum ein anderes Land auf offene Märkte und eine funktionsfähige sowie regelbasierte globale Wirtschaft angewiesen. Unser Ziel ist es ein stabiles, faires und demokratisches Handelssystem zu etablieren. Wir werden die Instrumente der Handels- und Investitionspolitik modernisieren- vor allem mit Blick auf Nachhaltigkeit und die Durchsetzung gemeinsamer multilateraler Regeln- und uns für eine Stärkung der Welthandelsorganisation (WTO) einsetzen. Hierfür werden wir das Regelwerk erweitern, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen einbinden sowie die Durchsetzungsmöglichkeiten verbessern. Alle Instanzen des WTO-Streitschlichtungsmechanismus sollen wieder beschlussfähig sein. Deshalb ist eine starke WTO mit einem modernen Regelwerk, das die nachhaltigen Entwicklungsbedürfnisse des Globalen Südens ebenso wie die des Nordens fair und partnerschaftlich anerkennt und fördert, so wichtig.
Viele Länder befanden sich schon vor der Corona-Pandemie in einer Schuldenkrise, die jetzt noch vergrößert wird. Zentrale Säulen der Entwicklungsfinanzierung sind zusammengebrochen und Finanzströme ausgetrocknet. Das kurzfristige Aussetzen des Schuldendienstes im Rahmen der G20 und des IWF brachte Erleichterung. Wir unterstützen eine Initiative für ein globales Staateninsolvenzverfahren, das staatliche und vor allem private Gläubiger miteinbezieht und das Schuldenerlasse für besonders gefährdete Ländergruppen formuliert und umsetzt.
Die friedenspolitischen Herausforderungen nehmen zu. Gesundheitskrise, Klimawandel und Ungerechtigkeit verschärfen bestehende Konflikte und entfachen neue. Autonome Waffensysteme senken die Schwelle für kriegerische Handlungen, Kernwaffen erleben ein Comeback, digitaler Fortschritt macht uns verwundbar für Cyberangriffe. Dafür werden wir auf parlamentarischer Ebene einen Mechanismus einrichten, durch den neue Programme, Gesetze, Vorhaben daraufhin überprüft werden, ob sie friedenspolitischen Zielen widersprechen.
Bei der Entschärfung internationaler Krisen und der Vermittlung von Frieden nimmt Deutschland schon jetzt eine weltweite Führungsrolle ein. Das werden wir weiter ausbauen, indem wir das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) stärken und ein hochprofessionelles Team von Friedensemissären für das Führen von Verhandlungen aufbauen. Friedensprozesse sind nur dann nachhaltig, wenn die Belange und Interessen von Frauen stärker berücksichtigt und wenn sie an Aushandlungsprozessen beteiligt werden. Deshalb fordern wir, dass die VN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ konsequent umgesetzt und weiterentwickelt wird. Es gilt auf allen Ebenen der Anti-Genderbewegung entgegenzutreten.
Eine Welt ohne Atomwaffen ist und bleibt das Ziel sozialdemokratischer Außenpolitik. Zu einer abrüstungspolitischen Offensive gehört, dass bestehende Vereinbarungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung unbedingt gerettet sowie die Verpflichtungen aus dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) umgesetzt werden. Wir brauchen reale Abrüstungsschritte. Mit der neuen US-Administration gilt es die Gespräche wieder aufzunehmen, wie eine vollständige Umsetzung des internationalen Atomabkommen (JCPoA) mit dem Iran erfolgen kann.
Der im Rahmen der Vereinten Nationen beschlossene und inzwischen in Kraft getretene Atomwaffenverbotsvertrag bringt eine weitere Dynamik in die Bemühungen für eine nuklearwaffenfreie Welt. Deutschland sollte als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags die Intentionen des Vertrages konstruktiv begleiten. Auch setzen wir uns ein für den Beginn von Verhandlungen zwischen den USA und Russland zur verifizierbaren, vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich mit dem Ziel, die in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten. Wir werden zudem Rüstungskontrolle auch in den Bereichen Biotechnologie, Cyber und Künstliche Intelligenz etablieren. Die Ächtung autonomer tödlicher Waffensysteme bleibt unser Ziel. Bei allen Bemühungen um Abrüstung muss stärker als bisher auch China einbezogen werden.
Für uns ist eine restriktive Rüstungsexportpolitik zentral. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter in Staaten außerhalb von EU-, NATO- und denen gleichgestellten Ländern weiter eingeschränkt, die Kontrolle über den endgültigen Verbleib der Waffen ausgeweitet und absolute Ausnahmen nur im begründeten Einzelfall möglich sein werden – öffentlich nachvollziehbar dokumentiert. Das soll in einem Rüstungsexportgesetz festgeschrieben werden. Auch mit unseren europäischen Partnern werden wir eine Verschärfung der EU-Rüstungsexportvereinbarungen abstimmen. Für Staaten, die weder Mitglied der EU noch der NATO sind, ist eine Ratifizierung des Vertrags über Waffenhandel (ATT) und dessen konsequente Umsetzung zwingende Voraussetzung für jede Form der Rüstungskooperation.
Für uns ist die Unteilbarkeit und universelle Geltung der Menschenrechte nicht verhandelbar. Um Menschenrechte durchzusetzen, müssen wir diejenigen schützen, die für sie eintreten. Wir werden das im EU-Rahmen unter deutscher Ratspräsidentschaft geschaffene Menschenrechts-Sanktionsregime konsequent nutzen. Dazu gehören Einreiseverbote und das Einfrieren von Konten. Auch werden wir die Möglichkeiten der weltweiten Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzern fördern und den Internationalen Strafgerichtshof stärken. Indem wir die mit Menschenrechten befassten Institutionen des Bundestags und der Bundesregierung unterstützen und weiter ausbauen, stärken wir die Menschenrechtsarchitektur.
Alle unsere Anstrengungen können jedoch nur gelingen, wenn wir die Vereinten Nationen darin unterstützen, ihren Auftrag der Friedenssicherung, Förderung nachhaltiger Entwicklung und Wahrung der Menschenrechte zu erfüllen. Wir wissen: Reformen der Vereinten Nationen sind hierfür dringend notwendig. Diese werden wir vorantreiben. Unser Ziel ist ein ständiger europäischer Sitz und eine angemessene Repräsentanz des Globalen Südens im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
V. Zukunft, Respekt und ein solidarisches Europa – Leitgedanken für ein neues Jahrzehnt
In den 2020er Jahren entscheidet sich, welche Rolle Deutschland und Europa in der Welt spielen werden. Mit unseren Zukunftsmissionen werden wir heute die Zukunft gestalten.
- Wir wollen Industrie- und Innovationsstandort bleiben, mit klimaneutralen Produkten und Technologien, einer modernen Mobilität weltweit Standards setzen und die Möglichkeiten der Digitalisierung basierend auf unseren Werten nutzen.
- Wir werden dafür sorgen, dass der erwirtschaftete Wohlstand allen Bürger*innen in unserem Land ein gutes und sicheres Leben ermöglicht. Dafür werden wir auch das Gesundheitssystem stärken.
- Wir wollen Vollbeschäftigung erreichen mit guter Arbeit und gerechten Löhnen.
Wir wollen aus Träumen Zukunft machen. Wir wollen, dass alle Menschen ihre Wünsche verwirklichen und ihre Ziele erreichen können. Am Anfang ihres Lebens, aber auch wenn sie bereits mitten im Leben stehen. Mit gleicher Förderung vom Beginn eines Lebens an, und mit Möglichkeiten sich zu entwickeln – ein Leben lang.
Wir wollen gemeinsam vorankommen. Wir wollen eine Gesellschaft, die solidarisch ist und allen Bürger*innen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich macht. Ein moderner und starker Sozialstaat ist dafür die Grundlage und begegnet allen Menschen mit dem Respekt, den sie verdienen.
Wir wollen respektvoll zusammenleben. Unsere Gesellschaft lebt von ihrer kulturellen Vielfalt, Kreativität und Verschiedenheit. Soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage für eine starke Gesellschaft, die Extremismus, Hass und Hetze den Kampf ansagt und vor Kriminalität schützt.
Wir wollen Frieden fördern. Aus einer starken europäischen Gemeinschaft ziehen wir die Kraft für eine gemeinsame Friedenspolitik, die Konflikte löst und Menschen über Grenzen zusammenbringt.
Wir wollen Verantwortung übernehmen. Wohlstand und Anstand dürfen keine Gegensätze sein. Unser Lebensstandard darf nicht auf der Ausbeutung von Mensch und Natur beruhen. Weder in Deutschland, noch in Europa oder anderen Regionen der Welt.
Dafür werben wir mit diesem Programm.