Das große Wahljahr 2017 wirft lange Schatten voraus. Im Herbst wird der Bundestag neu gewählt. Die aktuellen demoskopischen Befunde zeigen, dass die früher großen Volksparteien schwächeln. Die Große Koalition erfreut sich keiner hohen Beliebtheit, obwohl sie einiges bewegt hat – von der Konsolidierung des Bundeshaushaltes ohne Steuererhöhungen über den Mindestlohn bis hin zur Rente mit 63, wenn zuvor 45 Jahre gearbeitet wurden, und zur Verbesserung der Mütterrente. Das Wachstum der Wirtschaft ist mit einem Plus von 1,7 % solide, die Zahl der Beschäftigten bewegt sich mit 43 Millionen auf einem Rekordniveau, die Inflation ist „ausgestorben“, die Löhne und Gehälter steigen nominal und insbesondere real.
Berliner Große Koalition mit Problemen
Gewiss, die Flüchtlingsprobleme sind noch längst nicht gelöst. Das Integrationsgesetz bringt jedoch Fortschritte. Verbesserungen für die innere und äußere Sicherheit sind zwar von der Großen Koalition auf den Weg gebracht worden, doch für das Volk noch nicht spürbar. Das subjektive Sicherheitsgefühl wird durch die latenten Gefahren des Terrorismus ebenso wie durch steigende Kriminalität mit Raub und Einbrüchen negativ beeinflusst. Auch das Gerede von der drohenden Altersarmut verunsichert viele Arbeitnehmer, die auf ihre Rente in der näheren und vor allem ferneren Zukunft blicken. Die Energiewende macht sich für die privaten Haushalte mit steigenden Abgaben negativ auf der Stromrechnung bemerkbar. Allein für die Einspeisung regenerativer Energie sind in diesem Jahr rund 25 Mrd. € zu zahlen. Großprojekte wie etwa der Berliner Flughafen oder der Hauptbahnhof Stuttgart 21, bei denen Politiker die Regie führen, sind zu unkalkulierbaren Abenteuern geworden, für die der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Ohnehin ächzt die Mittelschicht unter steigenden Steuerlasten aufgrund der Progression im Einkommensteuertarif. Bezahlbare Sozialwohnungen in den großen Städten und Ballungsgebieten sind Mangelware. Es sollen zwar mehr Wohnungen gebaut und gefördert werden, doch SPD und Union konnten sich bislang noch nicht auf die Förderkonditionen einigen. Zunehmend Verdruss empfinden tagtäglich Millionen von Autofahrern, die viel Zeit in den Staus auf Deutschlands Straßen verbringen müssen. Sie hadern inzwischen mit dem Mautminister Dobrindt und haben das Vertrauen in seine Verkehrspolitik verloren.
Erosion der Volksparteien
Ohnehin trauen über 70 % der Menschen in unserem Lande der Bundesregierung nicht mehr zu, dass sie die großen Probleme der Gegenwart und Zukunft lösen kann. Solche Vertrauensverluste spiegeln sich in den Parteiwerten wider: Die SPD bewegt sich bundesweit gerade noch um 20 %, CDU und CSU bei etwa 30 %. Grüne und Linke bringen es bei den meisten Umfragen auf jeweils rund 10 %. Die FDP steht wohl bundespolitisch vor einer Renaissance; sie liegt bei 6 bis 7 %. Am meisten profitiert von dem Hin und Her in der Großen Koalition, von dem verwaschenen Profil der einstigen Volksparteien, von der sich ausbreitenden Unzufriedenheit und dem Vertrauensverlust die AfD. Was diese Partei im rechten politischen Spektrum programmatisch bietet, ist mehr als kümmerlich. Doch die AfD-Propaganda mit Parolen gegen den Islam, die Migranten und die etablierten Parteien kommt in breiten Schichten der Bevölkerung offenbar gut an. Ob sie die 10 bis 15 % der Stimmen bei der nächsten Bundestagswahl erreichen wird, auf die sie derzeit bei Umfragen kommt, ist nicht sicher. Doch zeigen diese Zahlen, wie groß inzwischen das Protestpotenzial geworden ist.
Vorentscheidung in NRW
Die wichtigste Wahl vor der Bundestagswahl wird am 14. Mai 2017 in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Derzeit deutet alles darauf hin, dass auch hier gleich 6 Parteien den Einzug in den nächsten Landtag schaffen könnten. Die mit großen Vorschusslorbeeren gestartete rot-grüne NRW-Koalition hat bislang wenig Überzeugendes geleistet. Das Land bewegt sich bei der wirtschaftlichen Dynamik im Stillstand. Beim Wachstum steht es im Vergleich zu allen anderen Bundesländern auf Platz 16 und trägt damit die „rote Laterne“. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Kinderarmutsquote ist seit dem Regierungsantritt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von 21 auf 24 % gestiegen; auch hier ist die Zunahme stärker als in allen anderen Bundesländern, obwohl die NRW-Regierungschefin besonderen Wert auf ihr Lieblingsprojekt „Kein Kind zurücklassen“ legt. In vielen Städten Nordrhein-Westfalens haben sich die sozialen Probleme in den letzten Jahren verschärft; das Ruhrgebiet blieb die armutspolitische Problemregion Nr. 1. Bei einer Verschuldung von inzwischen über 140 Mrd. € gibt es kaum noch Spielräume für eine zukunftsorientierte Präventionspolitik, zumal auch die meisten Kommunen finanziell „auf dem letzten Loch pfeifen“.
Remmel bremst Duin
Hannelore Kraft verkündet zwar landauf, landab „Wir können Wandel“, doch die gewiss großen Strukturprobleme warten bislang auf eine spürbare Lösung. Was Wirtschaftsminister Duin an positiven Impulsen und Ideen auch einbringt, der grüne Umweltminister Remmel bremst seinen sozialdemokratischen Kollegen vehement aus. Mit immer neuen Öko-Auflagen, mehr Natur- und Landschaftsschutz, neuer Bürokratie und Verhinderungsstrategie wird manche Aufbruchstimmung im einstigen „Land der tausend Feuer“ zunichte gemacht. Wer durch das Ruhrrevier fährt, sieht mehr als deutlich, dass der Wandel dieser Region mit Kohle und Stahl zu einem aufblühenden Gebiet mit Innovationen, neuen Unternehmen und Branchen sowie mit neuen Arbeitsplätzen kaum vorangekommen ist. Regionale Strukturpolitik ist jedoch eine der wichtigsten Aufgaben einer Landesregierung.
Hoffnungslauf der CDU
Angesichts der schlechten Zwischenbilanz der NRW-Landesregierung keimen große Hoffnungen bei der CDU im Hinblick auf die nächste Landtagswahl auf. Die Pleite mit Norbert Röttgen, der 2012 zwar als Spitzenkandidat ins Rennen ging, sich jedoch für die Oppositionsrolle nicht erwärmen konnte, ist unter der Führung des CDU-Landes- und -Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet gut überwunden worden. Er kann beim Parteitag am nächsten Wochenende in Aachen -in seiner Heimatstadt- mit großer Zustimmung der Mitglieder rechnen.
Armin Laschet wird die Regierungschefin Kraft nicht lautstark angreifen. Mit seiner eher subtilen Strategie wird er auch das Land nicht mies machen oder gar schlechtreden. Vielmehr will er den Menschen an Rhein und Ruhr, an Lippe, Emscher und Sieg Mut machen und sie für einen Wandel in NRW gewinnen. Die Menschen können mehr, so ist seine Philosophie, doch die Landespolitik müsse ihnen dafür wesentlich bessere Rahmenbedingungen schaffen. Die Schwerpunkte seiner politischen Zukunftsstrategie hat Laschet bereits festgelegt. An erster Stelle steht für ihn mehr wirtschaftliche Dynamik. Mit einem höheren Wachstum würden neue Arbeitsplätze geschaffen und auch mehr Steuereinnahmen generiert. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Stärkung der inneren Sicherheit – vor allem mit mehr Polizei-Stellen und besserer Ausstattung der Polizisten vor Ort. In der Bildungspolitik geht es Laschet nicht mehr darum, das jetzige Schulsystem wieder total umzustellen. Doch will er die Qualität erhöhen – mit mehr Lehrern und Sozialpädagogen. Auch sollen die nicht geringen Ressourcen der Universitäten und Hochschulen in NRW intensiver als bisher für den Strukturwandel, für den Know how-Transfer, für Innovationen und Ausgründungen zu neuen Unternehmen mobilisiert werden. Die durchaus vorhandenen Schätze der Wissenschaft und Forschung könnten gehoben werden, um durchgreifende Veränderungen im größten Bundesland der Republik zu erreichen. Schließlich wird der CDU-Vorsitzende, der im Mai 2017 als Spitzenkandidat seiner Partei um die Regierung in NRW kämpfen will, alles daransetzen, die riesigen Verkehrsprobleme zu lösen. Nordrhein-Westfalen ist Stauland Nr. 1 und hält damit einen traurigen Rekord. Finanzmittel, die vom Bund zur Verfügung gestellt wurden, sind in den letzten Jahren nicht genutzt worden, da die rot-grüne Regierung keine Verkehrsprojekte dafür in der Projektplanung rechtzeitig vorangebracht hat. Solche Fehler sind natürlich Wasser auf die Mühlen der CDU im gewiss populären Kampf gegen die Staus, über die sich Millionen Autofahrer in den Ballungsgebieten täglich ärgern.
Laschet mit Profilgewinn
Der Herausforderer von Hannelore Kraft ist längst kein politisches Leichtgewicht mehr. Armin Laschet hat Erfahrungen im Bundestag und Europaparlament gesammelt, er war Minister in der Landesregierung unter Jürgen Rüttgers und hat in den letzten Jahren die Landes-CDU und seine Landtagsfraktion wieder aufgerichtet und gut aufgestellt. Er ist kein Mann der lauten, sondern eher der sanften Töne, stets freundlich und verbindlich. Und er kann strategisch denken und auch kurzfristig taktisch agieren. Ob das am Ende reichen wird, um wieder in die Regierung von NRW zu gelangen, ist schwer vorauszusagen. Derzeit liegen SPD und CDU bei Umfragen etwa gleichauf, was sich gewiss im Laufe des Jahres bis zur Landtagswahl auch noch verschieben kann. Wenn jedoch 6 Parteien ins Parlament kommen, mag es vielleicht nicht für einen Sieg, doch für einen Platz in der Regierung reichen.