Wenn man genau unter die Lupe nimmt, was da aus als demokratisch geltenden konservativen Parteien derzeit in Deutschland an Forderungen posaunt wird, lässt sich erkennen, dass der antidemokratische Diskurs der rechtsextremistischen Alternative für Deutschland offenbar bereits durchschlagende Wirkung zeigt: Einreiseverbote für türkische Minister, Verbot von Wahlveranstaltungen für ein Referendum, das den Weg für ein autokratisches Präsidialsystem in der Türkei freimachen soll. Es geht auch um ein Redeverbot für türkische Regierungsmitglieder, die die Forderungen verkünden wollen, die Sultan Erdogan in einer neuen antidemokratischen Verfassung für sein Land durchsetzen will.
Ganz offenkundig braucht er dafür auch die Zustimmung der in Deutschland lebenden gut vier Millionen türkischen Bürger, von denen mehr als 1.4 Millionen Menschen weiter wahlberechtigt sind. Das sind ungefähr zwei Prozent aller wahlberechtigten Bürger in der Türkei. Wenn der „starke Mann“ am Bosporus, sich seiner Sache sicher wäre, dann könnte er auf Provokationen verzichten, und sich darauf beschränken, dass er seine Wähler auch über die bereits sich in seiner Hand befindlichen Radio- und Fernsehsender über Satellit erreichen wird, die seine Botschaften schon nach Deutschland tragen dürften. Offenbar ist er sich des Mehrheitsvotums nicht wirklich sicher, sodass er alles tut, um den Eindruck zu erwecken, dass Deutschland der Türkei schaden wolle. Dazu aber braucht er Gaggenau und Köln und fadenscheinige Absagen von Auftritten seiner Gefolgsleute, die wie Handpuppen agieren und sagen, was der Meister ihnen zuflüstert.
Nichts von dem, was derzeit in der Türkei zur Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates in Bewegung ist, kann einen Demokraten kalt lassen. Erst recht nicht, dass Meinungsfreiheit schon jetzt abgeschafft ist und mehr als 150 Journalisten in Haft sind, ohne die Anklage zu kennen. Sie warten auf ihren Prozess, manche schon seit Monaten. Das Parlament spielt schon jetzt keine Rolle mehr und die Gefängnisse sind voll mit angeblichen Unterstützern des Putschversuches, von dem man noch immer nicht genau weiß, ob er nicht doch eine Inszenierung war, die Erdogan nutzen und die Durchsetzung seiner antidemokratischen Ziele beschleunigen sollte.
Wer den Demokraten in der Türkei beistehen will, sollte ihnen wenigstens ersparen, als Reaktion auf Erdogans Hasstiraden auch noch die Häme ertragen zu müssen, dass in Deutschland nur eine Schönwetterdemokratie zu besichtigen ist. Wer Redeverbote will und damit die Meinungsfreiheit und gleichzeitig die Versammlungsfreiheit einschränken will, und von Einreiseverboten faselt, der spielt Erdogan in die Karten. Ihm reicht der Krieg der Worte, der ihm Gelegenheit gibt, die nationalistische Karte zu spielen und sich als Retter seines Landes aufzuspielen.
Bildquelle: Wikipedia, TEKDONER, Public Domain