Jetzt, da das Schuldenpaket, das Deutschland militärisch und ökonomisch wieder auf die Beine bringen soll, beschlossen und der Weg für den Kanzler Friedrich Merz so gut wie frei ist, dreht sich das übrige Personal-Karussell. Wer wird was, wer nicht? In der Regierung, im Parlament, der Fraktion oder irgendwo in der Welt, weil daheim kein Platz interessant genug erscheint. Julia Klöckner, die frühere CDU-Vizin, Ex-Landwirtschaftsministerin, Ex-Spitzenkandidatin der Christdemokraten in der einstigen CDU-Hochburg Rheinland-Pfalz, (man könnte weitere Ex nennen)soll wohl Bundestagspräsidentin werden. So hat es Merz vorgeschlagen. Damit rückte sie protokollarisch auf Platz 2 der Rangliste, direkt hinter dem Bundespräsidenten, aber noch vor dem Bundeskanzler. Zur Erinnerung: Das hat einen ehemaligen Mächtigen dieser Republik, Helmut Kohl, Bundeskanzler, früher Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, ziemlich gewurmt. Denn er musste es akzeptieren, dass Rita Süssmuth, „lovely Rita“, vor dem schwarzen Riesen stand. Die beiden mochten sich nicht so sehr.
Personalfragen sind Machtfragen. Da spielt die Partei eine Rolle, die Region, aus der man kommt, das Geschlecht, Mann oder Frau, früher kam noch die Frage, katholisch oder evangelisch hinzu, auch die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft kann wichtig sein. Julia Klöckner kommt aus Bad Kreuznach, also Rheinland-Pfalz, einst, aber lange her, CDU-Land, Kohl stammt daher, auch Heiner Geißler, der einflussreiche CDU-Generalsekretär, Bernhard Vogel, vor kurzem verstorbener Ministerpräsident in Mainz, aber auch später in Erfurt, also Thüringen. Klöckner wollte schon mal Ministerpräsidentin werden, scheiterte aber an Kurt Beck, dem SPD-Mann, und danach auch an Malu Dreyer, ebenfalls Sozialdemokratin. Möglich, dass Merkels Flüchtlingspolitik ihr den Weg in die Staatskanzlei in Mainz verbaute. Sie hat Politik, katholische Theologie und Pädagogik studiert, als Journalistin gearbeitet, schon 2002 schaffte sie den Einzug in den Bundestag, wurde 2009 parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, später stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Die Frau, die aus einer Winzerfamilie stammt und schon mal Weinkönigin war, galt lange Zeit als große Hoffnung der Christdemokraten.
Linnemann, Spahn, Merz
Dass sie jetzt Parlamentspräsidentin werden soll- das Vorschlagsrecht hat immer die stärkste Fraktion und das ist in diesem Fall wieder mal die Union- hat mich ein wenig überrascht. Ich hatte als Favorit für diesen Job Armin Laschet gehalten, den früheren NRW-Ministerpräsidenten, CDU-Bundesvorsitzenden, gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten. Laschet hatte in den letzten Monaten wieder mehr von sich Reden gemacht, war aufgetreten u.a. bei Sandra Maischberger. Man hatte wieder über ihn geschrieben, der ja damals kurz vor dem Kanzelamt stand und dann eben nicht nur wegen eines Lächelns am falschen Ort gescheitert war, sondern mehr am Widerstand und den pausenlosen Intrigen des CSU-Chefs Markus Söder. Der Aachener Christdemokrat ist ein durchaus beliebter und anerkannter Politiker, sachkundig, sein Landesverband NRW ist der stärkste auf CDU-Parteitagen. Aber andere aus NRW wollen auch was werden, wie Carsten Linnemann, der CDU-Generalsekretär, und Jens Spahn, der ehemalige Bundesgesundheitsminister, der befreundet ist mit Hendrik Wüst, dem NRW-Ministerpräsidenten. Und Merz stammt ja auch aus NRW. Zudem, heißt es, auch die bayerische Schwesterpartei CSU spreche ein Wörtchen mit bei der Besetzung der Parlamentsspitze. Also Markus Söder wieder, der nicht vergessen hat, dass er damals das Wettrennen gegen Laschet um die Kanzlerkandidatur der Union verlor? Es hilft Laschet nicht, dass die NRW-Grünen ihn als Bundestagspräsidenten genannt haben.
Der Bundestagspräsident kann ein wichtiges Amt sein. Man darf daran erinnern, was Politiker wie Rita Süssmuth, Norbert Lammert, Wolfgang Thierse(SPD) und Wolfgang Schäuble daraus gemacht haben. Allesamt herausragende Persönlichkeiten ihrer Zeit. Und da beginnt die Diskussion über Julia Klöckner, da werden Zweifel geäußert, ob sie diese Qualitäten habe, um zum Beispiel die aufsässige und oft störende AfD zu zähmen. Ja, die Frau wird als herzlich geschildert, was aber in anderen Kreisen auch negativ gesehen wird, sie gilt als aufgeschlossen und sie besitzt das, was man braucht, um sich in der immer noch männer-dominierten CDU durchzusetzen: Beharrlichkeit. Aber sie hat auch schon mal daneben gelangt, man denke an das Video, indem sie zusammen mit Nestle-Deutschland-Chef die Zucker- und Fettreduktionsstrategie des Konzerns lobte. Ja, sie ist unternehmenstechnisch eher nicht so distanziert, wie man das gern hätte. Wobei einer wie Merz gewiss damit keine Probleme haben würde. Und dennoch wird über sie geredet, vielleicht hinter der Hand getuschelt, wie man das macht. In einem Porträt der SZ heißt es dazu: „Außerdem tritt man Julia Klöckner nicht zu nahe, wenn man sagt, dass nicht jede ihrer unzähligen Äußerungen in den sozialen Medien ein konzentriert vorgetragener kluger Gedanke war“. Diese Formulierung erinnert mich an den Satz eines Kollegen vor vielen Jahren, als er auf die Frage nach dem Intellekt der Zeitgenossin antwortete: „Den tiefen Teller hat sie nicht erfunden.“
Machtkämpfe bei den Grünen
Machtkämpfe gibt es in den Reihen der Grünen um das Amt der Vizepräsidentin des Bundestages. Katrin Göring-Eckardt will dieses Amt wohl gern behalten, heißt es. Doch Ex-Parteichef Omid Nouripour möchte auch auf diesen Stuhl wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die auch gleich in einem Brief ihre Qualitäten für diesen Amt herausgestellt hat, wie der „Stern“ berichtet. In diesem Schreiben versucht sie, allen Argumenten gegen ihre Kandidatur zu widersprechen, weil sie ja schon vieles gemacht habe in der Partei, im Parlament, in der Exekutive. Aber gerade diese herausfordernden Zeiten hätten sie “ zu dem Entschluss und zu der tiefen Überzeugung gebracht, an dieser so wichtigen Stelle für unsere parlamentarische Demokratie zu kämpfen und bündnisgrüne Politik in unserem Land sichtbar zu machen, hörbar und unerschrocken dafür eintreten zu wollen.“ Klare, mächtige Worte einer Politikerin, die betont, dass sie gebraucht wird. Aber das sieht Frau Göring-Eckardt gewiss nicht anders für sich selbst, also betont sie schon immer ihre ostdeutsche Herkunft und weist daraufhin, dass im Wahlkampf die Menschen in Ostdeutschland und ihre Lebensverhältnisse kaum eine Rolle gespielt hätten. Ja, Katrin Göring-.Eckardt wollte und sollte schon mal Bundespräsidentin werden. Zumindest hatten sich das einige Medien so ausgedacht wie die Hamburger „Zeit“ . Doch dann wurde es Frank-Walter Steinmeier, weil die Hamburger Journaille nicht bedacht hatte, dass Personalfragen immer auch Machtfragen sind. Und damals spielte neben der nicht in Zweifel zu ziehenden Qualifikation von Steinmeier auch eine Rolle, dass Sigmar Gabriel die Kanzlerin Merkel mit dieser Personalie so überraschte, dass sie auf die Schnelle keine Alternative zur Hand hatte. So geht eben auch Politik.
Was aus Bärbel Bas wird, der noch amtierenden Bundestagspräsidentin, ist mir nicht bekannt. Sie hat sich in ihrem Amt als Chefin des Bundestages viele Sympathien erworben. Die Duisburger Sozialdemokratin wurde schon mal gehandelt als mögliche Spitzenkandidatin der SPD für die nächste Landtagswahl an Rhein und Ruhr. Sie wäre eine glaubwürdige und sehr starke Persönlichkeit und könnte den CDU-Ministerpräsidenten wirklich herausfordern. Die SPD, die viele Jahrzehnte das bevölkerungsreichste Land regiert hatte- Steinhoff, Kühn, Rau, Clement, Steinbrück und zuletzt Hannelore Kraft- steht seit einiger Zeit ohne Kopf und ohne Kurs da. Blank, würde das ein bestimmter General sagen, um die militärische Leerstelle in der Bundeswehr zu beschreiben. In Umfragen liegt die CDU weit vorn, die SPD irgendwo unter der 20-Prozent-Grenze. Bärbel Bas könnte SPD-Parteichefin werden, wenn Saskia Esken entweder verzichtet oder auf dem vorgezogenen SPD-Parteitag im Juni nicht mehr gewählt wird. Es gibt parteiinterne Äußerungen, die ihr im Grunde einen Verzicht auf die Kandidatur nahelegen, weil sie darin keinen Sinn erkennen. Aber die Sozialdemokratin aus Baden-Württemberg hat zwar ein miserables Bundestagswahlergebnis erzielt, mit dem sie kaum ihren Führungsanspruch untermauern könnte. Man darf aber nicht vergessen, dass Saskia Esken damals an der Seite von Norbert Walter-
Borjans für viele überraschend die Abstimmung über den SPD-Vorsitz u.a. gegen Olaf Scholz gewann. Die Partei-Linke hat sie einst unterstützt.
Klingbeil als Außenminister?
Und wenn wir schon mal bei der SPD sind, darf man auch fragen, welches Ministeramt denn der Parteichef Lars Klingbeil anpeilt. Der Mann ist in der SPD nicht unumstritten. Er war verantwortlich für den misslungenen Wahlkampf mit Scholz. Und dieser Klingbeil greift nach der katastrophalen Wahlniederlage seiner SPD einfach nach Ämtern, als wäre nichts gewesen. Er ist Fraktionschef gleich nach der Wahl geworden. Frech, nannte das
das jemand. Wo ist die Demut des Mannes? Jetzt will er wohl Außenminister werden? Wie weiland Willy Brandt in der ersten wirklich Großen Koalition unter dem CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger. Sein Wunsch-Ressort war ja früher mal das Verteidigungsministerium. Dort sitzt aber der allseits beliebte und anerkannte Boris Pistorius, dem Fachleute bescheinigen, einen guten Job zu machen. Ein schwieriges Ministerium gerade jetzt, da es ausgebaut werden soll, da es darum geht, mehr, viel mehr Soldaten für die Bundeswehr anzuwerben, da wir eine Diskussion über die Wehrpflicht bekommen oder ein Dienstjahr, da die Kasernen saniert, überhaupt wieder Strukturen geschaffen werden müssen, damit die Bundeswehr wieder ihre Verteidigungsfähigkeit-Pistorius spricht von Kriegstauglichkeit- erreicht. Da geht es um Hunderte von Milliarden Euro, um viele neue Waffen, um vielleicht sogar eine europäische Verteidigungsarmee. Und da den Minister wechseln? Ist das nicht riskant?
Wenn aber Klingbeil Minister wird, kann er kaum zur gleichen Zeit, Partei- und Fraktionschef der SPD bleiben. Gerhard Schröder war Kanzler und Parteichef, letzteres, weil Oskar Lafontaine die Brocken hingeworfen hatte. Helmut Kohl war viele Jahre CDU-Parteichef und Kanzler Angela Merkel führte wie Kohl das Land und die Partei. Wer soll die Fraktion der SPD in einer Groko mit der CDU führen? Hubertus Heil wird genannt, auch weil nicht schon wieder ein Niedersachse Arbeitsminister werden kann. Pistorius ist auch Niedersachse, wie Klingbeil und Steinmeier auch. Eine Doppelspitze an der Fraktion wäre möglich, hörte ich. Wer käme an der Seite von Heil in Frage? Irgendeiner hat auch gesagt, man könnte Saskia Esken, um sie als Parteichefin loszuwerden, mit einem kleinen Ministerium beglücken. Familie und Gedöns, um Schröder zu zitieren.
Baerbock wechselt zur UNO
Die noch amtierende Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen zieht es wohl zur UNO. Auf den Fraktionsvorsitz hatte sie ohnehin keine Lust mehr, wie sie vor Zeiten betont hat. Klar, Baerbock war Kanzlerkandidatin, scheiterte aber an Scholz, der 2021 eben überraschend die Wahl gewann. Ich hatte die Grünen-Politikerin nie auf dem Schirm, sie war, das muss ich so sagen, hochgeschrieben worden wie die Partei, die man angeblich auf dem Weg zur Volkspartei sah. Und die dann abstürzte. Immerhin wurde Frau Baerbock dann Außenministerin, ein Amt, das sie mit großer Leidenschaft, Kraft und viel Zeitaufwand versah. Ob mit oder ohne Erfolg, lasse ich mal beiseite. Und dass ihr nach all den Kämpfen und Mühen, die sie auch privat mitnahm, nicht der Sinn danach steht, die Grünen zu begleiten auf die harten Oppositionsbänke, kann ich verstehen. Also winkt ihr ein hoher Posten bei der UNO. Die Bundesregierung hat die Grünen-Politikerin als deutsche Kandidatin für den Vorsitz der UNO-Generalversammlung in der Sitzungsperiode 2025/26 benannt.
Ein entsprechender Kabinettsbeschluss sei auf den Weg gebracht, meldet dpa. Baerbock soll Anfang Juni gewählt werden und im September ihr einjähriges Amt antreten. Ihre Wahl gilt als Formsache. Frau Baerbock will dann ihr Bundestagsmandat niederlegen. Regierungssprecher Hebereit hat diese Entscheidung bestätigt und Annalena Baerbock als „hochqualifiziert“ für den Job genannt und als „hoch anerkannt“ gewürdigt. Dagegen hat der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, diese Personalie scharf kritisiert. Er nannte sie eine „Unverschämtheit“, weil „die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell „ersetzt werde. Ursprünglich war die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid für das Amt vorgesehen. Helga Schmid war Büroleiterin von Joschka Fischer, Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, die das iranische Nuklearabkommen verhandelt hatte, und dann war sie Generalsekretärin der OSZE. Mit Blick auf Baerbock fragte Heusgen: „Ist das feministische Außenpolitik?“
Laschet könnte 2027 Bundespräsident werden
Noch ein Wort zu Armin Laschet, der dem neuen Bundestag angehören wird und von dem es kürzlich hieß, er werde immer mal wieder verwechselt mit dem Verteidigungsminister Pistorius. Ob er Minister im Kabinett von Merz wird, weiß ich nicht, halte ich aus regionalem Proporz auch für unwahrscheinlich. Kürzlich wurde Laschet in einem Porträt darauf angesprochen, dass er ja auch Bundespräsident werden könne. Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeiers Amtszeit endet 2027. Wenn die Union dann stärkste Gruppe in der Bundesversammlung wäre, spräche manches für Laschet, zumal er sicher mit den Stimmen der SPD rechnen kann, wenn diese keinen eigenen aussichtsreichen Kandidaten mit eigener Mehrheit aufbieten kann. Laschet hat diese Erwähnung zurückgewiesen, schließlich haben wir einen Bundespräsidenten, richtig ist auch, dass man sich weder dafür bewirbt noch sich an Spekulationen beteiligt. Die Würde des Amtes verbietet eine solche Debatte. Was aber nicht gegen Laschet spricht. Er weiß, dass solche Ämter auf den Kandidaten zukommen. -Armin Laschet ist 64 Jahre alt.
Bildquelle: flickr, digital cat, CC BY 2.0