Die Signale aus Dortmund waren vor Beginn der neuen Bundesliga-Saison laut und deutlich: Der Trainer Lucien Favre, das BVB-Team mit Marco Reus vorneweg und auch der sonst eher vorsichtig kalkulierende Geschäftsführer Aki Watzke kündigten mutig das Ziel an, nämlich in der Spielzeit 2019/ 2020 endlich mal wieder den Meistertitel zu erringen.
Starker Kader, schwaches Spiel
Über 100 Mio. € wurden zur Verstärkung des Spielkaders investiert. Mit Mats Hummels sollte die Abwehr wirklich eine Wand werden, an der die Angriffe der Gegner nur so abprallen. Mit Witsel, Dahoud, Weigl und anderen Ballzauberern präsentierte der BVB sein kreatives Mittelfeld. Vorne im Angriff sollten Reus, Alcácer, Sancho, Hazard, Götze, Brandt & Co. für Tore sorgen, über die die Fans des BVB Spieltag für Spieltag geradezu ekstatisch jubeln könnten. Lucien Favre, der Coach und Dirigent dieses Ensembles, galt als Erfolgsgarant auf dem Weg zum Meistertitel, den seine Mannschaft in der vergangenen Saison nur mit zwei Punkten Rückstand auf die Münchener Bayern verspielt hatte. Und das obwohl der BVB eine Zeit lang mit einem Vorsprung von 7 Punkten die Tabelle anführte.
Praxis ist auf dem Platz!
Inzwischen ist am Borsigplatz und in den Regionen rund um das Signal-Iduna-Stadion herbe Ernüchterung eingekehrt. Ein stilles Leiden lässt sich bei den BVB-Fans feststellen. Denn an den Anhängern, die daheim und auswärts ihren Schwarz-Gelben mit größter Hingabe und Begeisterung den stärksten Rückenwind von der Tribüne aus auf’s Spielfeld blasen, liegt es gewiss nicht, dass ihre Elf auf dem Spielfeld nur wenig, vielfach keine Faszination entfachen. Nach 7 Spieltagen rangiert der BVB auf Tabellenplatz 8. 12 Punkte haben die Borussen auf ihrem Konto. 19 Tore haben sie geschossen, 11 Gegentore kassiert. Vor den Dortmundern rangieren Gladbach, Wolfsburg, die Bayern, Leipzig, Freiburg, Leverkusen und vor allem die Nachbarn aus Schalke. Gewiss der Abstand zu den kleinen Borussen aus Mönchengladbach macht derzeit lediglich 4 Punkte, der auf die Bayern nur 2 Punkte aus.
Immerhin sind es noch 27 Spiele, bis die Meisterschaft im Mai des nächsten Jahres entschieden sein wird. Es ist also noch alles drin! Doch die Art und Weise des Borussen-Auftritts bei den letzten Spielen ließ einiges vermissen und nicht das Beste ahnen. Aus Zuversicht ist Vorsicht geworden, denn wer sich als Meisteraspirant selbst ankündigte, muss mehr bieten. Denn – so die Weisheit von Adi Preißler, die er bereits vor Jahrzehnten verkündete – Praxis ist das, was auf dem Platz ist. Da hilft es dem BVB nichts, wenn die Mannschaft Rekordwerte beim Ballbesitz für sich reklamiert. Denn das Hin- und Hergeschiebe des runden Leders – vor allem im Mittelfeld – bringt keine Tore. Offenbar wirkt sich die fast philosophisch anmutende Betulichkeit des Trainers auf das Team aus. Es gibt große Defizite beim Laufen und Kämpfen, beim Spiel über die Flügel, obwohl diese mit Sancho und Hazard gut besetzt sind. Reus, Alcácer und Götze laufen sich in der Spitze regelmäßig einen Wolf, weil sie eben nicht mit passgenauem Zuspiel und guten Flanken angespielt werden. So wirkt das Live-Spiel auf den Zuschauer wie eine Slow Motion-Darbietung, mit der kaum einen andere Bundesliga-Mannschaft überrascht werden kann. Es muss einfacher, schneller, phantasievoller und direkter gespielt werden. Wenn der Torhüter Bürki die meisten Ballkontakte hat, wenn das Leder im Mittelfeld hin- und her – oder zurückgeschoben wird, dann verhungern die Goalgetter am und im Strafraum.
9 verschenkte Punkte
Psychologen mögen sich mit der Mentalität der BVB-Kicker intensiv beschäftigen. Ob deren Erkenntnisse sich auf dem Platz auswirken, bleibt indessen fraglich. Wenn der Ballkünstler Reus nach der 3:1 Niederlage bei den Eisernen von Union Berlin im Fernseh-Interview verkündete, dass „der Wille zum Sieg beim Gegner heute größer war als bei uns“, so ist diese Diagnose allemal zutreffender als jede andere Ursachenforschung. Denn ohne Gier, Willen, Einsatz, Kampf und Kraft wird das Siegen gewiss schwer bis unmöglich.
In Berlin wurden 3 Punkte verspielt, bei der Eintracht in Frankfurt, daheim gegen Bremen und in Freiburg wurden jeweils 2 Punkte verschenkt. Das macht insgesamt 9 Punkte aus, die bei der Endabrechnung fehlen und wehtun könnten. Die Borussen aus Dortmund machten bislang jedenfalls nicht den Eindruck eines Jägers, sondern den eines Gejagten. Wenn es denn mit der Meisterschale noch etwas werden soll, dann muss ein starker Ruck durch das BVB-Team gehen. Dafür genügt der Blick durch das Fernrohr nicht mehr; vielmehr müssen Fang- und Blattschüsse abgegeben werden. Ja, es muss endlich auf dem Spielfeld knallen. Die Phase der Schönrederei sollte so schnell wie möglich vorbei sein, denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Und die Leidensfähigkeit der treuesten Fans ist gewiss nicht unbegrenzt.
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Hallo :-),
auch so ein wichtiges Thema. Beeindruckend.
MfG
Jonas