Mitte der 1950er Jahre wurde die friedliche Nutzung der Atomenergie als Weg in ein neues Zeitalter des Wohlstands gepriesen. Die gewaltige Kraft der nuklearen Energiequelle wurde als schier unendlich hingestellt, die alle Energieprobleme der Menschheit lösen würde. Der Grund für die Atomenergie lag auch darin, mit dem Slogan „Atomkraft für den Frieden“ von der katastrophalen Vernichtungskraft der militärischen Atomkernspaltung abzulenken. Doch der Traum von der friedlichen Nutzung ist in unserem Land nach den beiden Größten Anzunehmenden Unfällen (GAU) in Tschernobyl und Fukushima geplatzt. Aber trotz des Abschaltens aller deutschen Atomkraftwerke ist das kurze, aber riskante und teure Zeitalter der Atomenergie noch nicht vorbei. Das Erbe ist hochradioaktiven Abfall, der über eine Million Jahre in einem sicheren Verschluss gelagert werden muss, damit es nicht zu Schädigungen für Mensch und Natur kommen kann.
Die ungelöste Frage der Endlagerung des Atommülls lässt sich nicht ignorieren, was immer wieder selbst von den dafür verantwortlichen Politikern versucht wurde und wohl auch noch getan wird. Es gibt die große Angst, am Widerstand der Bürgerinnen und Bürger kläglich zu scheitern. Auch scheint die Lagerung der hochradioaktiven Abfallstoffe nach dem Ende der AKW‘s nur noch von geringem Interesse zu sein. Selbst im zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist die Zurückhaltung allzu offensichtlich. Von den Ministerinnen der letzten Jahre Svenja Schulze und Steffi Lembke war wenig in der Endlagerfrage zu hören, aber ohne den notwendigen politischen Druck bleibt der hochradioaktive Abfall eine schwere Hypothek, die nicht zuletzt auf das zögerliche Nichthandeln zurückgeht und künftige Generationen schwer belastet.
Die Angst, einen konkreten Standort zu benennen, ist groß. Tatsächlich wurde mit der Atomenergie ein vollbeladener Jumbo gestartet, ohne dass eine Landebahn zu Verfügung steht. Wegen der bisherigen Geschichte mit dem Atommüll in Deutschland, wozu auch die Fehlentscheidungen bei der Einlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Abfall gehört, ist für ein nationales Endlager, dass gesetzlich vorgeschrieben ist, ein Auswahlverfahren ohne ein wissenschaftsbasiertes Auswahlverfahren mit intensiver Bürgerbeteiligung nicht möglich. Die Endlagersuche in Deutschland für hochradioaktiven Abfall scheint andernfalls in dem Spannungsverhältnis zwischen hoher Standortsicherheit und starker Bürgerbeteiligung ein Auswahlverfahren ohne absehbares Ende zu sein.
Und auch die Verfahren für die im Bau befindlichen Atommülllager in Finnland und der Schweiz, die als positive Beispiele herausgestellt werden, könnten in Deutschland nicht überzeugen. Im Lager Onkala neben den finnischen Atomkraftwerken von Olkiluoto, das nächstes Jahr in Betrieb gehen soll, wird der radioaktive Abfall in 400 – 450 Meter Tiefe in Kupfer eingekapselt. Auch der dort gewählte Weg einer rigiden Bürgerbeteiligung könnte nicht auf unser Land übertragen werden. In der Schweiz soll der Atommüll in Hohentengen im Kanton Zürich in einem Lager verbracht werden, obwohl das Gebiet zuerst als ungeeignet bezeichnet wurde. Weiterhin bestehen Sicherheitsbedenken, ebenso die Kritik an einer unzureichenden Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger.
Gorleben – ein kleiner Ort wurde zum Zentrum des Widerstands
In den Jahren 1975 und 76 wurden gegen den massiven Widerspruch der betroffenen Gemeinden drei Standorte für die Errichtung eines nationalen Entsorgungszentrums geprüft. Obwohl Gorleben nicht ausreichend untersucht worden war, entschied sich 1979 die niedersächsische Landesregierung unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) für die kleine Gemeinde im Landkreis Lüchow-Dannenberg, um den dortigen Salzstock für ein westdeutsches Atommülllager vorzuschlagen.
Die verkorkste Entsorgung radioaktiver Abfälle begann mit dem um die Jahrhundertwende gebaute Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel, das als Mutter der Entsorgung angepriesen wurde. Es wurde um dort schwach und mittelradioaktiven Müll einzulagern. Das wurde nach seiner Stilllegung 1965 zum weltweit ersten unterirdischen Lager für Atommüll umgebaut. Dort sollte erkundet werden, in welchem Salzstein hochgefährlicher Müll eingelagert werden kann. Zwischen 1965 und 1978 wurden über 120.000 Fässer schwach- und mittelradioaktiven Atommülls eingelagert. Nach der Anfangsphase wurden die Fässer einfach abgekippt. Bei einer Überprüfung wurde festgestellt, dass weitere 15.000 Fässer undeklariert eingelagert wurden.
Schon 1988 wurde bekannt, dass täglich etwa 12.000 Liter Grundwasser aus dem Deckgebirge in das Grubengebäude eindringen und eine gesättigte Salzlösung bilden. Das dortige Atomlager droht abzusaufen. Mit der Salzlösung ist eine Kontamination des Grundwassers mit Radionukliden zu befürchten. 2008 wurde bekannt, dass sich bereits seit mehreren Jahren in der Asse auch radioaktive Lauge ansammelt, was ein Hinweis auf undichte Fässer ist. Doch trotz der anfänglichen Aufsicht durch das Bundesministerium für Forschung ist schwer festzustellen, was dort gelagert ist. Die Asse soll in den kommenden Jahren wieder geleert werden. Wo die 220.000 Kubikmeter Atommüller gelagert werden sollen, ist völlig unklar. Die Kosten werden auf bis zu zehn Milliarden Euro geschätzt.
Der zweite Standort für die Lagerung von Atommüll in Niedersachsen ist das stillgelegte Bergwerk „Schacht Konrad“ in Salzgitter, in dem 1961 bis 1976 Eisenerz gefördert wurde. Fast 290.000 Einwendungen gegen den ohne einen Vergleich mit möglichen Alternativen eingeleiteten Ausbau führten 1991 zu einem der größten Verwaltungsverfahren, das die Einlagerung von Atommüll außer abgebrannte Brennelemente gestattet ist. Eine Revisionszulassung wurde abgelehnt. Frühestens 2029 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dabei besteht auch im Schacht Konrad die Gefahr, dass der eingelagerte Atommüll mit Grundwasserführenden Schichten in Kontakt kommt und Nuklide ausgeschwemmt werden.
Noch schwerwiegender war der untaugliche Versuch am Standort Gorleben. Von Anfang an ging es dort nicht um ein wissenschaftliches Verfahren unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, sondern ausschlaggebend waren taktische Gesichtspunkte für die Auswahl von Gorleben an der damaligen innerdeutschen Grenze. Man glaubte, aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im Wendland einen Protest schnell „stillstellen“ zu können.
Der vorgegebene Grund für Gorleben war ein „Erkundungsbergwerk“, tatsächlich ging es um die Endlagerung von Atommüll. Der Versuch, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, ging völlig schief und hat viel Porzellan des Vertrauens in die verantwortliche Politik zerschlagen. Ohne den Salzstock mit anderen möglichen Standorten zu vergleichen und zu einer breiten Bürgerbeteiligung zu kommen, wurde mit der unterirdischen Erkundung begonnen. Doch unter Sicherheitsaspekten ist der Salzstock in Gorleben für hochradioaktiven Müll ungeeignet. Aber die Bürgerinnen und Bürger durften nur „ja“ zu dieser Pseudo-Politik sagen. Insgesamt wurden zwei Milliarden Euro in den Sand gesetzt.
Über eine lange Zeit, fast ein halbes Jahrhundert, wurde so getan, als sei bei der Endlagerung alles in Ordnung. Geologische Risiken wurden bei Seite geschoben, mitten im Verfahren die Anforderungen und Planungen geändert. Atomkraftbetreiber und große Teile der Bonner Politik wollten das Endlager in Gorleben scheinbar um jeden Preis – Punkt aus. Die Politik hielt an dem umstrittenen Standort Gorleben fest, der aber aus taktischen, nicht aus wissenschaftlichen Gründen ausgesucht wurde. Die Bilder sind bis heute noch tief in Erinnerung, wie es entlang der Bahn- und Straßenstrecke nach Gorleben zu heftigen Auseinandersetzungen der Vielzahl von Demonstranten mit der Polizei kam. Gorleben wurde zu einem der größten gesellschaftlichen Konflikte, die die Bundesrepublik zu verzeichnen hatte. Mit wenigen Ausnahmen stand das ganze Wendland hinter dem Protest, der sich nicht nur gegen die Castor-Lagerung in Gorleben richtete, sondern gegen die Atomenergie insgesamt. Gorleben wurde zum Zentrum des Widerstands gegen die Atomkraft.
Die Endlagerfrage wurde zu einem Beispiel für den fahrlässigen Umgang mit einer hochriskanten Technologie, die in ihrer Hochzeit rd. 33 Prozent des Stromverbrauchs in unserem Land bereitstellte. Gorleben wurde zu einer Geschichte der Täuschungen und Trickserei. Und je mehr in den Standort investiert war, desto schärfer wurde der Konflikt. Die Atomwirtschaft und die zuständige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) gerieten Anfang der 1990er Jahre mit ihrer hartnäckigen Haltung pro Gorleben immer stärker unter Druck. Wenn nämlich nicht zumindest eine glaubwürdige Aussicht auf die Entsorgung des Atommülls nachgewiesen werden konnte, ging das an die Substanz des Atom- und Genehmigungsrechts.
Doch trotz des heftigen Widerstands der Bevölkerung wurde 1995 der erste Castorbehälter trotz hartnäckiger Behinderungen in Gorleben gelagert. Und danach immer mehr. Bei der Endlagersuche geht es darum, einen Ort für die sichere Lagerung über eine Million Jahre von 27.000 Kubikmetern hoch radioaktiven Müll (rd. 1.750 Castor-Behälter!) zu finden. Das sind fünf Prozent der radioaktiven Abfälle in Deutschland, in denen aber 99 Prozent der gesamten Radioaktivität enthalten sind.
Neustart bei der Suche nach einem Atomendlager
Beim Atomausstieg durch die Regierung Gerhard Schröder im Jahr 2000 wurde die unterirdische Erkundung des Salzstocks Gorleben unterbrochen. Rot-grün erließ ein zehnjähriges Moratorium, nicht zuletzt begründet mit geologischen Gutachten, die auf eine unzureichende Deckschicht des Salzstocks und der Gefahr von Grundwasserzuläufen verwiesen. Im Jahr 2010 hob die Regierung aus FDP und Union unter Bundeskanzlerin Merkel das Moratorium wieder auf und setzten auch eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke durch.
Doch nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011, dem zweiten Super-GAU in der Geschichte der friedlichen Nutzung der Atomkraft, drehte sich das Bild. Die in unserem Land schon seit Ende der 1980er Jahre mehrheitliche Ablehnung der Atomenergie in der Bevölkerung wurde auch zu einer breiten Mehrheit in der Politik. Am 15. April 2023 kam es zur Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland. Aber ein Endlager für den hochradioaktiven Abfall fehlt noch immer. Doch das Problem spitzt sich zu, denn der Atommüll lagert bislang in Zwischenlagern, meist an den früheren AKW-Standorten. Doch die Genehmigungen für die Standorte wie die Castoren laufen in nächster Zeit aus. Aufbewahrt wird der Atommüll in 16 oberirdischen Zwischenlagern in verschiedenen Bundesländern, deren Genehmigungen vor dem Jahr 2050 ablaufen. Vor allem in Baden-Württemberg tun sich die Probleme auf. Zudem muss geprüft werden, ob die Castoren auch über eine längere Zeit sicher sind. Die Behälter müssen überprüft werden, auch in Hinsicht auf die Wärmeentwicklung des Abfalls.
Nach dem Durchbruch beim Atomausstieg war die CDU auch bereit, unter bestimmten Bedingungen einen Neustart bei der Endlagersuche zu akzeptieren. Die Zeit drängte, um den Konsens, der beim Atomausstieg gefunden worden war, auch für die Endlagerfrage zu nutzen. Es war klar, dass Gorleben nicht durchsetzbar war. Bundestag und Bundesrat setzten deshalb eine Kommission zur sicheren Lagerung hochradioaktiver Abfälle ein. Die Union einigte sich vor allem mit den Vertretern der Grünen auf eine „weiße Landkarte“, zu der – für mich unverständlich – auch Gorleben gehörte, obwohl dieser Standort wie kein anderer bereits erforscht worden war und hochumstritten blieb, so dass er zum Kristallisationspunkt der Protestbewegung wurde.
Nach einer zweijährigen Vorarbeit von 2014 bis 2016 lieferte die Kommission die Grundlagen für das Standortauswahlgesetz, das im Mai 2017 die Suche nach einem Endlager auf komplett neue gesetzliche Füße stellte. Das neue Verfahren sollte endlich einen Endlagerort erkunden, der allen Widerständen trotzen kann. Durch die Gründlichkeit und Überzeugungskraft des wissenschaftlichen Verfahrens und die faire Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in das Auswahlverfahren. Das StandAG fordert dafür ein bergmännisch erschlossenes unterirdisches Lager in einer stabilen Salz-, Ton- oder Kristallinformation. Es erfordert stabile Abschirmungen gegen die Biosphäre durch eine Abfolge von Barrieren, die verhindern, dass es zu einer Korrosion der Endlagerbehälter durch Wasserkontakt kommen kann. Auf längere Zeit können nämlich bestimmte Isotope im Gestein diffundieren, wodurch es zu Gas- oder Flüssigkeitsströme kommen kann. Von daher sind aufwendige geologische Untersuchungen notwendig, um die Langzeitsicherheit zu erforschen.
Der Endlagerprozess soll sich in drei Etappen gliedern: Endlagerauswahl, übertägige und untertägige Erkundung. Begleitend ist mit dem Auswahlverfahren ein mehrstufiges demokratisches Beteiligungs- und Konfliktbewältigungsverfahren vorgesehen, um einen möglichst weitgehenden und generationsübergreifenden Konsens zu ermöglichen. In der Kommission wurde auch der Zeitplan intensiv. Es war klar, dass er hohe Anstrengungen verlangt. Aber dann war er, wie durchgespielt wurde, auch möglich. Das Bundesumweltministerium muss also Druck auf die Umsetzung machen. So sollen bis 2027 Standortregionen benannt werden, in denen man immer genauer die Eignung für ein Endlager prüft. 2031 sollte der Standort feststehen und bis 2050 dann dort das Endlager fertiggestellt sein. Diese Grundlagen wurden unverändert ins Gesetz übernommen.
Der Kommission war es bewusst, dass der Zeitplan, einen Standort für ein Endlager bis zum Jahr 2031 festzulegen, großer Anstrengungen bedarf. Einige Vertreter der Kommission zweifelten den Zeitplan nicht prinzipiell an, aber nach ihren bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der Endlagerfrage. Allen Mitgliedern der Kommission war klar, dass der Zeitplan sehr ambitioniert, aber möglich sei. Im Gesetz steht deshalb: „Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt.“ Der Vertreter des Öko-Instituts, das jetzt den Zeitplan massiv in Frage stellt, tat das in der Kommission nicht, obwohl gerade er maßgeblich für die technischen Anforderungen an das Verfahren verantwortlich war.
Damals war allerdings die Bereitschaft da, das vorgesehene Verfahren schnell umzusetzen. Klar war, dass das im Spannungsverhältnis zwischen den wissenschaftlichen und politischen Anforderungen und den komplexen Beteiligungsformen ein schwieriges Unterfangen werden würde. Doch nach der Kommissionsarbeit und der Beschlussfassung im Bundestag schlummerte die Umsetzung des StandAG vor sich hin. Doch das Projekt Endlager, das über Jahrzehnte geplant und umgesetzt werden soll, hat nur wenige Interessierte, die sich wirklich dafür interessieren und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
So fehlt es an politischen und öffentlichen Druck, den anspruchsvollen Zeitplan auch umzusetzen. Dabei ist schon länger klar, dass der Zeitplan ins Rutschen geraten ist. Schon im November 2022 säte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), deren Aufgabe es eigentlich ist, die Vorgaben zu erfüllen, Zweifel am Zeitplan, woran diese Bundeseinrichtung durch ihren ihr Vorgehen zum ersten Zwischenbericht zur Endlagerung mitverantwortlich ist.
Eine erste Eingrenzung fand 2020 mit den „repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen“ statt. 70 Wissenschaftler der BGE untersuchten, wie es mit der Geologie in Deutschland aussieht. Die Forscher nannten in dem dürftigen Zwischenbericht 90 Regionen, die für eine Einlagerung in Frage kämen. Die meisten davon liegen im Norden und Südosten. Die bewerteten Gebiete sollen im Verlauf des Verfahrens nach dem Ausschlussprinzip immer kleiner werden: Identifizierte Gebiete, Teilgebiete, Standortregionen, Standorte. Doch es bleibt unklar, wie die BGE das für 54 Prozent der Fläche Deutschlands machen will. Die Auswahl- und Abwägungsprinzipien sind unklar. Statt schnell die möglichen Standorte weiter einzugrenzen, werden die ausgewählten Standorte extrem zeitintensiv untersucht.
Die BGE ging im letzten Jahr davon aus, dass sich das Verfahren bis 2046, wahrscheinlich sogar bis 2068 hinziehen könne. Warum hat das BMUV darauf nicht reagiert? Warum gibt es im Ministerium kein Task Force für die Umsetzung des StandAG? Es waren doch auch Bundesämter, die unter der Aufsicht des BMUV stehen, die den Zeitplan in Frage stellten. Wieso hat die Hausleitung das nicht aufgegriffen? Die Entsorgungskommission des BMU hat 2022 die Zeiten der Zwischenlager auf bis zu 120 Jahren abgeschätzt. Jeder, der sich halbwegs auskennt, weiß, welche Folgeprobleme damit verbunden sind. Es reicht eben nicht aus, wenn ein Sprecher des BMU erklärt, „es sei schon länger bekannt, dass man bis 2031 nicht fertig werde. Allerdings steht das weiter im Gesetz
Die Studie zur Endlagersuche
Die Studie des Öko-Instituts Darmstadt zusammen mit der Kanzlei Becker, Büttner und Held im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) über die Standortsuche nach einem nationalen Endlager zur sicheren Aufbewahrung von Atommüll hat das immer wieder verdrängte Thema in die Öffentlichkeit gebracht. Nicht etwa auf Anweisung des Bundesamtes, dem das Papier seit Februar 2024 vorlag. Nein, es wurde zunächst unter Verschluss gehalten. Erst auf Druck des Deutschlandfunks sah sich die BASE gezwungen, es öffentlich zu machen. Auf wessen Anweisung? Die Hausleitung des BMUV erklärte, dass die Studie eigentlich bis Anfang 2025 geheim gehalten werden sollte. Geht die „Gorleben-Taktik“ in neuer Form weiter?
Die wichtigste Aussage in der Studie heißt: Die Suche nach einem Standort wird wohl deutlich länger dauern als es im Standortauswahlgesetz (Stand AG) von 2017 vorgesehen ist. Darin wurde das Jahr 2031 genannt, nach Auffassung der Verfasser der Endlager-Studie könne der Standort wahrscheinlich erst 2074 festgelegt werden. Das hieße: mehr als vier Jahrzehnte später als im Gesetz vorgesehen ist.
Offenkundig wird das sicher schwierige und für die Politik nicht bequeme Thema Atommülllager, bei dem mit einem erheblichen Widerstand nicht nur der Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Gemeinde zu erwarten ist, wie ein heißes Eisen behandelt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Thema soll „ausgesessen“ werden. Weder das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit noch die betroffenen Bundesländer scheinen ein sonderliches Interesse an einem zügigen Verfahren zu haben, obwohl damit erhebliche rechtliche und technische Folgeprobleme auf sie zukommen, von den finanziellen Mehrkosten ganz zu schweigen. Gewinner sind allein die Atomkraftbetreiber, die durch die Vereinbarung mit der Bundesregierung mit „nur“ 24 Mrd. Euro an den Endlagerkosten beteiligt sind, weil von einem kürzeren Zeitraum und von geringeren Kosten ausgegangen wurde. Dier Summe war für die Zeit bis 2031 und dem nachfolgenden Endlagerbau kalkuliert worden. Die Nichteinhaltung des Zeitplans belastet den Steuerzahler, die Atomkraftbetreiber sind unfein raus.
Die Frage ist: Wurde nichts aus dem Fiasko Gorleben gelernt, vor allem nicht ein „grünes Ministerium, das für sich in Anspruch nimmt, der Hüter der Anti-AKW-Bewegung zu sein? Viele Fragen müssen jetzt schnell geklärt werden:
- Wann wird die lange Zeitverzögerung zu einem sicherheitsrelevanten Faktor? Vor allem bei der Zwischenlagerung, den Gebäuden, Behältern und Abfallmatrizen, die mit fortschreitender Zeit alterungsbedingt geschwächt werden.
- Was passiert mit den Zwischenlagern, bei denen die Genehmigungen der großen Lager in etwas mehr als zehn Jahren auslaufen? Eine moderate Verlängerung ist möglich, aber was ist bei mehreren Jahrzehnten?
- Wie kann eine ausreichende Zahl an Fachkräften, Experten und Wissenschaftler für die atomare Endlagerung gesichert werden in einer Sparte, die keine Zukunft mehr hat, deren Know how aber gebraucht wird?
- Wie hoch sind die Belastungen der Steuerzahler durch die zeitlichen Verzögerungen?
- Welche Schlussfolgerungen zieht das Bundesumweltministerium aus den Problemen bei der Umsetzung des StandAG?
- Was sagt der Bundestag, also der Gesetzgeber, zu dem Atommüll-Desaster?
Nach Jürgen Voges, der für die Endlagerkommission gearbeitet hat, weist das StandAG zwei große Schwächen auf, die dringend geklärt werden müssen. Zum einen ist unklar, wofür genau der Standort gesucht werden soll. Die Bandbreite reicht von einem reinen Endlager für hochradioaktiven Müll, zudem die Abfälle fertig konditioniert angeliefert werden, bis hin zu einem Entsorgungszentrum, das aus einem großen Eingangslager und mehreren Behandlungsanlagen und mehreren Endlagern besteht. Für die Akzeptanz der Standortentscheidung können der Umfang der oberirdischen Anlagen entscheidend sein. Der Umfang ist für die planungstechnische Abwägung bedeutsam. Schwäche zwei: Das StandAG erlaubt in Kristalingestein ein Endlager, in dem in erster Linie Behälter für den Einschluss der Abfälle sorgen sollen. Wie sehen die Kriterien aus, die diese Unterschiede berücksichtigen?
Lieber Michael Müller, lieber Jürgen Voges,
in Tschernobyl und Fukushima gab es keinen GAU. Der Größte Anzunehmende Unfall muss von einem AKW beherrscht werden. In beiden Fällen war es ein Super-GAU, nicht beherrschbarer Unfall mit katastrophlen Auswirkungen.