Die Nervosität der CSU vor der Landtagswahl in Bayern treibt weiter seltsame Blüten. Während sie bei einem geschmacklos satirischen Plakat der Partei „Die Partei“ mit der ganzen Wucht des Strafrechts hinlangt, ignoriert sie die nicht minder geschmacklose Farbschmieraktion der Jungen Alternative für Deutschland (JA) vor der CSU-Parteizentrale und erstattet nicht einmal Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dennoch und durchsucht die Wohnungen von JA-Mitgliedern, darunter einem AfD-Kandidaten für den bayerischen Landtag. Immerhin. Denn die CSU hätte gern ein Auge zugedrückt, und sie ist es nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft gewohnt, dass ihr Wille in Bayern Gesetz ist.
Die Zeiten sind vorbei. Und das ist gut so. Bayern mag wirtschaftlich gut dastehen, doch das ist in florierenden Zeiten nicht allein Verdienst der Landesregierung, sondern vor allem Folge von Jahrzehnten der innerdeutschen Förder- und Standortpolitik, die für Zeiten der Globalisierung günstige Bedingungen geschaffen hat. Bayern erntet die Früchte des Wohlstands, den dereinst unter anderem das Ruhrgebiet gesät hat. Und der CSU steht nun eine ähnliche Entwicklung bevor, wie sie die SPD im Verlauf des Strukturwandels genommen hat.
Die Zeiten der Platzhirsche sind vorbei. Die absoluten Mehrheiten, an die sich die CSU bei Landtagswahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs (mit nur einer Unterbrechung 2008) gewöhnt hat, haben die Partei verwöhnt, behäbig, verfilzt und überheblich gemacht. Die CSU hat die gesellschaftlichen Veränderungen verpasst, die Menschen und ihren Alltag aus dem Blick verloren.
Statt den Wandel zu gestalten, hat sie die Augen davor verschlossen und sich gegen ihn gestemmt. Sie feiert die wirtschaftlichen Globalisierungsgewinne und lässt die Verlierer im Regen stehen. Die soziale Komponente ist völlig in der Versenkung verschwunden. Markus Söder, der als Ministerpräsident Kreuze in bayerischen Amtsstuben verordnet, es ansonsten aber bei Flüchtlingen und Geringverdienern nicht so mit der Nächstenliebe hat, der sich als Möchtegern-Astronaut eines bayerischen Raumfahrtprogramms inszeniert, und die Wohnungsnot auf Erden ignoriert, der ein verfassungsrechtlich fragwürdiges Polizeigesetz durchpeitscht und die Polizei als Grenzschutzplacebo missbraucht, dieser Markus Söder verkörpert die Abgehobenheit der christsozialen Spitzenpolitiker unserer Tage.
Wie dumm muss einer sein, der die rechtspopulistischen Parolen imitiert und meint, sich damit über die Runden retten zu können? Dem Prinzip nach sind die äußerst rechten Populisten diejenigen, die zwar laut brüllen, aber verstummen, wenn es um Lösungen geht. Wie kann also einer, der den Regierungsanspruch erhebt, sich in die Rolle eines Hetzers begeben, der von Asyltourismus schwafelt und das Geschäft der braunen Feinde von Demokratie und Rechtsstaat betreiben?
Wenige Tage vor der Wahl hat Söder bedachter geredet, seine Glaubwürdigkeit war da allerdings schon verloren. Und sein Versuch, den Schwarzen Peter für das drohende Wahldebakel Horst Seehofer zuzuschieben, ist ebenso durchsichtig. Nicht, dass der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Seehofer mit seinen ständigen Provokationen auf Kosten der Menschlichkeit auch nur einen Deut besser wäre. Doch seine Attacken gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Zumutungen in der Großen Koalition sollten vor allem dem bayerischen Wahlerfolg der CSU dienen. Solange Seehofer und Söder an den Erfolg ihres schändlichen Treibens glaubten, zogen sie an einem Strang.
Dafür werden sie, bei aller berechtigten Skepsis gegenüber Umfragen, am Wahlsonntag die Quittung bekommen. Die CSU wird aller Voraussicht nach die absolute Mehrheit verlieren. Chaos, Unregierbarkeit und instabile Verhältnisse allerdings drohen nicht. Solche Schreckensbilder malt die CSU nur an die Wand, um Wähler zu mobilisieren und Abtrünnige umzustimmen. Wieder in populistischer Manier, das Schüren von Ängsten ist ja eine erprobte Disziplin. Demokraten sollten sich davor hüten, denn der Verlust einer längst verbrauchten absoluten Mehrheit ist keine Katastrophe. Es wird eine Koalitionsregierung geben, wie sie in andern Ländern Normalität ist. Und höchstwahrscheinlich wird Söder Ministerpräsident bleiben; die Regenbogenkoalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP, wie sie manchen Demoskopen rein rechnerisch möglich erscheint, ist kaum mehr als Gedankenspiel – wenngleich ein reizvolles.
Spannend wird der Wahlausgang natürlich trotzdem, schon weil er Auswirkungen auf Bundesebene haben wird. Das Abschneiden der SPD wird die gerade erst gekürte und schon heftig gescholtene Parteichefin Andrea Nahles weiter unter Druck setzen. Das Ergebnis der CSU wird die Schwesterpartei der CDU als Koalitionspartner in Berlin noch unberechenbarer machen. In aller Schärfe werden sich die Berliner Konsequenzen aber wohl erst zwei Wochen später nach der hessischen Landtagswahl zeigen. Bis dahin gilt stillhalten.
Bildquelle: csu.de, CC BY-SA 4.0, via Wikipedia
Auf Spiegel Online gab es heute eine Probebefragung.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bayern-wahl-2018-das-abc-zur-landtagswahl-a-1231618.html
Man konnte nach eigener Stimmabgabe bei der Ansicht der Auswertung dann zwischen „Repräsentativ“ und „Rohdaten“ wählen.
Der Repräsentative Wert stellt für die CSU schon eine Katastrophe dar, denn sie käme nicht mal auf 30%. Klickt man aber zu den Rohdaten, wird es noch katastrophaler für die CSU. Die CSU käme nicht mal mehr auf 20% und die AfD wäre mit 23% stärkste Partei. Stand Samstag 19 Uhr. Leider steht nicht genau da, wie die unterschiedlichen Wertungen nun genau zustande kommen. Aber es ist wie es ist, gewählt wird Morgen.