Man darf sich schon wundern. Es wird gegen Corona-Maßnahmen demonstriert, als gebe es die Pandemie nicht. Gestern in Bonn, davor in Dortmund und in Schweinfurt, letzte Woche in München. Vielleicht aus Angst, oft aus Unkenntnis, nicht selten wird eine Demo nur dazu missbraucht, um Stimmung gegen den Staat zu machen. Für Corona-Leugner besteht das Virus nicht. 110000 Tote im Zusammenhang mit Corona allein in Deutschland sind wohl kein Argument. Diese Zeitgenossen, Querdenker, Corona-Leugner, hin und wieder Reichsbürger, bekannte Neo-Nazis und auch AfD-Mitglieder, lehnen alle Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor Corona ab: Impfen, Masken, Abstand, Lockdown. Und um ihre Ablehnung draußen bekannt zu machen, gehen sie auf die Straße, wie im bayerischen Schweinfurt passiert, oder jetzt in Dortmund. Gelegentlich nehmen sie ihre Kleinkinder mit auf die Demo, teils in der ersten Reihe und riskieren Zusammenstöße mit der Polizei.
In Schweinfurt gerät ein Kind in eine Pfefferspraywolke, weil eine Mutter eine Polizeisperre durchbrechen wollte, mit ihrem vierjährigen Kind. Die Polizisten spülten dem Kind die Augen aus, es verlief alles glimpflich. Zum Glück. Ich habe das nachgelesen in der Süddeutschen Zeitung, wollte es zuerst nicht glauben.
Kinder als Schutzschilde
Wer denkt sich so etwas aus? Kleinkinder mit auf eine Demo zu nehmen, die schon mal außer Kontrolle geraten kann. Ja, man wollte sich in Schweinfurt nur zu einem Spaziergang treffen. Selten so gelacht, wenn ich bedenke, wer sich da alles versammelt, unter die Demonstranten schmuggelt oder vorneweg marschiert. Neonazis, Reichsbürger und Konsorten, die bewusst gegen Regeln verstoßen, weil sie den Staat, der diese Regeln gemacht hat, verachten. Aus einem Spaziergang wird eine Marschkolonne, sie haben ihre Strategie über Telegram verabredet, man durchbricht Polizeiketten, greift Beamte mit Faustschlägen und Fußtritten an. Zufall? Dass Kinder dabei zusehen, ist ihnen doch egal. Mehr noch, sie nutzen Kinder als Schutzschilde. Widerlich ist das .
Und dann wird natürlich auf die Polizei geschimpft, weil ein Kind verletzt wird. Welche Heuchelei! Natürlich haben die Demonstranten „nur“ ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch genommen. In Artikel 8 heißt es: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Versammlungen unter freiem Himmel können durch Gesetz beschränkt werden. Ein Grundrecht im Grundgesetz, beschlossen 1948 von den wenigen Müttern und vielen Vätern des Grundgesetzes, deren Denken und Handeln geprägt war durch die Nazi-Diktatur, in dem das Recht des Einzelnen als Maß aller Dinge keine Gültigkeit besaß, sondern das Recht des Stärkeren und das war die Nazi-Barbarei. Recht war nicht mehr berechenbar, einklagbar, sondern hing von den Braunhemden ab, es verkam zum Unrecht.
Der Staat, so wollen es ein paar Dutzend Querulanten und ihre Anhänger, soll bewusst in Misskredit gebracht werden, auch wenn die Polizisten nur ihre Pflicht tun. Empörung gegen den Staat, das ist die Richtschnur der Demonstranten. Und ja, ich wiederhole das gern: Es muss sich ein Jeder überlegen, wem er hinterherläuft und für welche Parolen er in Mithaftung genommen wird. Wenn krakeelt wird gegen Corona-Maßnahmen, die helfen sollen, heilen, Schaden abwenden von den Mitbürgern, weil das Virus ansteckend ist, tödlich sein kann. Es sind sich so gut wie alle Experten einig, dass nur Impfen hilft, und nochmal Impfen, dass am Ende geboostert werden muss. Damit möglichst wenige Menschen an Corona sterben. Aber das interessiert die Verschwörungsfreunde nicht.
Den Staat verunglimpfen
Begreifen denn die Menschen, die auf die Straße gehen, nicht, dass Proteste gegen Corona-Maßnahmen von den Rechtsaußen dieser Gesellschaft nur dazu benutzt werden, um diesen Staat und seine Organe zu verunglimpfen? Dabe ist diese Republik das Beste, was es je in Deutschland gab. Menschen werden instrumentalisiert. Wie Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert werden. Das gefällt manchem Demo-Organisator, weil er davon ausgeht, dass durch Kinder der Einsatz der Polizei erschwert wird. Eltern haften doch für ihre Kinder. Sie sollten besser auf sie aufpassen, als sie leichtfertig mit auf Demonstrationen zu nehmen, wo sie verletzt werden könnten. Als Eltern haben wir die Kinder, als sie noch klein waren, selbstverständlich beschützt. Wir hätten sie niemals mit auf die Straße genommen, wo es zu Rangeleien mit der Polizei kommen kann, die auch das Recht hat, sich zu wehren.
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. So heißt es in Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes. Deshalb ergreift der Staat alle nötigen Maßnahmen, um Leben zu schützen, deshalb diskutiert die Politik über Maßnahmen und erläßt Regeln und Gesetze, damit die Bürgerinnen und Bürger geschützt werden. Gegen ein Virus, das bisher schon weltweit Millionen Menschen getötet hat, das in aller Welt noch mehr Millionen infiziert hat, die auf Hilfe hoffen durch Mediziner, die sie behandeln im Kampf um Leben und Tod. Verschwörungsgläubige sehen das anders, sie meinen, Corona sei von wem auch immer ausgedacht. Sie gefährden mit ihrer Haltung Menschenleben, auch das ihrer Kinder, die sie nicht impfen lassen wollen. Sie lehnen die Corona-Impfung ab, weil das Virus für sie nicht besteht. Kaum zu glauben, aber so ist es.
In Bonn haben wir über die Jahrzehnte, da der politische Betrieb am Rhein war, Demonstrationen gegen nahezu alles erlebt. Gegen die Wiederbewaffnung, gegen den Nato-Doppelbeschluss, die Atomkraft, gegen den Vietnam-Krieg, Studenten zog es auf die Straße, weil sie unter den Talaren den Muff von tausend Jahren vermuteten. Es fällt schwer, die Demonstrationen gegen Corona auch nur in die Nähe der früheren Proteste zu rücken und ihnen und ihrem Anliegen Respekt zu zollen. Zumal wenn Kinder derart instrumentalisiert werden.