Ich wundere mich schon: da verhandelten die Staaten der Welt in Aserbeidschan über die Zukunft des Klimaschutzes und niemand erschrickt ob der in Rede stehenden Transfer-Beträge von 300 Mrd. € jährlich, die in den nächsten 10 Jahren zu realisieren sind. Wo ist die öffentliche Diskussion über die nationalen und europäischen Konsequenzen?
Viele Mitmenschen haben ja begriffen, dass die globale Erwärmung auf die Emission von Treibhausgasen, insbesondere CO2 zurückgeht. Sie wissen auch , dass die schädlichen Folgen überall auftreten, aber katastrophales Ausmaß vor allem dort annehmen werden, wo die Menschen wirtschaftlich nicht in der Lage sind, Gegenmaßnahmen zu organisieren – sei es zur Minderung ihrer eigenen Emissionen oder sei es zur Minderung der Folgen. Theoretisch werden auch viele, die das begriffen haben, zustimmen, dass es historisch vor allem die Industriestaaten waren, die die Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verursacht haben, es also nicht unbillig ist, von diesen Verursachern einen finanziellen Beitrag zu diesen Minderungsstrategien zu verlangen.
Aber wer bereitet die Öffentlichkeit vor auf den Moment, wo es ans Zahlen geht? Oder glauben die westlichen Verhandler selbst nicht daran, dass es zu solchen Multi-Milliarden-Verpflichtungen tatsächlich kommen wird?
Vielleicht haben die problembewussten Mitbürger auch schon von den 100 Mrd. $ gehört, die bereits als Finanztransfer der Industrieländer des Nordens in die schwer betroffenen Gebiete des Südens verabredet ist.
Kaum jemand hat bisher gesagt oder gefragt, was das für Deutschland und die EU bedeutet, denn „westliche Industrieländer“, das sind im Wesentlichen die Nordamerikaner, Europäer und Japaner. Man darf annehmen, dass der EU-Beitrag zu diesem Transfer von 100 Mrd. in der Größenordnung von 35 Mrd. € liegen wird, der Deutschlands bei 8,5 Mrd. €. China versucht sich weiterhin zu drücken, und auf die Beiträge der reichen Ölstaaten und des alten Industrielandes Russland darf man gespannt sein.
Bei der Bemessung solcher Anteile lege ich die BIP-Werte aus Wikipedia zu Grunde, wo der EU 20% und den übrigen Industriestaaten incl. Australiens und Russlands etwa 35% des globalen BIP zuzurechnen sind.
Da mag mancher denken: 8,5 Mrd.? Geringfügig! Ein halbes Prozent mehr Mehrwertsteuer! Uns fehlt so viel Geld in so vielen Bereichen – das ist halt eine Finanzierungslücke mehr.
Was ich nicht verstehe, ist der öffentliche Gleichmut gegenüber dem, was in Baku gerade verhandelt wurde. Die Vertreter des „Globalen Südens“ geben sich bestürzt, wenn dieser vereinbarte Betrag von jährlich 100 Mrd. nur verdreifacht und nicht verdreizehnfacht werden soll, die EU also „nur“ bei 100 Mrd. € liegen würde, und der Beitrag Deutschlands bei 25 Mrd. €, also an die 1,5% Mehrwertsteuer. Mir schiene das ein angemessener Solidarbeitrag, vermute aber keine allgemeine Begeisterung, eher ein Ausweichen ins Lager der Klimaleugner. In Baku wurde aber auch versprochen, sich um die Anhebung des Transferbetrages auf 1300 Mrd. zu bemühen.
Besonders diskussionswürdig ist der besänftigende Hinweis von „Fachleuten“, das Geld könne doch auch von Privaten und Krediten aufgebracht werden. Die wegen ihrer Armut hilfsbedürftigen Staaten, zumeist bereits überschuldet, sollen also wesentliche Teile der Klimahilfe zurückzahlen? Ein tolles Konzept! Oder soll viel Geld aus einer CO2-Steuer kommen, von der wir gerade gelernt haben, dass ihr Aufkommen für den sozialen Ausgleich durch ein Klimageld im Inland gebraucht würde, wenn es nicht längst für andere Zwecke verplant wäre?
Und wer da noch nicht fragt, wie dies Geld tatsächlich aufzutreiben wäre, der blendet die tatsächliche Situation der öffentlichen Finanzen gründlich aus; aber ganz besonders muss er ein großer Optimist sein hinsichtlich des fast 50%-Anteils der 300 Milliarden, der von den USA erwartet wird, die sich gerade unter Trump vom Klimaschutz verabschieden. Und selbst in der EU ist der Himmel nicht so blau, dass solches Geld in irgendjemandes Planungen vorkäme.
Gespannt bin ich auch auf den Beitrag Russlands, der Ölstaaten und Chinas. Überhaupt finde ich fast gespenstisch, dass da in Baku Vertreter von abgewählten, geplatzten oder mehrheitslosen Regierungen über Leistungen verhandeln, die die Welt verändern würden/werden?
Werden die Bevölkerungen demokratischer Staaten jubeln? Oder die autoritären Herrscher anderswo?
Ich denke, die Baku-Beschlüsse bedeuten, dass die Klimakrise beginnt, alle Finanzpläne gründlich zu verändern. Und die öffentliche Diskussion darüber muss heute am 25. November 2024 beginnen.
Oder nehmen wir die Hoffnung der einen und die Versprechungen der anderen nicht ernst?