Mit ihren Raumfahrtprojekten hängt die Volksrepublik China die großen Konkurrenten USA und Russland allmählich ab. Die europäische Raumfahrtbehörde ESA kooperiert seit einiger Zeit mit den Chinesen und will die Zusammenarbeit vor allem mit Blick auf einen künftigen Besuch im All noch verstärken.
Nun strebt Chinas Staatspräsident Xi Jinping ein weiteres, nicht weniger ehrgeiziges „man to the moon-Projekt“ an: Die Fußball-Weltmeisterschaft soll spätestens 2030 in der Volksrepublik stattfinden. Und China will dann im Spiel auf dem grünen Rasen eine Mannschaft präsentieren, die den Nationalteams aus Europa, Mittel- und Lateinamerika, Afrika und Asien Paroli bieten kann. Bereits vor rund drei Jahrzehnten hatte der große Führer Chinas, Deng Xiaoping, der einst während seines Studiums in Frankreich selbst Fußball gespielt hatte, den Wunsch, sein Land zu einem Kicker-Paradies zu machen. Deng wollte damals den deutschen Nationaltrainer Franz Beckenbauer ins Reich der Mitte locken, damit dieser aus dem Milliarden-Volk die besten Spieler rekrutieren, trainieren und zu Erfolgen führen sollte. Doch selbst Helmut Kohl, der bei seinem Peking-Besuch im Jahre 1988 von Deng um die Entsendung des „Kaisers“ gebeten wurde, konnte dies nicht zusagen, sondern lediglich mit einigen anderen Trainern aus Deutschland -allen voran mit Klaus „Schlappi“ Schlappner- aushelfen; dieser leistete bei der chinesischen Nationalmannschaft durchaus Pionierarbeit, rief Anfang der 90er Jahre eine Profi-Liga ins Leben und wurde schließlich zum „Kaiser von China“ ernannt.
Nationalteam bislang recht erfolglos
Trotz aller Bemühungen konnte die Volksrepublik mit ihrer Fußball-Nationalmannschaft bislang international keine Erfolge erzielen. Lediglich das Frauen-Team Chinas gehörte lange Zeit zu den besten Mannschaften der Welt, nahm sechsmal an WM-Endrunden teil und erreichte sogar einmal das WM-Finale.
In der „ewigen Tabelle“ der WM-Endrunden-Teilnehmer belegt Chinas Männerteam den 74. Platz; es zählt zu den 5 Mannschaften ohne Torerfolg und zu den 9 Teams ohne Punktgewinn. 2014 gewann China zwar gegen Laos, musste jedoch in der Qualifikation Niederlagen gegen den Irak und Jordanien hinnehmen und konnte nicht zur WM nach Brasilien reisen. Ob die Qualifikation für die WM im nächsten Jahr gelingt, ist noch offen: Immerhin konnte sich die chinesische Nationalmannschaft in der Gruppe mit Bhutan, Hongkong, Katar und den Malediven durchsetzen und die dritte Runde erreichen, doch müssten nun der Iran, Südkorea, Usbekistan, Syrien und nochmals Katar als Gegner besiegt werden, um im kommenden Jahr bei der WM in Russland teilnehmen zu können.
Peking lockt Kicker mit Millionen
Chinas Staatspräsident blickt mutig nach vorne und will sein Land zu einer erfolgreichen Fußball-Nation machen. Das Volk mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern nimmt längst in vielen Bereichen Spitzenpositionen ein – in Wirtschaft und Handel, in der IT-Technologie und Raumfahrt, aber eben auch in vielen Sportdisziplinen. Xi Jinping will deshalb einen neuen „China Dream“ realisieren und in den nächsten Jahren den chinesischen Fußball in der internationalen Rangliste nach oben bringen.
Mit den bisherigen Proficlubs wird das wohl nicht gelingen. Diese Vereine -ob in Shanghai, ob in Peking- locken bislang bewährte und auch ausgemusterte Stars aus den europäischen und anderen Profiligen mit geradezu wahnsinnigen Angeboten ins Reich der Mitte: mit Transfersummen von bis zu 80 Mio. €, mit Jahresgehältern von bis zu 40 Mio. € und mehr. So kassiert der argentinische Kicker Carlos Tévez im „zarten Alter“ von 32 Jahren bei seinem chinesischen Club 38 Mio. € und damit mehr als etwa Messi und Ronaldo in Spanien. Der Torjäger von Bayern München, Robert Lewandowski, sollte mit einer jährlichen Gage von 40 Mio. €, Dortmunds Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang mit 41 Mio. € zu Teams der Chinese Super League gelockt werden. Selbst der ehemalige deutsche Nationalspieler Lukas Podolski, der inzwischen 31 Jahre alt ist und nach verschiedenen Stationen im In- und Ausland bei einem türkischen Club landete, soll nach China transferiert werden. Angesichts der geradezu astronomischen Summen, mit denen sich chinesische Vereine im Geschäft mit Spielern betätigen, sprechen wirkliche Fußballkenner von einem „Prassen ohne Limit“ oder einfach von „Wahnsinn“.
Ende des Transfer-Wahnsinns?
Allein in der Winter- und Sommerpause des letzten Jahres haben die 16 Vereine der Chinese Super League Spieler für eine Ablösesumme von rund 470 Mio. € eingekauft; das waren 40 % mehr als etwa für die Transfers in der englischen Premier League ausgegeben wurden. Den höchsten Betrag zahlte 2016 der Club Shanghai SIPG mit 60 Mio. €, die für den Transfer des brasilianischen Fußballers Oscar an den FC Chelsea fällig wurden.
Mit dem Geldwucher soll jedoch jetzt Schluss sein. Die Regierung in Peking hat inzwischen begriffen, dass aus den Poldis, Tévez und anderen ehemaligen Stars, die einst auf anderen Kontinenten mit ihren Kickerkünsten glänzten, kein chinesisches Nationalteam für die Zukunft zu formen sein wird. Denn erstens sind diese Stars schon für die WM 2022 zu alt und zweitens werden sie zwar gerne den chinesischen Geldsegen genießen, aber nicht die chinesische Staatsbürgerschaft annehmen. Die Vize-Premierministerin Liu Yandong, die sich Ende letzten Jahres mit dem DFB-Präsidenten Reinhard Grindel und der Bundeskanzlerin Angela Merkel über das Thema Fußball ausgetauscht hat, will nun den Finanz-Wahnsinn in der chinesischen Super-Liga per Gesetz eindämmen. So soll es Obergrenzen bei Spielergehältern und Transfersummen sowie eine Verringerung von ausländischen Spielern geben. Die bisherige 4+1-Regelung für Legionäre soll auf 3+1 reduziert werden; das würde bedeuten, dass in Zukunft die chinesischen Klubs zwar noch 4 Spieler aus dem Ausland einsetzen können, davon muss jedoch einer aus dem asiatischen Fußballverband stammen. Für Berater und Vereine, die gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen, werden hohe Strafen fällig. Zudem sollen Boni für den Einsatz von Spielern aus der eigenen Jugend gezahlt werden – ein gewiss sinnvoller Anreiz mit Weitblick, denn die Altstars aus Übersee blockieren doch weitgehend den Einsatz und Aufstieg eigener chinesischer Talente.
Deutschland Vorbild für China
Der vom Staats- und Parteichef Xi Jinping anvisierte „große Sprung nach vorn“ muss in der Tat anders organisiert werden. Die Blaupause dafür kann durchaus der deutsche Fußball liefern. Unter dem Dach des DFB spielen hunderttausende Fußballer in Schüler-, Jugend- und Erwachsenen-Mannschaften, und zwar in den Kreis-, Bezirks-, Verbands- und Landes-, Ober-, Regional- und Bundesligen. 366 Stützpunkte bilden in Deutschland ein flächendeckendes Netz für die Förderung und Sichtung junger Fußballspieler. Hier werden Talente motiviert sowie in Taktik und Technik geschult. Dafür stehen regionale Junioren-Trainer mit besonderen Hilfen zur Verfügung. Darauf aufbauend sind Leistungszentren aktiv: Hier erfolgt eine systematische, intensive und innovative Förderung von Talenten in einem hochprofessionellen Umfeld, aus dem sich Perspektivspieler für Lizenz-Kader entwickeln. Zudem gibt es in Deutschland Eliteschulen mit eindeutig leistungssportlicher Ausrichtung und Fußball-Internate, die zumeist von Bundesliga-Clubs betrieben werden. Fußball ist in Deutschland der Volkssport Nr. 1: Überall gibt es Bolzplätze und Spielflächen, wo Kinder und Jugendliche pöhlen und fummeln.
Die Partnerschaft mit dem DFB kann gewiss dem chinesischen Fußball in mancher Hinsicht gut helfen. Aber „Praxis ist, was auf dem Platz ist“, wie es ein deutscher Spieler einst bemerkte; deshalb wird es nur Erfolge bringen, wenn in vielen chinesischen Städten und Provinzen vor Ort die „Fußball-Revolution“ mit Kindern und Jugendlichen möglichst sofort ausgerufen und praktiziert wird.
Erst die Graswurzelarbeit-dann World Liga
Neben dem DFB haben bereits viele europäische Profivereine den Weg nach China genommen, um dort Geschäfte zu generieren – vor allem im Bereich Merchandising usw. So sind der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der FC Köln sowie andere Proficlubs mit eigenen Stützpunkten und Vereinspartnerschaften im „Reich der Mitte“ präsent. Umgekehrt haben sich chinesische Investoren längst an großen europäischen Clubs mit viel Geld beteiligt – etwa bei Inter und dem AC Mailand, bei Manchester City, Atletico Madrid oder Aston Villa. Der jüngste FIFA-Beschluss, ab 2026 die Zahl der Teilnehmer an der Fußball-WM von 32 auf 48 Mannschaften aufzustocken, kommt den chinesischen Plänen sehr entgegen. Schon basteln Großinvestoren in China an einer eigenen „World Super Liga“, einer globalen Champions League mit Top-Teams aus Spanien, Deutschland, England, Italien und Frankreich. Vor allem der chinesische Unternehmer Wang Jianlin, dessen Vermögen auf 20 Milliarden € geschätzt wird und der bereits mit 20 % an Atletico Madrid beteiligt ist, engagiert sich für ein solches Projekt, das gewiss die Faszination für den Fußball in China steigern könnte, aber die „Graswurzelarbeit“ für den Aufbau einer erfolgreichen Nationalmannschaft eben keineswegs überflüssig macht.
Schüler- und Jugendmannschaften formieren!
Der „lange Marsch“ Chinas zum Fußball-Traum muss mit Blick auf das Jahr 2030 sofort beginnen – mit jungen Spielern, die heute etwa 10, höchstens jedoch um die 15 Jahre alt sind, die in einem Jahrzehnt zwischen 20 und 25 Jahre alt sein werden und zum Teil Chinas Nationalelf spätestens nach der WM 2022 in Katar aufmischen können. Sollte die FIFA die WM 2030 an China vergeben, muss sich das Gastgeberland zwar nicht für die WM qualifizieren, doch müssten schon bis zur WM 2026 große Fortschritte und hohe Spielkünste im China-Team sichtbar werden, damit nicht vier Jahre später im eigenen Land ein vorzeitiges Ausscheiden schon in der Gruppen-Phase droht. Eine solche Blamage darf und will sich China gewiss nicht leisten.
Das „Reich der Mitte“ ist sehr weit und groß. Nicht in allen Provinzen wird es gelingen, sofort den „langen Marsch“ im Fußball zu beginnen und die Weichen in Richtung Erfolg zu stellen. Allerdings könnte die eine oder andere Provinz -wie zum Beispiel Guangdong- voranmarschieren und sehr schnell mit der Schaffung von Infrastrukturen, der Ausbildung von Trainern und der Qualifizierung von Vereinsmanagern, mit der Einführung des Fußballspielens als Unterrichtsfach in den Schulen, dem Aufbau von Stützpunkten und Fußballakademien den Anfang machen. So könnte eine breite Euphorie für den Fußball entfacht werden und sich zu einer landesweiten Welle entwickeln.
DFB eröffnet Büro im Land der Mitte
Zum Gelingen würde ohne Zweifel eine enge Kooperation mit deutschen Fußball-Experten beitragen; sie könnten die chinesischen Partner mit Rat und Tat sowie vor allem mit den Erfahrungen, die zu Erfolgen geführt haben, begleiten. Im Frühjahr diesen Jahres wird der DFB ein Büro in Peking eröffnen – als Basis für eine intensivere Zusammenarbeit.
Solche guten Beispiele in der einen oder anderen Provinz Chinas würden in vielen anderen Regionen Chinas gewiss nachgeahmt werden und somit zu einer Breitenwirkung führen. Schließlich gilt es, die Begeisterung der jungen Generation Chinas für den Fußball zu entfachen, die gewiss zahlreichen Talente zu finden und zu fördern. Spieler in der Nationalelf zu werden, das muss der Traum vieler Millionen junger Chinesen werden. Denn es gibt für einen Fußballer kaum eine größere Ehre, als für seine Nation in den Stadien aufzulaufen, zu kämpfen, zu siegen und so den Traum des Staatspräsidenten auf dem grünen Rasen Wirklichkeit werden zu lassen. Schließlich wird auch die eigene Jugend den großen Anreiz entdecken, als Spitzenfußballer viel Geld zu verdienen.
Bildquelle: Wikipedia, J Bar, CC BY-SA 3.0