Charlotte Knobloch, seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat am 11. Februar 2025 als Gastprofessorin an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf einen Vortrag über die „jüdische Zukunft in Deutschland“ gehalten, der wegen seiner Zustandsbeschreibung betroffen machen muss. Sie beschrieb eingangs die zunehmende „Entfremdung“ der jüdischen Mitbürger in Deutschland. Keinem Zuhörer musste noch näher erläutert werden, warum das Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit zur Gefahr geworden ist. Dass dies wieder so weit kommen konnte, dass die jüdische Gemeinschaft schutzbedürftig ist, könne, so Knobloch, nicht darauf zurückgeführt werden, dass Antisemitismus und Judenhass neu importiert worden seien: Der Bedarf sei hierzulande selbst gedeckt.
Knobloch verglich die aktuelle Lage mit der Zeit um 1932/33 und kritisierte mit Blick auf die vorausgegangene Woche, dass im Bundestag die gesamte politische Mitte versagt habe. Sie hob jedoch gleichzeitig die Verantwortung der Wähler hervor, denn diese hätten es immer noch in der Hand, die gegenwärtige Stärke der AfD zu minimieren.
Betroffen konnte ihre Feststellung machen, dass eine ungezwungene Normalität für jüdische Mitbürger in Deutschland vorbei sei. Auf die Fragen jüdischer Studierender in der anschließenden Diskussionsrunde, was gegen die „Entfremdung“ getan werden könne, war die Antwort von Charlotte Knobloch eindeutig: Man müsse Mut zeigen, den geschilderten Tendenzen und Zuständen entgegenzutreten. Diesen Appell richtete sie implizit an jeden von uns: Toleranz und Respekt zu zeigen, Mut und Zivilcourage zu beweisen, bei antisemitischen Äußerungen und Handlungen nicht wegzuhören bzw. wegzuschauen, sondern dagegen vorzugehen, in der realen genau wie in der digitalen Welt.
Die Resonanz im Publikum war einhellig positiv, aber angesichts der Sicherheitsmaßnahmen im Umfeld der Veranstaltung blieb wohl bei den meisten ein mulmiges Gefühl zurück. Eines eindrücklicheren Beweises für die Schutzbedürftigkreit unserer jüdischen Mitbürger hätte es nämlich nicht bedurft.
Bildquelle: Henning Schlottmann (User:H-stt), CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons