Friedrich Merz analysierte offen die Gründe für die Verluste der Union bei der jüngsten Bundestagswahl. Der wichtigste Faktor war ohne Zweifel, dass die Parteien CDU und CSU wie ein Verein der Zwietracht aufspielte, voller Disharmonie und Hinterfotzigkeit. Merz bezeichnete den Umgang als „stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft“.
Niederlage durch Söder-Effekt
Der Hauptverantwortliche dafür ist ohne jeden Zweifel Markus Söder. Als die demoskopischen Befunde Mitte Juli fast durchgehend für die Union bei 30 % lagen und die SPD gerade 15 % erreichte, muss Söder die große Chance begriffen haben, dass die Schwesterparteien CDU und CSU den Nachfolger von Angela Merkel im Kanzleramt stellen könnten. Seine Niederlage bei der Kür des Kanzlerkandidaten fühlte sich für den bayerischen Ministerpräsidenten sehr bitter an. Denn bei den Umfragen, wer der nächste Kanzler werden sollte, rangierte Söder in der Tat deutlich vor Armin Laschet. Der CSU-Generalsekretär Blume pries seinen CSU-Vorsitzenden immer wieder als „Kandidat der Herzen“ und versuchte Laschet auf Platz 2 zu verweisen.
Söder selbst spielte sich zwar als Kopilot für Laschet auf, doch begleitete er den Flug in Richtung Kanzleramt in Kamikaze-Art. In übler Brutus-Manier betrieb er mit gewaltigen Heucheleien das politische Aus des CDU-Kandidaten. Fast tagtäglich tauchte der Möchtegern-Epigone von Franz-Josef Strauß mit üblen Schmutzeleien im Fernsehen und in anderen Medien auf. Jeder, der dies alles verfolgte, begriff seine Strategie: Wenn schon ich, Markus Söder, nicht Kanzler werden kann, dann soll es auch Armin Laschet nicht werden.
Der heuchlerische Schmutzler
Die älteren Mitglieder der CDU erinnern sich gewiss noch an die Wienerwald-Rede von Franz-Josef Strauß im Jahre 1976, als er u.a. sagte: „Der Helmut Kohl wird nie Kanzler werden. Der wird mit 90 die Memoiren schreiben – mit dem Titel: Ich war 40 Jahre Kanzlerkandidat. Lehren und Erfahrungen aus einer bitteren Epoche.“ Zudem zeichnete Strauß die CDU-Leute als „politische Pygmäen-Zwerge im Westentaschenformat, als Reclam-Ausgabe von Politikern.“ Markus Söder hat nicht die Fähigkeiten, sich so wortgewaltig wie sein großes Vorbild in Szene zu setzen. Doch er ist ebenso laut, ein Champion der Heuchelei und ein übler Falschspieler. Von Theo Waigel bis Horst Seehofer und Ilse Aigner haben bereits viele CSU-Granden ihre unerfreulichen Erlebnisse mit dem CSU-Mann aus dem Frankenland gehabt. Nun hat er Armin Laschet hinterhältig zur Strecke gebracht – mit mehreren Fangschüssen; den Blattschuss konnten die Wählerinnen und Wähler dann abgeben. Den totalen Exit versuchte dann noch Söder selbst herbeizuführen, als er voreilig die letzte schwache Hoffnung Laschets auf eine Jamaika-Koalition begraben wollte.
Mut zur Scheidung von der CSU?
Wenn die CDU nun die Wunden leckt und den Blick auf die Zukunft richtet, muss sie vor allem ihr weiteres Verhältnis zur CSU klären. Diese bayerische Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch darf nicht weiterhin den Ton für die gesamte Union vorgeben, sich als politischer Vormund aufspielen und gegen die CDU intrigieren. Die Bezeichnung Schwesterpartei trifft längst nicht mehr auf das real existierende Verhältnis zu. Was Söder und einige seiner CSU-Freunde sich in diesem letzten Bundestagswahlkampf an übler Begleitung von Laschet leisteten, ging mehr als deutlich über die bayerische Sepplhüteschnur. Auch die Inszenierung des CSU-Parteitages mit vorgegaukeltem Beifall für den CDU-Vorsitzenden war per Saldo ein Schauspiel ohne Wert. Mit der CSU als Schwester oder auch Stiefschwester wird es keine gute und schon gar nicht eine bessere Zukunft der CDU geben.
Im November 1976 beschloss die CSU in Wildbad Kreuth, sich von der CDU zu trennen und bundesweit zu kandidieren. Dieser Beschluss währte nicht einmal einen Monat lang. Die CDU sollte jetzt über eine Befreiung von der CSU-Last ernsthaft nachdenken und sich auch in Bayern etablieren. Ob die CSU dann in Zukunft bundesweit auf 5 % oder mehr kommen wird, mag unsicher sein. Angesichts der Erosion, die Söder und seine CSU inzwischen hinnehmen müssen, könnte die CDU in Bayern eine echte Alternative werden. Die Sorge, dass dann auch die CSU sich in den anderen 15 Ländern außerhalb Bayern ausweiten wird, sollte nicht allzu groß sein. Sie hatte das nach der Wiedervereinigung nur in Sachsen versucht und war damals kläglich gescheitert.
Auf jeden Fall darf es die CDU nicht mehr zulassen, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt. Wer auch immer diese Partei mit ihren noch gut 400.000 Mitgliedern führen und 2025 für das Kanzleramt kandidieren wird, der Vorsitzende dieser (Noch-)Volkspartei kann und darf nicht von der Gnade der bayerischen Regionalpartei abhängig sein. Das Fass mit den hässlichen Södereien ist mehr als übergelaufen. Alle Christdemokraten müssen das begreifen und Selbstachtung demonstrieren. Die Junge Union hat dafür am vergangenen Wochenende ein feines Gespür bewiesen.
Ob Olaf Scholz als Kanzlerkandidat besser als Armin Laschet war, darüber mögen die Meinungen immer noch auseinandergehen. Die SPD war jedoch in einem enormen Aufholprozess so erfolgreich, weil die Partei trotz aller früheren Unkenrufe geschlossen und einig, ja geradezu harmonisch auf das Wahlvolk wirkte.
Bildquelle: Pixabay, Bild von Catkin, Pixabay License