Borussia Dortmund verfügt über viele exzellente Fußballspieler. Einige von ihnen haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie wie echte Künstler auf dem grünen Rasen auftreten können. Auch die Mischung von erfahrenen Kickern wie Hummels, Reus und Can mit Youngstern wie Bellingham oder Moukoko ist durchaus vielversprechend. Doch in dieser Saison gibt das BVB-Team mehr denn je zuvor große Rätsel auf.
Fehlende Siegermentalität
Der Beginn dieser Spielzeit bescherte einen eindrucksvollen Sieg gegen die Borussia aus Mönchengladbach. Der BVB wurde da bereits zum ernsthaften Konkurrenten von Bayern München hochgejubelt. Die folgenden Meisterschaftsspiele boten indessen einen schier unfassbaren Wechsel von Leistungen des Teams. Nahezu alle Experten und Fans rätseln inzwischen darüber, woran dies liegen könnte. Das Thema Mentalität wurde bereits ausgiebig diskutiert. Lucien Favre, der allzu ruhige und bedächtige Trainer, wurde entlassen.
Viele waren der Meinung, dass Favre die Mannschaft nicht mehr erreichte und sie kaum noch zu Superleistungen pushen konnte. Edin Terzic, der Nachfolger des Schweizer Ball-Philosophen, vermochte es bislang jedoch nicht, eine echte Wende zum Besseren zu schaffen. Seine freundlichen Interviews wirken durchaus sympathisch, doch trugen sie keineswegs zu einem Mentalitäts- und Motivationswandel der Borussen-Spieler bei. Ein Psychologe könnte da vielleicht helfen.
Ein Wohlfühlverein
Die BVB-Kicker des BVB-Kaders scheinen sich durchaus in ihrem Verein sehr wohl zu fühlen. Aki Watzke beobachtet zwar die Darbietungen seiner Mannschaft als oberster Manager mit gelassen-grimmiger Miene von der Tribüne aus. Neben ihm sitzt zumeist Mathias Sammer, der mit seiner Corona-Schutzmaske sein Gesicht so vollständig bedeckt, dass kaum jemand dessen Gefühlsregungen erkennen kann. Was er dem BVB-Boss und -Trainer an wertvollen Hinweisen zu geben vermag, lässt sich nicht ergründen. Große Impulse gibt es wohl auch nicht von Zork und Kehl, die Spiel für Spiel neben dem Coach auf der Trainerbank Platz nehmen und vor dem jeweiligen Match nette Interviews den Sky-Reportern geben. Vor dem Spiel in Freiburg kündigte Kehl gar an, dass der BVB nun eine Siegesserie starten wolle. Nach dem Spiel gegen die Breisgau-Brasilianer, das mit einer Niederlage für die Borussen endete, war davon nicht mehr die Rede. Nur Hummels und der Trainer traten vor die TV-Kamera, um das BVB-Spiel schön zu reden und mit dem Glück zu hadern.
Geforderte Maloche
Der Blick auf die Bundesliga-Tabelle zeigt deutlich, dass die Borussia heute an 6. Stelle steht. Das hat nichts mit einer Spitzenplatzierung zu tun, das ist gerade etwas mehr als Mittelmaß. Die Spieler müssen diese Position mehr als ernüchternd empfinden und sich endlich selbst hinterfragen. Dabei können sie von vielen anderen Teams erkennen, dass es ihnen am unbedingten Siegeswillen, an Lauf- und Kampfbereitschaft, an Geschlossenheit, Spritzigkeit, Spielwitz und überraschenden Momenten auf dem Spielfeld fehlt. Zu den durchaus vorhandenen Fähigkeiten und Begabungen, über die die einzelnen BVB-Kicker verfügen, muss einfach mehr kommen, nämlich die Bereitschaft jedem Ball hinterher zu jagen und wirklich zu malochen. Die Entlohnung für diese Tugenden, die im Ruhr-Revier von den meisten Arbeitnehmern gepflegt werden, mag mit den Gehältern in Millionenhöhe für die Profis Anreiz und Verpflichtung zu Höchstleistungen sein.
Ohne Champions League ins Mittelmaß
Noch hat das BVB-Team Möglichkeiten, diese Saison 2020/2021 einigermaßen erfolgreich zu bestreiten. Ein Platz zur Qualifizierung für die Champions League kann nur erreicht werden, wenn zumindest die 4. Stelle in der Bundesligatabelle in der Endabrechnung erzielt wird. In der Champions League geht es im nächsten Spiel gegen den FC Sevilla. Das ist gewiss kein einfacher Gegner, der so einfach weggeputzt werden kann, doch durchaus zu besiegen. Ein Weiterkommen in der Champions League ist im Prinzip ein Muss für den BVB; denn damit würden Millionen-Einnahmen generiert, die der BVB dringend benötigt. Schließlich ist die Borussia aus Dortmund noch im Spiel um den DFB-Pokal mit von der Partie. Gegen den Zweitligisten aus Paderborn hat sich der BVB mit großer Mühe und Not – insbesondere auch mit dem feinen Gehör des Schiedsrichters ins Viertelfinale retten können. Nun wird es bei der Borussia aus Mönchengladbach gewiss ungleich schwerer; beim jüngsten Bundesligaspiel dort ging der BVB als verdienter Verlierer vom Platz. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Dortmunder Borussia den Hebel umlegt und ihre Qualitäten auf den Rasen bringt. Mit der Fortsetzung der wechselhaften Serie der letzten Monate droht sonst der Rutsch ins Mittelfeld der Bundesliga und das Versinken ins Mittelmaß des deutschen wie europäischen Profifußballs. Wenn so viel auf dem Spiel steht, sollten Defizite bei der Mentalität und beim Siegeswillen der BVB-Profis keine Rolle mehr spielen.
Bildquelle: Pixabay, Bild von Daniel Borker, Pixabay License