Zerbricht die Koalition an dieser Frage, bleiben die Möglichkeiten von Neuwahlen über die Vertrauensfrage oder die Fortführung ohne die FDP als Minderheitsregierung. Den Weg zu einer Großen Koalition hat Friedrich Merz mit seine Beschimpfungen von Olaf Scholz im Bundestag vor wenigen Tagen verbaut. Mit einem Kanzler, den er als unfähig bezeichnet hat, kann Merz nicht als dessen Vize zusammen arbeiten. Ein konstruktives Misstrauensvotum mit der Neuwahl des Kanzlers aus den Reihen der Union kann mangels Mehrheit ohne die Stimmen der AFD ausgeschlossen werden.
In Deutschland sind Minderheitsregierungen im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern oder etwa Spanien wegen der damit verbundenen Instabilität unbeliebt. Für jede neue Gesetzesinitiative müssten Mehrheiten im Bundestag mit der Opposition gesucht werden. Unmöglich ist dies aber keineswegs. Gerade die Länder sind mit an Projekte gebundenen Hilfen des Bundes zur Kooperation zu bewegen. Friedrich Merz irrt ganz gewaltig mit seiner Vorstellung, dass die politische Entscheidungsgewalt allein dem Bundestag zusteht, wie er das noch vor wenigen Tagen gegenüber dem Regierungschef des Landes Berlin behauptet hat. Von Schleswig-Holstein über Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hessen,Berlin bis NRW gibt es erhebliche Begehrlichkeiten auf Bundesmittel, die über Erfolg und Mißerfolg in der Regierungsbilanz dieser Länder entscheiden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen Regierungschefs auch erheblichen Einfluss auf das Stimmverhalten der Abgeordneten der eigenen Partei im Bundestag haben. Das Hemd sitzt bekanntlich näher als die Jacke! Vor dem Hintergrund der anstehenden Energiewende, die nicht allein von Deutschland frei gestaltet werden kann, sowie der entsprechend zwingend erforderlichen Hilfen für die Umgestaltung der Wirtschaft ist gemeinsames finanzpolitisches Handeln alternativlos. Dies schließt trotz aller Dementis von Merz und Co eine Modifizierung der Schuldenbremse ein.
Auch ohne einen gesetzlichen Haushalt für 2024 bleibt die Bundesregierung handlungsfähig. Anders als in den USA drohen keine dramatischen Ausgabebeschränkungen. Der Artikel 111 Grundgesetz erlaubt eine vorläufige Haushaltsführung und Leistung aller Ausgaben, die nötig sind, um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen. Gleiches gilt, um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen und Bauten, Beschaffungen usw. fortzusetzen, sofern durch den Haushaltsplan des Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind. Der Bund darf nach dieser Vorschrift zur Sicherung dieser Ausgabeverpflichtungen Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes als Kredit aufnehmen. Nicht zu unterschätzen ist ebenfalls die Furcht der Ampel Parteien vor einem Absturz bei Neuwahlen. Die derzeitigen Umfragen zeigen das denkbare Ausmaß. Selbst für die CSU könnten darin nach dem neuen Bundeswahlgesetz Probleme durch die fünf-Prozent-Hürde ohne den Ausweg über Direktmandate entstehen. Es bleibt spannend, aber Chaos droht nicht.