Soll Björn Höcke, rechtsextremer Chef der thüringischen AfD, tatsächlich Recht behalten? Hat er die anderen Parteien, allen voran die CDU, so gut durchschaut?
Höcke hat in einem Interview mit NTV vor der Thüringen Wahl gesagt „…das ist die sogenannte normative Kraft des Faktischen, gegen die sich ein Demokrat irgendwann nicht mehr wehren kann“.
Und die CDU hat offensichtlich so wenig Kraft dagegen zu halten, dass einem angst und bange werden kann. Denn im Europaparlament hat die Fraktion der EVP einem AFD-Antrag zugestimmt. Es ging um die „angemessene Finanzierung physischer Barrieren an den Außengrenzen der Union“. Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, proklamiert zwar weiterhin die Brandmauer und meint, es gebe keine Zusammenarbeit mit radikalen Parteien, doch Beobachter sehen das anders. Schon zuvor hat die EVP-Fraktion wegen einer Resolution zum venezolanischen Wahlergebnis die Seiten gewechselt. Weil SPD, Grüne und Liberale nicht den Oppositionsführer als ausdrücklichen Wahlsieger betiteln wollten, suchte die EVP eine rechte Mehrheit mit Orbans und Melonis Truppen. „Anstatt einen Kompromiss zu suchen, arbeiten die Konservativen mit den Rechtsaußen zusammen und ziehen somit eine ultrarechte Mehrheit durch,“ bewertete Moritz Körner, FDP-Abgeordneter im EP den Vorgang.
Und sein sozialdemokratischer Kollege Rene Repasi meint: „Manfred Webers Fraktion handelt willkürlich, opportunistisch und ignoriert den demokratischen Kompass, dem wir uns nach den Wahlen gemeinsam verschrieben haben.“ Und zur Brandmauer, meint er nur: „Wenn man einmal punktuell anfängt, setzt sich das schrittweise fort.“
Die AfD jubelt, Rene Aust, Chef der deutschen Delegation meint: „Die Brandmauer ist heute im EU-Parlament weiter abgetragen worden. Deutsche und internationale Mainstream Medien hatten geglaubt, wir könnten im EU-Parlament keinen Einfluss ausüben. Wir haben sie heute eines Besseren belehrt.“
Das Muster dieses Vorgehens ist bekannt. Die AfD formuliert gern Anträge, die inhaltlich sehr nah am CDU-Programm liegen. Und der Zweck ist allen klar: entweder die CDU stimmt dagegen, damit kann man dann Stimmung machen oder sie stimmt dafür und man kann behaupten, die Brandmauer fällt.
Dem Adenauer Haus scheint dies alles egal zu sein. Auf kommunaler Ebene ist die Brandmauer längst niedergerissen. Selbst in einigen Landtagen sind AfD-Politiker in das Landtagspräsidium gewählt worden. Aber auch andere Parteien sind sich nicht mehr fies vor den Braunen, die BSW-Vertreter im sächsischen Landtag haben dort einem AfD Antrag zugestimmt. Was zumindest die SPD so empörte, dass die Gespräche über eine Regierungszusammenarbeit unterbrochen wurden.
Letztlich bedeutet diese Entwicklung, dass potentielle CDU-WählerInnen sich genau überlegen sollten, was sie tun. Denn niemand wird ihnen garantieren, dass die Brandmauer nicht komplett niedergerissen wird. Bei SPD, Grünen und Linken geht man in diesem Punkt eher sicher. Und auch die CDU/CSU sollte, auch vor dem Hintergrund der Verantwortung konservativer Kräfte für die Machtergreifung der NSDAP, genau überlegen, wie sie das zukünftige Umgehen mit der AfD gestaltet. Es wäre doch wunderbar, wenn Björn Höcke unrecht hätte und die Kraft des Faktischen die Mauer der Demokraten nicht niederreißt.