Als einzelner kleiner Europäer fühlt man sich oft so machtlos gegen die Mächtigen der Welt, speziell die in Übersee, die Trumps und die Musks. Man denkt: Da benötigt man schon die Solidarität der 450 Millionen EU-Bürger, um zumindest eine wirtschaftliche Gegenmacht aufzubauen. Und schiebt so die Verantwortung von sich. Dabei kann jeder einzelne durchaus effektiv mitwirken. Millionen können mächtiger sein als Milliardäre.
Der westlichen Staatengemeinschaft fällt es leicht, Schurkenstaaten wie Nordkorea oder Afghanistan zu boykottieren. Diese Länder sind – wie viele andere – wirtschaftlich und politisch Zwerge, der Boykott kostet die reichen Länder wenig. Bei Russland mit dem Kriegsverbrecher Putin an der Spitze haben sich die Europäer da schon schwerer getan: Über Jahrzehnte hatte sich Westeuropa von russischem Billiggas abhängig gemacht. Die Abkehr nach dem Putin-Überfall auf die Ukraine war dann ebenso nötig wie schmerzhaft. Wie schwierig Boykott als politische Waffe ist, mag schließlich das Beispiel des despotisch regierten China verdeutlichen: Einen Boykott des riesigen Landes mit all seiner Wirtschaftsmacht fordert im Westen (fast) niemand. Da tritt die Moral hinter die Macht zurück.
Nun kommen die USA als neuer möglicher – und überaus mächtiger – „Boykott-Kandidat“ hinzu. Grund genug würde das Trump-Regime wahrlich liefern: Es bedroht die EU (Grönland), stellt sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite Putins und fördert durch Trumps irrlichternden Spitzenberater Elon Musk rechtsextreme Parteien in Europa. Es ist jedoch illusorisch zu glauben, dass die EU oder einzelne Länder offiziell um Boykott von US-Waren und Dienstleistungen aufrufen, um ein deutliches Signal gegen das Abdriften der USA in ein undemokratisches System zu setzen. Zu groß ist – zurecht oder nicht – die Angst in Berlin, Paris oder London vor der anscheinend übermächtigen und unkontrollierbaren Macht der Trump-Administration. Zudem gibt es in den westlichen Hauptstädten noch immer die vage Hoffnung, der verrückte Mann im Weißen Haus möge zur Vernunft kommen.
Verkauf von Musks Tesla eingebrochen
Das alles heißt jedoch nicht, dass wir „kleinen Verbraucher“ die Amokfahrt jenseits des Atlantik tatenlos hinnehmen müssen. Denn wir Verbraucher haben Macht: Wie stark diese ist, zeigt der schon jetzt wirksame weltweite Verbraucher-Aufstand gegen Elon Musk. Dessen lange Zeit so erfolgreiches Elektroauto „Tesla“, das ihm Hunderte Milliarden Dollar Vermögen verschaffte, erlebt zurzeit ein Desater: Der Absatz brach weltweit dramatisch ein – offenbar wollen Millionen potenzieller Kunden ein klares Zeichen gegen den furchtbaren Trump-Kumpanen setzen. So sank der Tesla-Verkauf in Europa zuletzt um mehr als 40 Prozent, in Australien um mehr als 70 Prozent und auch in China um fast die Hälfte. Der Aktienkurs von Tesla stürzte dramatisch ab; er verlor seit Dezember rund die Hälfte des Wertes. Auch Musk selber verlor viele viele Milliarden Dollar – und nicht wenige Experten können sich sogar eine Voll-Pleite des vor kurzem noch reichsten Mannes des Welt vorstellen. Sage also niemand, gegen diese machtgeilen Oligarchen aus den USA sei kein Kraut gewachsen.
Im Netz macht längst eine Bewegung auf sich aufmerksam: „Buy from EU“. Hier rufen die Mitglieder dazu auf, künftig bewusst Produkte aus der EU statt Waren aus den USA zu kaufen: Sinalco statt Pepsi, Persil statt Ariel (eine Marke des US-Riesen Procter&Gamble), schottischen oder kanadischen „Whisky“ statt „Whiskey“ aus den USA, Motorräder aus Europa statt aus den USA. Und wer zwingt uns eigentlich dazu, Urlaub in den USA zu machen, fragt man im Netz? Den könne man notfalls auch stornieren – am besten verbunden mit dem Hinweis auf die politische Lage. Damit es die Veranstalter auch registrieren.
Es gibt jedoch Probleme, die die Wirksamkeit dieses Verbraucher-Boykotts gegen US-Produkte einschränken: Zum einen gibt es relativ wenig verbrauchernahe Konsumgüter aus den USA in unseren Regalen und Läden. Zum anderen weiß der Verbraucher aufgrund der weltweiten Verflechtungen bei vielen Produkten kaum, wieviel Europa und wieviel USA darin steckt.
Ein noch größeres Problem aber ist, dass die großen US-Konzerne bei uns gerade die „neue Welt“ fast monopolistisch beherrschen. Fast alle großen Social-Media-Plattformen haben ihren Ursprung in den USA – genannt seien hier nur Facebook, Instagram, WhatsApp oder X. Hier fehlt es in Europa schlicht an wirklichen Alternativen – da gilt es in den nächsten Jahren, auch mit öffentlicher Unterstützung Alternativen aufzubauen. Schon jetzt sind große Teile unserer Bürger und Unternehmen von den US-Giganten mindestens so abhängig wie vor kurzem noch von russischem Gas. Und auf einen freiwilligen Verzicht auf diese „sozialen Medien“ zu setzen, erscheint illusorisch – gerade bei jungen Leuten.
Ob man die Trumps oder Musks in Washington durch einen breiten Boykott von US-Waren zu Einlenken zwingen kann, ist zunächst also fraglich. Zurzeit ist es noch eher ein wichtiges Symbol: Es ist ein sichtbarer Protest gegen die wachsende Despotie. Man darf diesen Protest aber nicht unterschätzen: Noch ist diese „Buy from EU“-Bewegung wie ein kleiner Schneeball, der langsam den Berg herunter rollt. Doch je aggressiver Musk und die gesamte Trump-Administration werden, desto mehr Anhänger dürfte diese Bewegung finden. Und das weltweit. Der Schneeball könnte sich in eine Lawine verwandeln. Es ist durchaus möglich, dass diese Lawine die USA erschüttern wird: Dass sich der Whiskey-Hersteller in Kentucky, der Weinbauer in Kalifornien und der Harley-Davidson-Produzent in Milwaukee fragen, warum niemand in Europa und anderswo mehr ihren Whiskey, ihren Wein oder ihr Motorrad kaufen will. Warum sie den Preis für Trumps erratische Politik zahlen müssen. Nur wenn sich die Mehrheit der US-Bürger klar von Trump und Musk abwenden, ist eine Änderung ihrer zerstörerischen Politik denkbar. Dazu braucht es jedoch einen langen Atem – auch hier bei uns. Millionen haben eine Chance gegen die Milliardäre. Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Nichtstun ist jedenfalls keine Alternative.
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