Die Börse jubelt, die Aktionäre sind hoffnungsfroh und die Politik mahnt : Eons Beschluß, seine konventionelle Stromerzeugung nach dem Vorbild der Finanzwirtschaft (Bad Bank ) in eine neue Gesellschaft auszulagern und von den gewinnträchtigen Teilen zu trennen, ist eine weitere Wende in der Energiewende, sozusagen die Halse gegen den Trend. Ist das ein kluger Befreiungsschlag aus der Düsseldorfer Konzernzentrale oder nur ein verzweifelter Versuch, das Gesetz des Handelns wieder in den Griff zu bekommen? Vieles jedenfalls erinnert in diesen Zeiten an das Schicksal der Landesbanken, die zu lange ihrem Geschäftsmodell vertrauten, auf Zusagen der Politik setzten, Milliarden in den Sand setzten, dann abgewickelt wurden, um die maßlosen Fehlinvestitionen in einer Bad Bank der Allgemeinheit auf die Schultern zu laden.
Wenn ein Konzern wie Eon mit einer Schuldenlast von über 31 Milliarden Euro damit u.a. auch seine Rückstellungen für Kernenergie von rund 15 Milliarden Euro los werden will, was passiert dann mit den etwa 20.000 ausgelagerten Arbeitsplätzen? Sicher, die Anteilseigner können sich über 60 Milliarden Euro freuen, die in der neuen EON dann ohne das lästige Beiwerk der konventionellen Kraftwerke aus Atom, Kohle und Gas im neuen Geschäft mit Netzen oder regenerierbarer Erzeugung abgesichert sind. Aber erhält nicht damit auch die Politik den schwarzen Peter der Abwicklung dieser „Bad-Eon“, wenn diese scheitert trotz aller hübschen Töchter (Trading ), die der Eon-Vorstand ihr mit auf den Weg gegeben hat? Werden dann nicht die Verluste vergesellschaftet? Hat die Allgemeinheit und damit der Steuerzahler dann die Zeche für den Verlust tausender Arbeitsplätze zu zahlen?
Viele Fragezeichen bleiben, doch auch eine klare Ansage ist damit ebenfalls verbunden: Mit herkömmlicher Energieerzeugung lässt sich in Zukunft wohl kein Geld mehr verdienen. Klar ist auch: Die Not ist wirklich groß. Eon macht sich damit aus seinem traditionellen Geschäft vom Acker und gleichzeitig zum Kronzeugen für alle Ausstiegsbefürworter.
Deutlich geworden ist endgültig: Jeder kämpft hier für sich allein. Was Eon mit seiner privatwirtschaftlichen Eigentümerstruktur möglicherweise gelingt und was 40 000 Arbeitsplätze retten könnte, ist den anderen drei großen Erzeugern im Land weitgehend versperrt. Die Schweden wollen mit ihrem Unternehmen Vattenfall raus aus Deutschland und damit auch ihre mitteldeutschen Braunkohlefelder loswerden, die Verantwortung komplett abgeben. Das wird ein schwieriges Unterfangen. Wer will schon jetzt noch mit der Braunkohle den größten CO2 Emittenten Europas kaufen, wenn selbst die modernsten Gaskraftwerke im Lande still stehen? Wenn zudem die Überkapazitäten wohl kaum über den Ausweg einer „strategischen Reserve“ mit staatlichen Milliarden Steuergeldern über Wasser gehalten werden? Wenn die Politik, was abzusehen ist, nicht den Unternehmen die Entscheidung über die Schließung der Kraftwerke aus den Händen nehmen wird, um nicht damit in den Regress zu geraten?
Besonders schwierig ist der Weg für RWE. Der Konzern, ebenfalls mit über 30 Milliarden Euro verschuldet, verdient bei der Erzeugung nur noch mit der Braunkohle sein Geld. Er wird als Europas größter Umweltverschmutzer gebrandmarkt. RWE hat sein Potential „Tafelsilber verkaufen und sparen“ nahezu aufgebraucht.
Wenn nach Angaben der Internationalen Energieagentur ( IEA) die fossilen Energien weltweit mit jährlich rund 550 Milliarden subventioniert werden und damit viermal so hoch wie die Subventionen für die erneuerbaren Energien ( 120 Milliarden Euro ) sind, dann erlaubt dieser Spagat keine energiepolitischen Weitsprünge. Auch für RWE gilt: Die Verteilung des aus vielen alternativen Quellen gewonnenen Stroms, seine intelligente Nutzung für Haus ( Sicherheit oder Geräte) oder Wirtschaft (Industrie 4.0 ) sind die Wege in die Zukunft und nicht die weitere sinnlose Subventionierung . Kurzum: Die Dienstleistung rund um die Energie in all ihren Formen.
Diesen Weg wollen jetzt alle deutschen Evu`s gehen, doch Google ist mit Nest und Bosch oder General Electric mit eigenen Modellen bereits auf diesem Weg. Da wird es schwer, mit eigenen Ideen gegen Software-Supermächte und Geräte-Giganten zu bestehen.
Nicht tröstlich hierbei ist die Tatsache: Auch die deutschen Stadtwerke schreiben mit ihren eigenen Kraftwerken tiefrote Zahlen. Im Ruhrgebiet heißt es: Diejenigen aus dem Revier, die vor Jahr und Tag die Essener Steag mit ihrem Kohlekraftwerkspark kauften, werden wohl erst im Neuen Jahr mit ehrlichen Zahlen auch zum Thema Arbeitsplätze aufwarten wollen.
RWE hat seinen knapp 25 prozentigen Anteil kommunaler Aktionäre oft als Last empfunden. Der Volksmund sagt: Die Not schweißt zusammen. Hier könnte sich für den Konzern, der bislang immer noch kein stringentes Geschäftsmodell erkennen lässt, ein Weg aus der Talfahrt aufzeichnen lassen. Mit den Stadtwerken, kommunal und damit auch politisch bestens verankert, ließe sich mit Handwerkern und Herstellern vor Ort ein neues dichtes Dienstleistungsnetzwerk knüpfen, welches das Thema Energie mit ganz neuen Produkten ausschöpft.
Enbw in Stuttgart mit seinem von EON geholten Vorstandsvorsitzenden Mastiaux geht diesen Weg und dies mit und nicht gegen seine kommunalen oder staatlichen Anteilseigner. Dies ist ein mühevoller, sehr kleinteiliger Weg, der vermeintliche Weltenlenker auf den sehr steinigen Boden der Tatsachen holt.
Um den Black out wie bei den Landesbanken zu verhindern, bleibt den Energieunternehmen kaum noch Zeit. Eon hat das deutlich gemacht.
Bildquelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0 Avda – Eigenes Werk Kernkraftwerk Grafenrheinfeld – 2013