Die deutsche Nationalmannschaft hat bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich im Spiel gegen die Ukraine einen glücklichen Sieg zum Start errungen. Nun kann es weitergehen, möglichst bis ins Finale am 10. Juli. Im Vorfeld dieses Turniers hielt sich die Euphorie in Grenzen: Gerade einmal 10 % der Kickerfreunde kaufen Fanartikel, um sich angemessen für die Spiele der Elf von Nationaltrainer Löw auszustatten. Selbst die von Adidas angebotenen Trikots der deutschen Spieler blieben zum Teil wie Blei in den Regalen liegen. Der ursprünglich empfohlene Verkaufspreis von 84,95 Euro wurde in vielen Läden bereits vor dem Anpfiff des ersten Spieles kräftig um 20 bis 30 % reduziert.
Vor zwei Jahren, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, konnten mehr als 3 Millionen Trikots an den Mann oder die Frau gebracht werden. Heuer wären Hersteller und Händler mit etwa 1 Million schon zufrieden. Doch je erfolgreicher sich die Nationalkicker auf dem Rasen in den französischen Stadien behaupten, um so stärker werden sich die Fans daheim dekorieren, um entsprechend gekleidet vor dem TV-Gerät die Übertragung zu verfolgen und über weitere Siege zu jubeln. Wer auf Qualität und Snobismus setzt, der kann sogar das hochwertige Trikot Marke „DFB Authentic Jersey“ für 124, 85 Euro kaufen. Damit hat er dieselbe Ausstattung wie Boateng, Götze, Kroos & Co. und empfindet alles hautnah mit.
Für jedes Hemd kassiert der DFB als Lizenzgeber 5,10 Euro vom Hersteller Adidas, der selbst mit einer Rohgewinn-Marge je Trikot von 16,26 Euro kalkuliert. Für den Einzelhandel ist ein Deckungsbeitrag pro Stück in Höhe von 37,43 Euro vorgesehen; wird ein Rabatt gewährt, muss der Händler Abstriche auf seine Spanne hinnehmen. Wird das Trikot für den empfohlenen Verkaufspreis an den Fan gebracht, werden 13,57 Euro für die Mehrwertsteuer, 4,41 Euro für Marketing und Vertrieb fällig.
Näherinnen schuften zu Hungerlöhnen
Für die Produktion und den Transport des Nationaltrikots gehen insgesamt 8,23 Euro in den Rechnungspreis ein. In Asien kostet die Nähstunde gerade einmal rund 6 Euro; davon erhalten die Näherinnen jedoch nur einen Bruchteil als Lohn. Die Firma Adidas lässt das aktuelle DFB-Trikot in der chinesischen Provinz Guangdong herstellen. Die Arbeiterinnen dort erhalten inzwischen einen monatlichen Nettolohn von knapp 340 Euro. Das ist ohne Zweifel deutlich mehr als der gesetzliche Mindestlohn von 130 Euro. Andere Hersteller lassen Trikots, Shirts, Hemden und ähnliche Artikel in asiatischen Ländern wie Vietnam, Bangladesch oder Laos produzieren – und das zu Löhnen, die pro Monat kaum höher als umgerechnet 100 Euro pro Näherin liegen. Viele Menschen in Asien, aber auch anderswo schuften zu Hungerlöhnen.
Die Produkte – von Trikots bis hin zu Jeans, von Jackets bis hin zu Schuhen – werden hierzulande, wo die „Geiz ist geil“-Käufer zugreifen, vermarktet. 1 oder 2 Euro pro Artikel mehr täten kaum einem deutschen Kunden weh. Doch wäre dies, wenn die Näherinnen in der fernen Welt etwas höhere Einkommen erhielten, ein großer Segen und die beste Entwicklungshilfe, um ein menschwürdiges Leben und Arbeiten vor Ort in asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern zu ermöglichen.