Der Titel der Karte, die dem Buch von Bayern über Bayern anlässlich des G7-Gipfels in Elmau beigelegt ist, passt eigentlich so gar nicht zur Mentalität der Menschen im Freistaat. „Welcome dahoam“, heißt es da in einer Mischung aus Englisch und Bayerisch. Aber weil sie so sonderlich sein können die Bayern, so anders und selbstbewusst, der Tradition wie der Moderne anhängen, eben ein Land mit Laptop und Lederhose, mit Biergärten und berühmten Universitäten, mit einem der besten Fußballklubs auf der Welt, mit Feinkost und Leberkäse, passt der Titel eben doch zu diesem Buch, das der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, abschätzig beurteilt und der Staatskanzlei vorwirft: „Denen brennt wohl der Hut. Über 300 000 Euro Steuergeld für einen Schinken, den in Zeiten des Internet niemand liest.“
Wenn sich der Aiwanger da nicht täuscht. Ein Buch ist eben ein Buch, dieses hat 248 Seiten und wiegt 1,8 Kilogramm. Das Buch wurde in einer Auflage von 15 000 Stück gedruckt, Herstellungspreis laut Staatskanzlei 21 Euro pro Exemplar. Verteilt werden soll es an rund 3000 Delegationsmitglieder, Gäste und Journalisten. Wen wundert es, dass dieses Buch das Land der Bayern und seine Bewohner preist. Wer würde nicht einen solchen Gipfel nutzen, um die Vorzüge des weißblauen Freistaates zu bejubeln, wenn schon mal die Gäste aus aller Welt für ein paar Stunden in einem der schönsten Flecken Deutschlands zu Gast sind! Und Bayern hat ja was zu bieten, nicht nur die CSU und Horst Seehofer. Der Ministerpräsident meldet sich in dem Buch gleich am Anfang zu Wort und stellt in aller Bescheidenheit in einem kurzen Interview fest: „Vom Glück, in Bayern zu leben.“ Den Buchdeckel ziert das bayerische Wappen und der Titel: Bayern. Land im Herzen Europas.
Schaut man in diesen „Schinken“, stößt man gleich am Anfang auf ein Farbfoto, das die bayerische Bergwelt und das Schloss Neuschwanstein zeigt. In der Nähe ist noch Schloss Hohenschwangau zu sehen. Wer diese Idylle, diese märchenhafte Landschaft nicht kennt, wird von Bildern entzückt sein. Schöner geht es kaum. Es ist wie eine Postkarte. Bayern und seine berühmten Töchter und Söhne. Darunter Wilhelm Conrad Röntgen und der Friseur und Schiedsrichter Karl Wald, genau der, der einst die Fußballwelt mit seiner Idee überzeugte, statt des Loses ein unentschieden ausgegangenes Spiel mit dem Elfmeterschießen zu entscheiden. Der Mann stammt aus Penzberg. Der Arzt Alois Alzheimer kommt aus dem unterfränkischen Marktbreit. Der Oberfranke Carl Linde entwickelt den Kühlschrank, Rudolf Diesel, in Paris geborener Sohn eines Augsburger Handwerkers und einer Nürnberger Handwerkstochter, erfindet in der Fuggerstadt den nach ihm benannten Motor. Joseph von Fraunhofer stammt aus Straubing, die weltbekannte Stiftung trägt seinen Namen. Levi Strauss ist im oberfränkischen Buttenheim geboren, die Jeans machte ihn weltberühmt.
Sophie Scholl und ihr Bruder Hans wurden am 22. Februar 1943 von den Nazis hingerichtet. Ihr Widerstand gegen das tödliche Regime Hitlers sorgte mit dafür, dass Deutschlands Ehre nach dem schrecklichen Krieg ein Stück weit gerettet wurde. Eine weiße Rose für die Freiheit, lautet der Titel über eine zwei Seiten umfassende Darstellung des mutigen Kampfs einiger Weniger gegen das NS-Unrecht.
Der Fußball darf in einem solchen Werk nicht fehlen. Helmut Haller, einstiger Stürmerstar aus Augsburg, kämpft auf einem Bild im Endspiel 1966 gegen seinen englischen Widersacher. Das Ende ist bekannt, Deutschland verlor mit 2:4, berühmt-berüchtigt das Wembley-Tor der Engländer, das eigentlich keines war, aber eben zählte. Kurioses am Rande: Haller hat sich damals den Endspiel-Ball geschnappt und ihn aus dem Stadion geschmuggelt. 30 Jahre später kaufte eine englische Zeitung Haller den Ball für 80 000 Pfund ab. Jimi Hendrix taucht auch in dem Bayern-Buch auf. Am 9. November 1966, ist zu lesen, habe er zum ersten Mal auf der Bühne seine Gitarre zerschmettert und zwar im Schwabinger Musikclub „Big Apple“. Carl Orff wird erwähnt, Gabriele Münter, Oskar Maria Graf, Walther von der Vogelweide, Albrecht Dürer und natürlich der Fußballer Müller, der von heute, nicht der von 1974.
Mit Karl Valentin, dem Münchner Komiker kann man die Aufzählung schließen. Passend zu diesem Mann das Zitat: „Ich bin ja auch kein Mensch, ich bin ein Bayer.“ Oder mit einem Wort von Johannes Turmair, Vater der bayerischen Geschichtsschreibung: „Das bayerische Volk trinkt sehr viel, macht viele Kinder, ist etwas unfreundlicher und eigensinniger, wie es geht bei den Leuten, die nicht viel hinauskommen, gern daheim alt werden.“ Es ist, mag sein, ein Schinken, weil es ein dickes Buch ist. Wer was über Bayern wissen will, sollte es lesen. Es darf niemanden außerhalb des Weißwurstäquators verwundern, dass die Macher des Buches das Land als das gelobte preisen. Bayern ist mehr- auch ein Gefühl.