Spät, viel zu spät ist der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Hypo Real Estate (HRE), Georg Funke, und seinen früheren Kollegen, den Finanzvorstand Markus Fell, jüngst vor dem Münchener Landgericht endlich eröffnet worden. Bis in den September diesen Jahres soll an 18 Prozesstagen verhandelt und geklärt werden. Konkret geht es um geschönte, wohl besser um gefälschte Bilanzen dieser Bank für 2007 und das 1. Halbjahr 2008. Darauf stehen bis zu 3 Jahre Gefängnis. Markus Fell, dem zusätzlich Marktmanipulation vorgeworfen wird, drohen sogar bis zu 5 Jahren Gefängnis.
Größter Rettungsfall
Vor achteinhalb Jahren drohte mitten in der Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers der Zusammenbruch der HRE. Der deutsche Staat griff ein und verhinderte ein Desaster, das möglicherweise auch andere Institute des deutschen Bankensystems mit in die Tiefe gerissen hätte. Mit 10 Mrd. € an Finanzhilfen und 124 Mrd. € an Bürgschaften wurde die HRE zum größten Rettungsfall. Damit konnte ein GAU, ein größtanzunehmender Unfall im deutschen Geldgewerbe vermieden werden. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hatte in enger Abstimmung mit der Bundeskanzlerin, der Finanzaufsicht Bafin und anderen beherzt und gewagt eingegriffen.
Sind die Retter die Schuldigen?
Bei der nun eröffneten Gerichtsverhandlung versuchte der forsche und alerte Georg Funke gleich am zweiten Tag, Richter und Staatsanwalt mit großspurigen Ablenkungsmanövern zu beeindrucken. Von seinen Bilanzfälschungen bei der HRE redete er nicht. Vielmehr ging er zum Angriff auf andere über, die die Bank von außen zerstört hätten. Für Funke sind vor allem Finanzminister Peer Steinbrück, Bafin-Präsident Jochen Sanio und der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, die im Herbst 2008 nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman die Rettungsaktion für die HRE organisierten, die eigentlich Schuldigen. Insbesondere habe Steinbrück damals, als er mit Blick auf die Liquiditätsnot von einer geordneten Abwicklung der HRE gesprochen hätte, der Bank den Todesstoß versetzt. Dass Ackermann, den Funke um viele Milliarden Liquiditätshilfe anpumpen wollte, den HRE-Wünschen nicht entsprach, sondern noch die für das Bankwesen Verantwortlichen informierte, sei -so Funke jetzt vor dem Münchener Landgericht- besonders gravierend gewesen.
Gefälschte Bilanzen der HRE
Diese historische Aufarbeitung ist indessen bei dem Gerichtsprozess gar nicht das Thema, das Funke allzu gern zur Ablenkung von eigenen Fehlern spielen möchte. Vielmehr geht es darum, ob der damalige HRE-Vorstand die Risiken der Bank richtig begriffen und ausgewiesen hat oder ob Funke als Vorstandsvorsitzender und damit als Hauptverantwortlicher dieses großen Instituts für Immobilienfinanzierung geschönte, also gefälschte Bilanzen abgesegnet und veröffentlicht hat.
Schon Mitte Januar 2008 hatte die HRE mit der Meldung, dass die Bank 390 Mio. € auf amerikanische Wertpapiere abschreiben müsse, die Finanzwelt und andere in Politik und Wirtschaft schockiert. Die Aktie verlor allein am 15. Januar 2008 rund 35 %; das war wahrlich ein enormer Kursrutsch. Noch kurze Zeit zuvor hatte HRE-Chef Funke erklärt, seine Bank sei „aus der Marktkrise der vergangenen Monate gestärkt hervorgegangen“. Im Nachhinein kann eine solche Aussage wohl nur als ein grandioser Täuschungsversuch gewertet werden.
Risikoreiche Großmannssucht!
Hinzu kam eine weitere von Georg Funke eingefädelte Transaktion, mit der er neue Größe erreichen wollte: Im Jahre 2007 hatte er die Deutsche Pfandbriefanstalt Depfa mit Sitz in Dublin (!) für 5,7 Mrd. € gekauft. Dies Institut, das insbesondere das Kreditgeschäft für den Staat betrieb, operierte außerordentlich risikoreich. Denn es finanzierte die langfristigen Anleihen sehr stark über kurzfristige Anlagen. Dies ging so lange gut, wie der „Einkaufspreis“ für Kurzfristeinlagen deutlich niedriger lag als der Zins für länger laufende Anleihen. Dieses Kapitalmarktgeschäft verglich Georg Funke höchstpersönlich schon Mitte 2007 mit dem „Spielcasino Monte Carlo“. Schon im Depfa-Geschäftsbericht für das Jahr 2007 zeichnete sich eine Liquiditätslücke ab, die für 2008 gar eine Höhe von über 100 Mrd. € erreichte. Experten bezeichneten schon damals das Geschäftsgebaren als eine Katastrophen-Strategie. Georg Funke dürfte da nicht völlig ahnungslos gewesen sein. Großmannssucht und offenbar Unfähigkeit kamen wohl noch dazu. Die gesetzlich vorgeschriebenen und bankenüblichen Sicherungen müssen bei dem allzu großspurigen und ehrgeizigen HRE-Chefbanker durchgebrannt sein.
Täter als Unschuldslamm?
Davon will nun der Mann auf der Anklagebank nichts wissen: Georg Funke tritt bei dem Prozess im Münchener Gericht eher als eleganter Banker, in dunkles Tuch gewandet, im weißen Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen, ja als Unschuldslamm und Opfer auf. Er behauptet in seiner ersten, fast dreistündigen Einlassung gar, dass er im heißen Herbst 2008 die HRE-Krise gemeistert hätte, wenn nicht alle anderen ihn daran gehindert hätten, wenn nicht die HRE-Gruppe „von außen zerstört worden wäre“. Sein Unmut richtet sich sogleich gegen die Staatsanwälte, denen Funke „Unverständnis und Irreführung bei der Darstellung des HRE-Geschäftsmodells“ vorwirft.
Manager-Haftung für Risiken!
Anfang April wird vor Gericht gegen Funke weiterverhandelt; im Herbst soll das Urteil gesprochen werden. Man fragt sich allerdings, warum der Prozess gegen Funke und seinen Kumpanen im Vorstand erst so spät, viele Jahre nach der Pleite, stattfindet. Die Ereignisse aus dem Jahre 2008 sind heute fast schon historisch und bei vielen in Vergessenheit geraten. Allerdings stößt es den kundigen Beobachtern übel auf, mit welcher Chuzpe und Dreistigkeit der Hauptakteur und -verantwortliche von damals heute mit allen Tricks versucht, sogar in eine Opferrolle zu schlüpfen. Die Milliarden, die zum Überleben der systemimmanenten HRE-Bank aufgebracht werden mussten, haben die deutschen Steuerzahler aufgebracht. Sie sind für die Fehlentscheidungen, die Großmannssucht und Misswirtschaft in der HRE unter der Führung von Georg Funke letztlich als Retter zwangsverpflichtet worden. Nicht wenige fragen deshalb mit Recht, wenn so viele Milliarden für die HRE und andere Banken vom Staat mobilisiert wurden, warum das bei anderen sozial- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen so ungleich schwerer fällt. Die Schieflagen haben im letzten Jahrzehnt wesentlich zugenommen – nicht nur in der Finanzbranche in der Bankenkrise, sondern auch in anderen Bereichen der Wirtschaft. Männer und Frauen in den Etagen vieler Firmenvorstände gehen oft genug unverantwortliche Risiken ein, schrecken nicht vor Betrug und Schummelei zurück, verstoßen gegen Recht und Gesetze, kassieren hohe Millionengehälter und Boni sowie üppigste Pensionen – auch noch nach einem unternehmerischen Desaster. Doch von Haftung und Verantwortung für ihre Entscheidungen wollen sie durchweg nichts wissen. Die Soziale Marktwirtschaft ist nur mit einem starken Staat überlebensfähig – mit klaren Regeln und Rahmenbedingungen sowie mit Gesetzen, die Fehlverhalten hart sanktionieren. Spitzenbanker, Automobilbosse oder andere Konzern-Chefs sind nicht sakrosankt; nichts spricht bei ihnen für mildernde Umstände, sondern für schnelle Prozesse und gerechte Verurteilungen. Es soll doch in unserem Land Gerechtigkeit gegenüber jedermann herrschen!
Bildquelle: Wikipedia, User Waugsberg, CC BY-SA 2.0
Ich denke nicht, dass es zu einer Verurteilung kommt. Eher zur einer Rüge.