Die Kunstszene (nicht nur) in NRW ist schon wieder in Aufruhr: Nur wenige Monate nach der umstrittenen Versteigerung zweier Warhol-Werke durch den landeseigenen Casino-Betreiber Westspiel sorgt nun die WestLB-Nachfolgerin Portigon für negative Schlagzeilen. Im Zuge der Abwicklung der ehemaligen Landesbank will, oder vielmehr muss das Unternehmen auch Kunstbesitz verkaufen. Das gefällt nicht jedem.
Die Rede ist von insgesamt 400 Werken, die von der WestLB im Laufe der Jahrzehnte zum Zwecke der Kunstförderung im Land angeschafft wurden. Darunter sind Arbeiten von Joseph Beuys, Sigmar Polke, Imi Knoebel und Günther Uecker. Allesamt Künstler, die in Nordrhein-Westfalen ihre Wurzeln haben. Aber auch Gemälde des Expressionisten August Macke und Stierlithographien von Pablo Picasso gehören dazu sowie eine Skulptur des englischen Bildhauers Henry Moore, die als Leihgabe seit Jahren im Museum für Kunst und Kultur in Münster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Allein ihr Marktwerkt könnte heute im sechststelligen Bereich liegen, heißt es.
In Münster ist die Sorge nun groß, die Skulptur bald nicht mehr zeigen zu können. Umso bedauerlicher, da das Haus für 2016 eine große Präsentation des Werks von Henry Moore geplant hat. Aber auch weitere Werke wie etwa zwei Holztafeln von Giovanni di Paolo aus der Zeit um 1450 würden dem Museum wohl für immer verloren gehen. „Da geht es um Millionenwerte“, sagte Museumsdirektor Hermann Arnhold jüngst der Zeitung „Die Zeit“.
Millionenwerte, die man bei einer Veräußerung wohl kaum im Land wird halten können. Denn selbst wenn Portigon-Chef Kai Wilhelm Franzmeyer, der selbst einmal in Münster studiert hat, den Verkauf zutiefst bedauert. Im Interview mit der „Rheinischen Post“ bekräftigte der Vorstandsvorsitzende gerade noch einmal, dass ihm juristisch keine andere Wahl bleibt, als die Kunstwerke gewinnbringend zu veräußern. Schließlich seien auch sie „Teil des Betriebsvermögens“. Gläubiger, die der angeschlagenen WestLB einst Kredite gewährten, sollen Anspruch auf insgesamt 25 Milliarden Euro haben. Der Verkauf sei mithin „alternativlos“, so Franzmeyer.
Auf Rabatte können das Land NRW, Stiftungen oder Museen, die Interesse an einem Ankauf der Bilder und Skulpturen hätten, indes nicht hoffen. Das wäre ein „klarer Fall von Untreue“, sagte der Manager der RP.
Sofort ging ein Aufschrei durch die Kunstszene und die Feuilletons. Von einer „kulturpolitischen Bankrotterklärung“ ist die Rede, gar von einem „Dammbruch“. Andere werfen Franzmeyer Zynismus und „schnöden Umgang mit der Kunst“ vor. Fachleute fürchten, dass die Kunstwerke bei einem Verkauf in den Kellern russischer Oligarchen oder reicher Chinesen verschwinden. Auch die Opposition im Land nutzt die Steilvorlage selbstverständlich für markige Worte. Einstimmig wettern CDU-Landeschef Armin Laschet und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner gegen die rot-grüne Landesregierung und werfen ihr Unverstand in Sachen Kunst vor. Beide fordern, dass die Kunstwerke im Land bleiben müssen.
Das ist leicht gesagt, angesichts der momentanen Haushaltslage, aber wohl kaum machbar. Zumal Laschet wie auch Lindner wissen müssten, dass nicht der jetzt anstehende Verkauf der millionenschweren Sammlung der eigentliche Skandal ist. Vielmehr wurde wohl in der Vergangenheit, bei den unzähligen Rettungsversuchen für die angeschlagene Landesbank, nicht so genau hingeschaut. Da trifft sicherlich nicht allein Rot-Grün die Schuld.
Immerhin kommt Portigon-Chef Franzmeyer möglichen Interessenten im Land einen kleinen Schritt entgegen und will die rund 400 Werke nicht sofort verkaufen. Während einer Übergangszeit von ein bis zwei Jahren sollen sie in ausgewählten Museen des Landes einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Und wer weiß, vielleicht erschließt sich in dieser Zeit im Land ja noch die ein oder andere Geldquelle … Das wäre schön. Anzunehmen ist es leider nicht.
Bildquelle: Wikipedia, WP:NFCC#4, Andy Warhol. Triple Elvis, 1963. Acrylic and silkscreen ink on canvas. 82 x 118 in,
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