Vorbemerkung: Den nachfolgenden Beitrag hat der Chefredakteur der Neuen Westfälischen, Thomas Seim, am 12.8.2024 als Leitartikel in der NW veröffentlicht. Mit seiner freundlichen Erlaubnis geben wir ihn hier wieder.
Kriege beginnen in den Köpfen der Menschen. So hat es die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1998 festgeschrieben, als sie zum Ende des vergangenen Jahrtausends die Dekade der Kultur des Friedens per Beschluss ausrief. Zu den Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen, ohne die es eine solche Kultur nicht geben kann, zählen: Gewaltlosigkeit, Menschenrechte, Toleranz und Solidarität, Gleichheit zwischen Frauen und Männern, eine nachhaltige Entwicklung, Demokratie, freie Information und Erziehung zum Frieden.
Man mag dem Noch-IOC-Präsidenten Thomas Bach zubilligen, dass die tatsächlich phänomenalen Olympischen Spiele von Paris Botschaften friedlicher Kultur in die Welt sandten. Gleichzeitig allerdings schwiegen nicht die Waffen wie einst im antiken Griechenland.
Im Gegenteil: Die Gegenwart präsentiert sich in vielen Teilen der Welt nahezu kulturlos. Das gilt vor allem für den verbrecherischen Angriffskrieg Putins in der Ukraine. Das gilt auch für die israelischen Angriffe auf auch zivile Ziele – sogar auf eine Schule. Das gilt für die Terror-Attacken der palästinensischen Hamas. Und es gilt auch für die Angriffe der Huthi-Milizen gegen Schiffe im Roten Meer. Die Menschheit scheint ihre Kulturlosigkeit zu kultivieren.
Nur Politik kann es richten, Olympia die Idee liefern
Es ist Zeit für eine Umkehr. Die Umkehr Putins, Netanjahus, der Hamas oder Huthis. Weg von Wut und Vergeltung. Diese Umkehr zu organisieren ist die Herausforderung aktueller Politik. Denn nur Politik kann es richten, die Olympischen Spiele liefern allenfalls die zusätzliche Idee oder Motivation.
In Deutschland hat die Umkehr jenseits allen Streits um Details mit der Aufrüstung und Neuorganisation der Bundeswehr begonnen. Dazu gab es Waffenlieferungen. Deutschland, die Ukraine, die Nato-Staaten verteidigungsfähig zu machen und zu halten gegen Kriegstreiber im Kreml – das war und ist die Herausforderung.
Verteidigungsfähig, nicht kriegstüchtig – das ist der Unterschied. Das ist der erste Schritt zu einer Umkehr im Kopf. Es ist richtig, auf das Angebot zur Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen einzugehen. Es signalisiert Putin die Grenzen seines Verbrechertums.
Allerdings reicht dies allein nicht. Die zweiseitige Absprache des US-Präsidenten Biden mit Bundeskanzler Scholz wird schon die Einbindung auch anderer Nato-Staaten brauchen. Und ihr muss dann – ganz im Sinne einer Doppelstrategie früherer Rüstungs- und Krisenlagen – ein Nato-Doppelbeschluss mit einem Verhandlungsangebot folgen.
Ein Erfolg ist nicht garantiert, aber es wäre ein Anfang. Viele weitere Schritte müssen folgen. Das alles können die Olympischen Spiele nicht. Es ist auch nicht ihre Aufgabe. Aber es könnte die Köpfe wieder freier machen für eine Kultur des Friedens.
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